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Vielfalt im Wald durch Bewirtschaftung?

2. Sep. 2025

Die Frage, wie sich forstliche Nutzung auf die Biodiversität von Wäldern auswirkt, wird in Wissenschaft und Gesellschaft intensiv diskutiert. Einerseits wird argumentiert, dass bestimmte Bewirtschaftungsformen zur Artenvielfalt beitragen können, andererseits zeigen Studien, dass ungenutzte Wälder wichtige Rückzugsräume für spezialisierte Arten darstellen.

Inhalt dieses Artikels:

Es herrscht Uneinigkeit darüber, wie der Wald der Biodiversität und dem Klimaschutz mehr dient: wenn er nachhaltig bewirtschaftet wird oder wenn er sich selbst überlassen bleibt. Wir widmen uns in diesem Artikel dem aktuellen Stand der Wissenschaft zum Thema. Wie wirkt sich Waldbewirtschaftung auf die Biodiversität aus? Sollten wir unsere Wälder vermehrt schützen oder nützen?

Artikel verfasst von:


Mag.a Karin Enzenhofer
Expertin für Wald
WWF Österreich

1. Einleitung

Die Wälder Europas blicken auf eine lange Geschichte menschlicher Nutzung zurück und wurden jahrhundertelang durch unterschiedliche Formen der Bewirtschaftung geprägt.

Auch der Großteil der Wälder in Österreich wird heute bewirtschaftet – nur auf etwa einem Prozent der Waldfläche sind die Eingriffe durch Menschen auf ein Minimum beschränkt und forstliche Nutzung ausgeschlossen (MCPFE-Klasse 1.2; Brandbekämpfung, Schalenwildkontrolle, öffentlicher Zutritt… ist erlaubt) (BMLFUW, 2002; Schwarzl & Aubrecht, 2004). Dazu zählen zum Beispiel Naturwaldreservate (NWR); diese sind für die natürliche Entwicklung des Ökosystems Wald bestimmt und umfassen derzeit etwa 8 666 ha, aufgeteilt auf 192 Naturwaldreservate (BFW, 2025).

2. Einfluss der Waldbewirtschaftung auf die Biodiversität

Ein wesentlicher Unterschied zwischen bewirtschafteten und unbewirtschafteten Wäldern besteht im Ablauf ökologischer Prozesse, die für bestimmten Arten Grundvoraussetzung sind (Norton, 1999). Während in unbewirtschafteten Wäldern die Sukzession nach Störungen wie Feuer, Windwurf oder Borkenkäferbefall ungehindert und vollständig ablaufen kann, werden frühe Entwicklungsstadien im Wirtschaftswald meist nur für einen kurze Zeit geduldet und vorwiegend geräumt und wieder aufgeforstet. Zusätzlich fehlen im Wirtschaftswald die späten Entwicklungsphasen mit alten, großen und auch abgestorbenen Bäumen (Siehe Abbildung: Terminal- und Zerfallsphase) oder sind nur in geringem Umfang vorhanden, da Bäume zum Zeitpunkt der “wirtschaftlichen Reife” gefällt werden. (Müller & Hilmers, 2020).

Grafik Artenreichtum und Waldentwicklungsphasen

Abbildung: Artenvielfalt im Wald entlang der Waldentwicklungsphasen (Unbeeinflusste Sukzession) (Müller & Hilmers, 2020).

Nicht überraschend ist deshalb, dass vergangene Studien gezeigt haben, dass die Waldbewirtschaftung einen erheblichen Einfluss auf die Biodiversität hat, insbesondere auf Arten, die auf alte Wälder, Totholz und Biotopbäume angewiesen sind. In einer Studie zu Sloweniens Wäldern zeigt sich beispielsweise, dass integrative Waldbewirtschaftung zwar eine naturnahe Baumartenzusammensetzung bewahrt, jedoch damit nicht ausreichend alte Waldstrukturen (alte Bäume, Totholz) erhalten werden, die für darauf spezialisierte Arten essentiell sind (Nagel et al., 2017). Generell ist die Artenvielfalt laut Studien in unbewirtschafteten Wäldern tendenziell höher, besonders für Gruppen wie Vögel, Flechten, Pilze und xylobionte Käfer, während Gefäßpflanzen von Bewirtschaftung eher profitieren können (Gossner et al., 2013; Paillet et al., 2010; Meyer 2023). Für Arthropoden zeigt sich kein klares Bild: Studien zeigen durch Nutzungsaufgabe in Wäldern sowohl positive, als auch negative Effekte (Meyer 2023, siehe Abbildung).

Diagramm unbewirtschaftet Effekt auf Wald

Abbildung: Ergebnisse aus Vergleichsstudien bewirtschafteter und unbewirtschafteter mitteleuropäischer Laubwälder im Hinblick auf die Artenvielfalt. Eigene Darstellung nach Meyer et al. (2023).

Die unterschiedlichen Effekte auf Artengruppen werden durch Studien untermauert, die sich mit dem Zusammenhang von Strukturelementen und Artenzahlen beschäftigt haben: sie zeigen zu einem Großteil positive Effekte von Strukturelementen die im Zusammenhang mit unbewirtschafteten Wäldern stehen, wie beispielsweise Totholz, Alter des Bestands, Anteil von Old Growth Forests und Durchmesser großer, alter Bäume (siehe Abbildung). Gefäßpflanzen und Arthropoden werden unter anderem von Lücken / lichtexponierten Stellen positiv beeinflusst, was den teilweise positiven Einfluss der Bewirtschaftung auf ihre Artenzahlen erklärt (Zeller et al., 2023). Für einen vollständigen Vergleich bewirtschafteter und unbewirtschafteter Wälder fehlen derzeit aber noch Langzeitstudien und qualitative Vergleiche der Artenzusammensetzungen (Meyer 2023).

Strukturmerkmale und Artenreichtum Tabelle

Abbildung: Matrix von Korrelationen zwischen Strukturmerkmalen und dem Artenreichtum verschiedener Artengruppen. Der volle Kreis für die die Korrelation zwischen Totholzdiversität und Arthropoden steht für die höchste Zahl der gemeldeten Korrelationsprüfungen. Kleinere Anteile des Kreises zeigen die relative Anzahl der gemeldeten Korrelationen im Vergleich zur höchstmöglichen Anzahl von Korrelationen. Abbildung übersetzt nach Zeller et al. (2023).

2.1. Unterschiede innerhalb der Gruppen

Natürlich weisen aber sowohl unbewirtschaftete als auch bewirtschaftete Wälder auch innerhalb ihrer Gruppen Unterschiede auf. Die Biodiversität in unbewirtschafteten Wäldern hängt vor allem von der Repräsentativität, der Größe des geschützten Gebiets und von der Konnektivität zu anderen Gebieten ab (Schultze et al., 2014); im Vergleich dazu, sind in bewirtschafteten Wäldern vor allem die unterschiedlichen Holznutzungsformen entscheidend: während selektive Holznutzungsformen die Biodiversität am wenigsten beeinträchtigen, haben Kahlschläge die größten Auswirkungen (Chaudhary et al., 2016). Insgesamt zeigen Studien, dass naturnahe Forstwirtschaftsformen zwar die Biodiversität gegenüber intensiver Nutzung besser schützen, jedoch oft nicht ausreichen, um alte Waldstrukturen zu erhalten, die für viele spezialisierte Arten überlebenswichtig sind.

3. Einfluss der Waldbewirtschaftung auf die Kohlenstoffspeicherung

Neben der Biodiversität spielt im Kontext des Klimaschutzes auch die Kohlenstoffspeicherung eine zentrale Rolle bei der Bewertung von Waldnutzungsformen. Unbewirtschaftete Wälder speichern große Mengen Kohlenstoff langfristig in Biomasse und Böden. Bewirtschaftete Wälder können durch Holzentnahme und Verwendung langlebiger Holzprodukte ebenfalls zur CO₂-Speicherung beitragen, vor allem wenn diese fossile Materialien ersetzen. Letztlich hängt der klimatische Nutzen stark davon ab, wie das geerntete Holz verwendet wird und wie nachhaltig die Bewirtschaftung erfolgt. Die Frage, ob bewirtschaftete oder unbewirtschaftete Wälder besser für das Klima sind, lässt sich daher nicht pauschal beantworten und ein endgültiges Urteil der Wissenschaft steht noch aus (Klaus, 2022).

4. Fazit

Zu den wichtigsten Unterschieden zwischen bewirtschafteten und unbewirtschafteten Wäldern zählen zusammengefasst also:

  • Unbewirtschaftete Wälder erhalten ökologische Prozesse, die in bewirtschafteten nur beeinflusst bzw. nicht vollständig ablaufen können
  • In bewirtschafteten Wäldern gibt es dadurch meist weniger Totholz und alte Bäume und die davon abhängigen Arten (Weißrückenspecht, xylobionte Käfer)
  • Insgesamt gibt es dadurch eine geringere Artenvielfalt in bewirtschafteten Wäldern, aber Gefäßpflanzen, sowie licht- und wärmebedürftige Insekten können von Bewirtschaftung profitieren

Um die gesamte Bandbreite der heimischen Tier- und Pflanzenwelt zu erhalten, braucht es sowohl naturnah bewirtschaftete Wälder als auch größere, dauerhaft ungenutzte Flächen, wie sie in Wildnisgebieten und Nationalparks erhalten werden. Der Schutz unberührter Waldflächen steht dabei nicht im Widerspruch zu einer nachhaltigen Nutzung, sondern ergänzt sie sinnvoll. Angesichts der vielfältigen Funktionen, die der Wald für Klima, Biodiversität und Gesellschaft erfüllt, sollten Schutzgebiete gesichert, aber auch gleichzeitig eine verantwortungsvolle Nutzung der Wälder ermöglicht werden.

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