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© Christoph Lendl

Bodenverbrauch und Bodenversiegelung in Österreich:
Der WWF-Bodenreport

Österreich geht extrem verschwenderisch mit wertvollen Böden um. Besonders in den letzten 20 Jahren schossen neue Einkaufszentren, Ortsumfahrungen und Kreisverkehre aus dem Boden. Dabei sollte Österreich als kleines, bergiges Land in den Alpen besonders sorgfältig mit seinen Böden umgehen. Denn neben Gebäuden, Straßen, und Freizeitanlagen brauchen wir auch Flächen für die Landwirtschaft und möglichst viel Natur. Denn intakte Natur bietet Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten und ist unsere beste Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise und deren Auswirkungen.

Wie Bodenschutz gelingen kann, zeigt der neue WWF-Bodenreport: Er liefert 22 Lösungsvorschläge. Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um Bodenverbrauch und Bodenversiegelung haben wir hier zusammengefasst​.

Wie viel Boden wird in Österreich verbraucht?

Im Zehn-Jahres-Schnitt (2015-2024) liegt der Bodenverbrauch in Österreich bei rund 11 Hektar pro Tag. Rund die Hälfte des verbrauchten Bodens wird auch mit Beton oder Asphalt versiegelt. Der Bodenverbraucht liegt damit um mehr als das Vierfache über dem langjährigen Ziel der Politik. Die Bundesregierung hat sich 2002 freiwillig das sogenannte „Nachhaltigkeitsziel“ von 2,5 Hektar pro Tag gesetzt. Insgesamt hat Österreich seit 2002 111.000 Hektar Boden zu viel verbraucht. Und das heißt leider auch: Freiwillige Ziele entfalten offenbar nicht die notwendige Wirkung. Wir brauchen dringend eine verpflichtende Obergrenze für den Bodenverbrauch. Ohne Gegensteuern würden bis 2050 zusätzliche 1.000 Quadratkilometer verloren gehen – das entspricht in etwa dem Vierfachen der heute verbauten Fläche Wiens.

Ist der Bodenverbrauch in Österreich schlimmer als in anderen Ländern?

Österreich geht im Vergleich zu (den meisten) anderen Ländern extrem verschwenderisch mit seinen Böden um. Folgende Beispiele illustrieren das sehr gut. Österreich hat mittlerweile mehr als ein Sechstel seiner landwirtschaftlichen Nutzfläche verbaut. Und von diesen gibt es in Österreich aufgrund der Alpen schon von vorneherein weniger als in anderen Ländern. Insofern müsste Österreich eigentlich besonders sorgfältig mit seinen Böden umgehen. Weiters hat Österreich ein extrem dichtes Straßennetz: Das Netz aus Autobahnen, Schnellstraßen, Bundesstraßen, Landes- und Gemeindestraßen umfasst eine Gesamtstrecke von insgesamt 128.267 Kilometern. Das entspricht in etwa 14 Straßenmetern pro Kopf. Zum Vergleich: Das weit größere Deutschland und die ebenso bergige Schweiz haben ein Straßennetz von je knapp 10 Metern pro Kopf. Auch Betriebsgebiete wie Industrieanlagen, Logistikzentren und Einkaufsparks sind ein wesentlicher Treiber des Bodenverbrauchs in Österreich: In den vergangenen 10 Jahren sind sie insgesamt um mehr als 100 Quadratkilometer. Noch mehr absurde Fakten zum Bodenverbrauch gibt es hier

Wofür wird in Österreich so viel Boden verbraucht?

In Österreich gibt es drei große Problemfelder der Verbauung: Zersiedelung, Straßenbau und große Infrastruktur-Projekte in den letzten Naturräumen. Die ersten beiden Problemfelder stehen in engem Zusammenhang. Zersiedelung ist der Begriff für den Trend, dass sich Siedlungen, Gewerbeparks, Logistikzentren und Industriegebiete immer weiter auf die grüne Wiese ausdehnen. Zurück bleiben verwaiste Ortskerne mit leerstehenden Gebäuden. Eines der Probleme an der Zersiedelung: Die Wege zwischen Wohnhaus, Arbeitsstätten, Nahversorgung und Freizeitgestaltung werden immer weiter. Neue Straßen „müssen“ her. Denn die längeren Wege erhöhen die Abhängigkeit vom Auto. Das erhöhte Verkehrsaufkommen möchte man mit immer neuen Straßen, Ortsumfahrungen und Autobahnen lösen. Das hat allerdings bis jetzt nicht funktioniert, im Gegenteil: Die Verkehrsbelastung, die Emissionen und die Bodenversiegelung für den Straßenbau hat immer weiter zugenommen. Das dritte Problem ist, dass die Verbauung selbst in diese letzten Bastionen der Natur vordringt. In den Alpen sind expandierende Skigebiete und neue Wasserkraftprojekte sehr große Bedrohungen. Mehr Beispiele gibt es hier

Warum kann in Österreich überhaupt so viel gebaut werden?

Zuerst muss man wissen: In Österreich bestimmen hauptsächlich die Gemeinden wo was gebaut werden darf. Jede:r Bürgermeister:in kann mit dem Gemeinderat weitestgehend selbst über die Flächenwidmung  entscheiden. Warum die Entscheidung so oft für neue Siedlungen und Gewerbegebiete fällt? Weil es Steuergeld bringt. Das Problem dabei: Die Gemeinden in einer Region müssen sich unter einander nicht absprechen. So kommt es zu skurrilen Situationen, dass große Gewerbeparks nur kurze Strecken von einander entfernt gebaut werden. Die Bundesländer könnten zwar in der Theorie auch viel zur Raumplanung regeln, wenden das aber nur unzureichend an. Der Bund hat insgesamt nur wenige Kompetenzen.

Das Hauptproblem ist: Es gibt keine österreichweit verbindliche Obergrenze für den Bodenverbrauch, an die sich dann auch wirklich alle Gemeinden und Länder halten müssen. Es gibt zwar einige Ziele und Strategien, die den Bodenverbrauch begrenzen sollen. Doch diese sind nicht verpflichtend und viele Regelungen können leicht umgangen werden. Dazu kommt, dass unser Steuersystem so gestaltet ist, dass es Anreize für umweltschädliches Verhalten gibt, anstatt Boden-, Natur- und Klimaschutz zu fördern.

Wieso ist der hohe Bodenverbrauch ein Problem?

Unsere Ernährung hängt genauso von intakten, fruchtbaren Böden ab wie unser Zugang zu Trinkwasser, zu sauberer Luft, zur Abkühlung im Sommer sowie dem Schutz vor Hochwasser und anderen Naturkatastrophen. Wir Menschen verlieren durch den Bodenverbrauch also unsere Lebensgrundlage. Das sind die negativen Folgen des hohen Bodenverbrauchs:

  • Wir verlieren die Artenvielfalt. Immer mehr menschliche Infrastruktur bedeutet weniger Natur und weniger Lebensraum für (bedrohte) Arten. Besonders drastisch ist die Situation in und an den Flüssen. Viele Arten in Österreich sind in einem schlechten Erhaltungszustand.
  • Wir befeuern die Klimakrise und ihre Auswirkungen. Nur intakter Boden kann CO2 aus der Atmosphäre langfristig speichern. Je weniger intakter Boden vorhanden ist, umso stärker werden wir auch die Folgen der Klimakrise wie Hitzewellen, Trockenperioden oder Starkregen spüren.
  • Wir gefährden unsere Gesundheit. Versiegelter Boden kann nicht mehr zur Abkühlung beitragen. Gerade in Städten entstehen Hitzeinseln, die sogar tödliche Folgen haben können.
  • Wir graben uns das Wasser ab. Auf zubetonierten Flächen rinnt das Wasser ab und kann nicht im Boden versickern. Die Folge: Der Grundwasserspiegel sinkt und bei starken Regenfällen kommt es eher zu Hochwasser.

Brauchen wir nicht mehr Wohnungen und Einkaufszentren, die Bevölkerung wächst ja auch?

Natürlich brauchen wir Menschen Wohnraum und Infrastruktur. Genauso brauchen wir aber auch eine intakte Natur, Erholungsräume und Felder, auf denen unser Essen wächst. Oft ist es aber so, dass für die Errichtung neuer Siedlungen und Gewerbegebiete zu viel Fläche verbraucht wird. Außerdem wird der Boden für überbreite Straßen, einstöckige Gewerbeareale und luxuriöse Tourismusprojekte richtiggehend verschwendet. Das führt dazu, dass der Bodenverbrauch seit 2000 fast um ein Drittel zugenommen hat, während die Bevölkerung um lediglich 14,9 % gewachsen ist.

Was kann man gegen Bodenversiegelung und Bodenverbrauch tun?

Es ist wichtig, dass wir unsere Böden dringend vor weiterer Verbauung schützen. Um gegenzusteuern, enthält der WWF-Bodenreport 22 Lösungsvorschläge. Neben einer verbindlichen Obergrenze fordern wir eine umfassende Reform der Raumordnung und gezielte Entsiegelung. Die noch intakte Natur muss zudem unbedingt bewahrt werden. Es braucht eine umfassende Naturschutz-Offensive, die diese kompromisslos schützt und ihr Platz zum Entfalten zurückgibt. Ebenso ist ein finanzielles Anreizsystem, das Flächensparen fördert und umweltschädliche Subventionen und Steuervorteile abbaut, dringend notwendig.

Was bedeutet Bodenverbrauch?

Bodenverbrauch bedeutet, dass wertvolle Böden verbaut und versiegelt werden, um darauf etwa Straßen, Siedlungen oder Gewerbegebiete zu errichten. Im Zehn-Jahres-Schnitt (2015-2024) liegt der Bodenverbrauch in Österreich bei rund 11 Hektar pro Tag. Der verschwenderische Umgang mit Böden ist eine der größten Gefahren für unsere Natur und wird für Menschen zu einem immer größeren Gesundheits- und Sicherheitsrisiko. Die biologische Vielfalt ist massiv gefährdet und bedroht die Artenvielfalt. Durch die Verbauung wird die Klimakrise zudem noch zusätzlich angeheizt.

Was ist der Unterschied zwischen Flächenfraß, Bodenversiegelung und Bodenverbrauch?

Bodenverbrauch und Flächenfraß meinen das Gleiche: Dass intakte und fruchtbare Böden für Siedlungen, Straßen und Gewerbegebiete beansprucht werden und damit für Landwirtschaft und Natur verlorengehen. Bodenversiegelung bedeutet, dass der Boden mit einer wasserundurchlässigen Schicht aus Asphalt oder Beton überzogen wird. 52% der verbrauchten Böden ist auch versiegelt, sprich mit einer wasserundurchlässigen Schicht aus Beton oder Asphalt überzogen. Damit verliert der Boden alle seine biologischen Funktionen. Dazu zählen die Abkühlung im Sommer und der Schutz vor Hochwassern. Millionen von Kleintieren können nicht mehr ihre ökologischen Aufgaben erfüllen – Humus-Aufbau, Kohlenstoff-Bindung oder die Anreicherung des Bodens mit Nährstoffen.

Warum sind gesunde Böden so wichtig?

Intakte, unverbaute Böden sind unsere Lebensgrundlage. Sie liefern fruchtbare Erde für unsere Nahrungsmittelproduktion und sind wichtige Wasserspeicher. Außerdem sind intakte Böden – nach den Ozeanen – die zweitgrößten Kohlenstoffsenken der Welt. Das bedeutet, sie können große Mengen CO2  aus der Atmosphäre speichern. Somit sind sie sehr wichtig für die Eindämmung der Klimakrise und ihrer Folgen: Sie entziehen der Atmosphäre einerseits Kohlenstoff, wodurch weniger CO2 in der Luft ist. Andererseits kann ein Quadratmeter gesunder, unversiegelter Boden bis zu 200 Liter Wasser speichern, wodurch sowohl Dürren als auch Überflutungen eingedämmt werden können. Der Boden ist außerdem Lebensraum von 59% aller Arten, die auf der Erde leben. Diese zersetzen tote Pflanzenreste oder lockern den Boden und spielen somit eine Schlüsselrolle für das Wachstum unserer Nahrungsmittel.

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Die gesamte Studie:

Titelblatt Moorstudie

Zahlen zum Bodenverbrauch

  • 11 Hektar an Äckern, Wiesen und Wäldern fallen dem Flächenfraß durchschnittlich täglich zum Opfer.
  • Trotz eines seit über 20 Jahren versprochenen Limits von 2,5 Hektar pro Tag ist dieses jedes einzelne Jahr verfehlt worden – insgesamt um rund 111.000 Hektar.
  • 52% der verbrauchten Bodens ist auch versiegelt, sprich mit einer wasserundurchlässigen Schicht aus Beton oder Asphalt überzogen.
  • Die verbaute Fläche in Österreich ist seit 2000 um ein Drittel gewachsen.
  • Flächenfraß macht auch vor bedeutenden Naturräumen nicht halt. Besorgniserregend viel Flächen in wertvollen Gebieten werden als Bauland gewidmet.
  • Nur intakter Boden kann CO2 speichern. Versiegelter Boden hingegen nichts.
  • Mit über 128.000 Straßenkilometern hat Österreich im internationalen Vergleich ein extrem dichtes Straßennetz. Das entspricht in etwa 14 Straßenkilometern pro Einwohner:in.

 

 

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