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© Chris Lindner / WWF-US

Atom und Gas in EU-Taxonomie ist „legalisiertes Greenwashing“

Ganz Europa ist momentan darum bemüht, den Gasverbrauch zu senken und den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben. Umso unverständlicher ist die Entscheidung des EU-Parlaments (vom 6. Juli 2022), fossiles Gas und Atomkraft in den Kriterienkatalog für nachhaltige Investitionen – die sogenannte Taxonomie – mitaufzunehmen. Diese Entscheidung ist ein herber Rückschlag für die EU-Klimapolitik, der uns dramatisch von den europäischen Klimazielen entfernt.

„Dieses Gesetz ist legalisiertes Greenwashing!“, bringt es Jakob Mayr, WWF-Experte für nachhaltige Finanzen, auf den Punkt.

Aber gehen wir ein paar Schritte zurück – was ist eigentlich die EU-Taxonomie bzw. EU-Klimataxonomie?

Schnellstraßen tragen massiv zum Flächenfraß bei © ChristophWisser

Was ist die EU-Taxonomie?

Die EU-Taxonomie listet auf, welche Wirtschaftsaktivitäten ökologisch nachhaltig  sein können und für die ökologische Transformation der europäischen Wirtschaft künftig ausgebaut werden müssen – wie etwa die Windkraft oder die Photovoltaik. Die Idee ist, dass den in der Taxonomie gelisteten wirtschaftlichen Tätigkeiten der Zugang zu für den Ausbau nötigen Investitionen gewährt wird. Dafür wurden, basierend auf wissenschaftlichen Kriterien, europaweit verbindliche Regeln geschaffen. Die Taxonomie sollte eine Art Goldstandard werden, auch mit dem Ziel, vor Betrug – also Greenwashing – zu schützen.

Mit der Aufnahme von Gas und Atomkraft droht die EU-Taxonomie vom Goldstandard zum Werkzeug der Atom- und Gas-Lobby zu werden. Zusätzliche Milliarden werden in klimaschädliche Industrien fließen und uns damit in eine fatale Sackgasse bringen.

Straßen treiben die Zersiedelung voran © Christoph Wisser

​Letzte Hoffnung: Klage vor dem Europäischen Gerichtshof

Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Ein Veto-Versuch am Tag der Abstimmung im EU-Parlament scheiterte. Umweltministerin Leonore Gewessler kündigte im Vorfeld der Abstimmung bereits an, eine EU-Taxonomie, die Atomenergie einschließt, vor Gericht anzufechten. Wir fordern, dass Österreich seine Ankündigung wahr macht und den Rechtsweg beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) beschreitet.

Die Klage darf sich nicht nur gegen das Greenwashing von Atomstrom beschränken, sondern muss auf die Gaskriterien ausgeweitet werden. Der WWF prüft eine Klage gegen den Rechtsakt und sucht nach Möglichkeiten, auch das Greenwashing von fossilem Gas vor Gericht anzufechten.

„Europa muss vor allem in Energiespar-Programme und naturverträgliche erneuerbare Energieträger investieren, anstatt neue Abhängigkeiten zu schaffen“, so Jakob Mayr, Experte für nachhaltige Finanzen beim WWF Österreich, und weiter:

„Gerade in der aktuellen Energiekrise müssen wir unsere Gas-Abhängigkeit reduzieren, anstatt diese extrem klimaschädliche Energieform grünzuwaschen.“

Morgenstimmung im Nationalpark Donau-Auen

5 Gründe gegen Atomkraft und Gas in der EU-Taxonomie

Atomkraft ist weder nachhaltig noch zukunftsfähig und daher die völlig falsche Antwort auf die Klima- und Biodiversitätskrise. Auch Erdgas darf keinen Platz in der Taxonomie haben. Denn gemeinsam mit Erdöl und Kohle gehört fossiles Gas weltweit zu den größten Klimakillern und ist allein in Österreich für 20 % aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Besonders problematisch ist das bei der Förderung freigesetzte Methan, ein noch viel schädlicheres Treibhausgas als CO2.

Hier 5 Gründe, warum eine EU-Taxonomie, die fossiles Gas und Atomkraft einschließt, zu einem nutzlosen Instrument werden könnte:

  1. Die EU-Taxonomie würde dem 1,5-Grad-Szenario der Internationalen Energieagentur (IEA) zuwiderlaufen. Die IEA stellt fest, dass die Elektrizität bis 2035 in der OECD und bis 2040 weltweit zu 100 % emissionsfrei sein muss. Dies bedeutet, dass alle Gaskraftwerke innerhalb des gleichen Zeitrahmens abgeschaltet werden müssen.
  2. Die EU-Taxonomie stünde im Widerspruch zu der von der EU und den USA auf der Weltklimakonferenz COP26 abgegebenen globalen Methanverpflichtung, die Methanemissionen bis 2030 um mindestens 30 % zu senken. Mehr Gaskraft würde mehr Methanleckagen bedeuten.
  3. Die EU-Taxonomie wäre ein Rückschritt im Vergleich zur aktuellen Marktpraxis. Der globale Markt für grüne Anleihen (Green Bonds) schließt fossiles Gas und Kernenergie aus.
  4. Die EU-Taxonomie stünde im Widerspruch zu der von zahlreichen EU-Mitgliedstaaten unterstützten und vom Vereinigten Königreich angeführten COP26-Zusage, die internationale Unterstützung für fossile Brennstoffe bis 2022 auslaufen zu lassen.
  5. Die EU-Taxonomie würde EU-Klimaziel für 2030 untergraben. Die Folgenabschätzung der EU-Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass die EU ihren Gesamtverbrauch an fossilem Gas bis 2030 um etwa 30 % senken muss, um ihr Klimaziel von 55 % weniger Treibhausgase bis 2030 zu erreichen. Die Aufnahme von Gas in die grüne Taxonomie würde zu mehr Gas und mehr Emissionen führen, nicht zu weniger.

 

 

 

 

EU-Taxonomie

Das Klassifizierungssystem ist eigentlich eine gute Idee, um die europäische Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Wäre da nicht das Problem, dass die EU-Kommission Erdgas und Atomkraft in der EU-Taxonomie als „nachhaltig“ deklariert hat und somit weiterhin finanziell fördern wird. 

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