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WWF im Gespräch: Klimarisiken wirksam bewerten, um Unternehmenserfolg sicherzustellen

Bereits jetzt sind die Folgen der Klimakrise in ihrer Größe und Wucht spürbar und mit ihnen deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Wirtschaft. Schäden durch Wetterextreme, höhere Einkaufspreise, lange Wartezeiten, Umsatzausfälle, zunehmender Planungsaufwand bis hin zum einem kompletten Produktionsstopp und der Nicht-Erfüllung von Aufträgen sind bereits jetzt für viele Unternehmen Realität. Durch die fortschreitende Erderhitzung nehmen die Auswirkungen künftig massiv zu. Unternehmen müssen mit den Folgen für ihre Geschäftstätigkeit umgehen und Risiken und Chancen richtig bewerten.

Große Teile der Wirtschaft sind sich der Klimakrise und dem Eintritt unumkehrbarer Folgen sehr bewusst. Auch regulatorische Vorgaben für ein klimafreundliches Handeln nehmen zu. Nichts desto trotz setzten sich nur wenige Unternehmen strukturiert mit Klima-Risiken und -Chancen
auseinander und stellen sich dabei die Frage, welche Anpassungen des Leistungsportfolios und Geschäftsmodells langfristig notwendig sind.

Im Rahmen der Anlagestrategie des ERSTE WWF STOCK ENVIRONMENT analysiert Stefanie Schock, Senior Research Analyst, Erste Asset Management viele Unternehmen auf ihre Zukunftsfähigkeit in Zusammenhang mit einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie. Wir sprechen mit ihr, wie sich zukünftige Risiken und finanzielle Auswirkungen, die infolge der Klimakrise entstehen, identifizieren und minimieren lassen.

WWF: Welche Klimarisiken treten bei Ihren Unternehmensanalysen besonders häufig auf?

Stefanie Schock: Grundsätzlich unterscheiden wir vier Risikokategorien: physische Risiken, Transitionsrisiken, Risiken auf operativer Ebene sowie Reputationsrisiken. Alle Sektoren und Unternehmen bewerten wir im Rahmen des ERSTE WWF STOCK ENVIRONMENT Fondsmanagement.

Aufgrund der fokussierten Ausrichtung des Fonds, stoßen wir vermehrt auf Unternehmen, die von den Risiken weniger betroffen sind bzw. Risiken in Geschäftschancen umwandeln.

Physischen Risiken beispielsweise resultieren aus Schäden, die direkt durch die Folgen der Klimakrise entstehen. So stellt ein geringerer Wasserpegel vor allem im Frühjahr und Sommer ein hohes physisches Risiko für die Betreiber von Wasserkraft- Anlagen dar. Auch Unternehmen mit wasserintensiver Produktion in Regionen, welche bereits unter erhöhtem Wasserstress leiden, schneiden in unserer Bewertung schlechter ab. Positiv berücksichtigen in diesem Fall jedoch, wenn wir unternehmerische Anpassungsmaßnahmen an sich veränderte Bedingungen durchgeführt werden– beispielsweise regionale Biodiversitätsmaßnahmen.

Unternehmen, welche für den ERSTE WWF STOCK ENVIRONMENT bewertet werden, stammen verstärkt aus dem Versorgungssektor, dem Industrie-Sektor oder dem Sektor für Konsumgüter. Sie umfassen unter anderem die Bereiche Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Energiespeicherung, Abfall & Recycling, Wasser sowie nachhaltige Mobilität.
Aufgrund dieses Fokus befinden sich im Fonds verstärkt Unternehmen, die ihr Geschäftsmodel aktiv auf künftige Klima- und Umweltgesetzgebung vorbereiten. Durch diesen Themenfokus sind Transitionsrisiken im Anlageuniversum des Fonds häufig geringer.

Auch auf operativer Ebene treten Klimarisiken auf. Darunter fallen erhöhte Kosten aufgrund der zu erwartenden regulativen Anforderung – beispielsweise zur CO2-Reduktion. Von Unternehmen im ERSTE WWF STOCK ENVIRONMENT Fonds wird hier vor allem die Angebotsseite abgedeckt. Unternehmen bieten dann beispielsweise Mess- und Regeltechnik oder Umwelt-Monitoring an. Sie nutzen also die regulatorischen Veränderungen, um daraus innovative Geschäftsbereiche zu generieren.

Schließlich sind auch reputative Risiken von Bedeutung. Darunter fallen Schäden, die dem Unternehmen entstehen, wenn es durch seine Geschäftstätigkeit beispielsweise gegen Sozial- oder Umweltstandards verstößt und darunter das Vertrauen in das Unternehmen leidet.

Gemeinsam mit dem WWF Österreich setzen wir bei der Analyse einen Schwerpunkt auf die Bewertung solcher Vorfälle. Unternehmen, die gegen Umweltgesetze verstoßen, würden für eine Selektion in das Anlageuniversum des ERSTE WWF STOCK ENVIRONMENT, nicht in Frage kommen.

Auch hier zeigt sich, dass Unternehmen, die einen ambitionierten Klimaschutz betreiben, glaubwürdig Risiken minimieren.

WWF: Wie können in Anbetracht der Größe und der Verzahnung mit anderen Bereichen Klimarisiken wirksam angegangen werden?

Stefanie Schock: Klimaschutz kann aus unserer Sicht also nur dann wirksam umgesetzt werden, wenn auch andere Bereiche der Nachhaltigkeitsbewertung einfließen und genügend Gewicht bekommen. Wir stimmen unsere Szenarien zur Bewertung daher auch mit externen Stakeholdergruppen ab.

Für das Management des ERSTE WWF STOCK ENVIRONMENT identifizieren wir wesentliche klimabezogene Risiken und Chancen und deren Auswirkungen. Dabei fließen sowohl finanzielle und nicht-finanzielle Aspekte ein. Investiert wird in Unternehmen mit einem zukunftsfähigen Geschäftsmodell.

Bei der Bewertung von Unternehmen stehen wir immer wieder vor der Herausforderung, dass Klimarisiken mit anderen Bereichen in Verbindung stehen. Neben der Klimakrise ist ja auch die Biodiversität, also die Vielfalt der Arten und damit auch wirtschaftlich wichtige Ökosystemdienstleistungen bedroht. Die Risiken in diesem Bereich überschneiden sich insofern, als dass ein besseres Biodiversitäts-Management auch Klimarisiken reduziert, oder anders gesagt: „there is no Net Zero without nature“. Daher achten wir bei der Bewertung auf die Widerstandsfähigkeit der Unternehmensstrategie anhand unterschiedlicher Szenarien.

Berechnungen von Bank of America zufolge, würde die Wiederherstellung zerstörter Ökosysteme ein Drittel der notwendigen Bindung von CO2 ermöglichen, welche für die Erreichung des 1,5 Grad Ziels als notwendig sind. Bei der Bewertung von Unternehmen, die für den Fonds vorgeschlagen werden, achten wir daher auch auf das Biodiversitäts-Management und honorieren speziell Bemühungen zur Wiederaufbereitung von Ökosystemen. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass in Unternehmen, welche Kontroversen bzgl. exzessiver Landnutzung oder Entwaldung aufweisen, nicht veranlagt wird.

Auch bei der Bewertung von Umwelttechnologien treten Zielkonflikten auf: So verringern Windkraftanlagen zwar Klimarisiken, können gleichzeitig aber Biodiversitätsrisiken erhöhen, wenn diese z.B. in wichtigen Durchzugs-Gebieten für Vögel liegen. In unserer Analyse, unterstützt durch das Expertenwissen des Umweltbeirats und die Expert:innen des WWF, versuchen wir alle Risiken entsprechend abzubilden und zu berücksichtigen.

Schließlich sollte auch die Verzahnung mit sozialen Themen nicht unerwähnt bleiben: mögliche Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette der für die Energiewende essenziellen Solarindustrie, sind in der Analyse ein leider immer wiederkehrendes Thema, das teilweise auch nicht von den Unternehmen alleine gelöst werden kann. Hier braucht es letztendlich auch entsprechende politische Maßnahmen, die ja zurzeit auch auf EU-Ebene diskutiert werden.

WWF: Ein gutes Szenario braucht das richtige Klima-Modell?

Stefanie Schock: Für die Bewertung von Unternehmen setzten wir auf Szenarien, um die zukünftige globale Erhitzung und mögliche Auswirkungen darzustellen und dadurch Rückschlüsse auf die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodels zu gewinnen. Grundlage unserer Analyse sind die Szenarien des Weltklimarats (IPCC).

Der ERSTE WWF STOCK ENVIRONMENT investiert ausschließlich in Unternehmen, welche einen positiven Umwelt-Impact aufweisen. Aktiver Klimaschutz ist die Voraussetzung, um unterstützt zu werden.

Auch die Ergebnisse des sechsten Sachstandberichts des IPCC untermauern diese Anschauung: „es ist sowohl technisch, als auch ökonomisch möglich, das Pariser Klimaziel zu erreichen- denn mit Solar- und Windenergie sind schon jetzt besonders kostengünstige Technologien im Energiesektor verfügbar.“ Das zeigt sich auch am Fonds: Alleine im Jahr 2022 konnten durch Neuinstallationen von erneuerbaren Energieträgern der im Fonds investierten Unternehmen, 517 Mio. Tonnen CO2 gespart werden.

WWF: Welche Punkte sind für Sie als Investor:innen bei der Geldanlage entscheidend?

Stefanie Schock: Entscheidend ist nicht nur die Identifikation von Nachhaltigkeitsrisiken, sondern auch ein transparenter Umgang sowie ein nachhaltiges Risiko-Management. Auch die Festlegung und Validierung von wissenschaftsbasierten Zielen (Science Based Targets, SBTi), wird bereits von vielen Investor:innen eingefordert und wird künftig noch stärker eingefordert werden.

Als Beispiel aus dem ERSTE WWF STOCK ENVIRONMENT Fondsuniversum gilt hier ein Unternehmen, welches sich auf die Produktion von Solar-Modulen spezialisiert hat. In den veröffentlichen Berichten wird beschrieben, wie das Unternehmen einen verantwortungsvollen Umgang mit entstehenden Emissionen organisiert. Das Unternehmen hat sich wissenschaftsbasierte Klimaziele gesetzt: Netto-Null Emissionen bis 2050 (relativ zu 2020) und zusätzlich kurzfristige Ziele zu einer Reduktion der Scope 1 & 2 Emissionen um 34 % bis 2028. Diese Zielvorgaben entsprechen dem 1,5 Grad Szenario und wurden auch von der Science Based Targets Initiative validiert. Darüber hinaus werden massive Anstrengungen gegangen, um den Bezug von Konfliktmineralien wie Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold, aus den entsprechenden Regionen, ausschließen zu können. Eine Nachverfolgung bis hin zu den am Beginn der Wertschöpfungskette wird dafür durchgeführt.

Diese Vorgehensweise, gemeinsam mit anderen Aspekten, führt in unserer Nachhaltigkeitsbewertung zu einem der besten Ergebnisse und der Freigabe von finanziellen Mitteln.

Dass immer mehr Investor:innen die Berücksichtigung von Klimarisiken bei ihren investierten Unternehmen einfordern, wird aber auch durch Abstimmungen auf den entsprechenden Hauptversammlungen, ersichtlich.

WWF: Die Dekarbonisierung schafft politische, technologische und gesellschaftliche Entwicklungen und damit viele neue Chancen für Unternehmen. Wo sehen Sie in diesem Zusammenhang künftig Wachstumsmöglichkeiten?

Stefanie Schock: Wachstumsmöglichkeiten sind stark vom regionalen Umfeld und den dortigen Umständen abhängig. Während der Ausbau der Erneuerbaren in manchen Ländern schon weiter vorangeschritten ist, besteht anderswo noch mehr Dringlichkeit. Global, aber vor allem in Europa, wird der weitere Ausbau der Erneuerbaren, die Diversifikation des Erzeugungsmix sowie die Erweiterung der Netzinfrastruktur, erhebliche Investitionen erfordern und damit Wachstumsmöglichkeiten bieten.

Das Handelsblatt berichtete vor kurzem, dass es für den Umbau des Energiesystems in Deutschland um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, Investitionen von mehr als einer Billion Euro braucht. Nach meiner Einschätzung werden innerhalb der Umwelttechnologien vor allem die Entwicklung neuer, noch effizienterer Batterietechnologien oder auch alternativer Speichermöglichkeiten im Fokus stehen. Auch das Thema nachhaltige Mobilität birgt massives Potenzial und wird definitiv den zukünftigen Diskurs bestimmen.

Der ERSTE WWF STOCK ENVIRONMENT investiert weltweit nur in Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben.

Die Zusammenarbeit besteht seit Oktober 2006. Bei der Auswahl der Unternehmensanteile werden strenge Kriterien angewendet und Transparenzrichtlinien befolgt. In einem vom WWF initiierten Umweltbeirat werden zusätzlich alle Unternehmen überprüft und bewertet. Gleichzeitig spendet die Erste Asset Management einen Teil ihrer Verwaltungsgebühr des Fonds. Mit diesen Mitteln werden seitdem Wasser-, Klima- und Naturschutzprogramme des WWF unterstützt.

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