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Die Rolle von Totholz im Wald-Wasserkreislauf
Wälder spielen aufgrund ihrer strukturellen Eigenschaften eine große Rolle im lokalen und regionalen Wasserkreislauf von Landschaften. Keine andere Vegetationsform kann so viel Regenwasser über die Blattoberfläche verdunsten und über den Boden aufnehmen. Durch die hohe Verdunstung beeinflussen sie das Wetter maßgeblich. Eine besondere Bedeutung kommt im Wald-Wasserkreislauf der Waldstreu und dem Totholz zu.
Inhalt dieses Artikels:
Totholz erfüllt im Wald neben zahlreichen weiteren Funktionen eine wichtige Rolle im Wasserkreislauf. Neben Kohlenstoffspeicherung, Erhöhung der Produktivität, Bodenstabilisierung und der Funktion als Lebensraum für zahlreiche Arten, speichert Totholz große Mengen an Wasser.
In diesem Artikel wird aufgezeigt, von welchen Faktoren die Speicherung abhängt und warum sie für Waldökosysteme wichtig ist.
Artikel verfasst von:
Mag.a Karin Enzenhofer
Expertin für Wald
WWF Österreich
1. Waldzustands-Monitoring in Österreich
Während eines Niederschlagsereignisses im Wald finden zahlreiche komplexe Transport- und Speicherprozesse entlang des Wasserkreislaufs statt, die teilweise noch nicht gut erforscht sind. Ein Teil des Niederschlags wird in den Baumkronen zurückgehalten und verdunstet zurück in die Atmosphäre. Ein anderer Teil fließt entlang der Stämme ab. Ein weiterer Teil des Niederschlags wird in der Streu, im Totholz und im Waldboden selbst gespeichert.
Aufgrund seiner porösen Struktur kann Totholz wie ein Schwamm große Mengen an Wasser aufnehmen und speichern. Zusätzlich wird beim Zersetzungsprozesses des Holzes durch Bakterien und Pilze Wasser freigesetzt. Die Fähigkeit zur Wasserspeicherung hilft, die Feuchtigkeit im Boden zu erhalten. Außerdem kann Wasser aus Regen oder Schneeschmelze aufgenommen und dann langsam wieder abgegeben werden, was die Gefahr für Überschwemmungen verringert. Durch die hohe Speicherfähigkeit hat Totholz einen positiven Einfluss auf den Wasserhaushalt in Wäldern und versorgt Bäume und andere Pflanzen mit Wasser.
2. Wie viel Wasser kann gespeichert werden?
Eine aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis, dass etwa 18 % der Niederschlagsmenge in Totholz und Streuschicht des Waldes gespeichert werden, 62 % in Bäumen, Boden und Grundwasser und 20 % verdunstet (Floriancic et al., 2023).
Das unmittelbare Rückhaltevermögen von verrottendem Holz, also Wasseraufnahme- und -haltevermögen, beträgt etwa 0,1-0,85 m³ Wasser/m³ Totholz (WWF Poland, 2023).
Die polnische Professorin Anna Klamerus-Iwan von der Universität Krakau schätzt das Speichervermögen etwas geringer: Laut ihr, kann besonders das Totholz von Tanne und Aspe größere Mengen an Wasser aufnehmen, pro Kubikmeter Totholz können bis zu 55 Liter Wasser gebunden werden (Bayrische Staatsforsten, 2024).
3. Wie lange wird Wasser gespeichert?
Während Waldstreu (Nadeln, Blätter) das Wasser nur bis zu zwei Tage zurückhält, kann Totholz laut einer Studie von Floriancic et al. (2023) das Wasser mehr als 7 Tage speichern.
4. Warum ist Wasserspeicherung in Totholz wichtig?
- Hochwasserschutz: Wasser aus Regen oder Schneeschmelze kann aufgenommen und dann langsam wieder abgegeben werden, was die Gefahr für Überschwemmungen verringert.
- Verbesserte Wasserspeicherung des Bodens: Dadurch, dass durch Totholz Wasser aufgenommen und langsam wieder abgegeben wird, kann es dann besser im Boden gespeichert werden. Zusätzlich trägt Totholz zur Humusbildung bei und verbessert so die Wasserspeicherkapazitäten des Bodens (Reise et al., 2020).
- Auswirkungen auf das Mikroklima: Durch die Verdunstung des Wassers aus der Waldstreu und dem Totholz ergibt sich ein kühlender Effekt auf das Waldinnenklima (Floriancic et al., 2023). Der mikroklimatische Effekt von liegendem und stehendem Totholz ist bisher noch nicht ausreichend untersucht. Es wird aber davon ausgegangen, dass sich durch die Wasserspeicherung im Totholz ein positiver Effekt für die Verjüngung ergibt (Reise et al., 2020).
- Resilienz gegen Dürre: Die Resilienz der Wälder gegenüber den Folgen des Klimawandels (wie Dürre) kann aber durch die Verbesserung des Wasserhaushaltes im Wald erhöht werden. Darüber hinaus gibt es Vermutungen, dass vor allem große Totholzmengen als „Kühl- und Feuchteaggregat“ dienen und somit die Stressanfälligkeit des Baumbestandes gegenüber Trockenheit puffern können (Reise et al., 2020).
- Resilienz gegen Waldbrände: Ist die Wasserspeicherung in Totholz gegeben, kann dadurch die Resilienz gegen Waldbrände gesteigert werden. Siehe auch Fachwissen “Steigert Totholz die Brandgefahr im Wald?”.
5. Von welchen Faktoren hängt die Wasserspeicherkapazität ab?
Baumarten: Je dichter das Holz eines Baumes, desto weniger Wasser kann gespeichert werden. Da sich die Dichte zwischen unterschiedlichen Baumarten unterscheidet, unterscheidet sich auch ihre Wasserspeicherkapazität. In den Untersuchungen von Klamerus-Iwan et al. (2020) zeigte Tannenholz die höchste Wasserspeicherkapazität und Wasseraufnahmefähigkeit. Die Laubholzarten (Hainbuche, Esche, Erle, Espe) zeichneten sich durch eine wesentlich geringere Wasserspeicherkapazität und Wasseraufnahmefähigkeit aus.
Bewuchs: Die Wasserspeicherkapazität von Totholz wird verbessert, wenn sie mit Moosen, Flechten, Farnen und blühenden Pflanzen bewachsen sind (WWF Poland, 2023).
Zerfallsgrad: Da durch den Totholz-Zerfall die Holzfasern getrennt werden, verringert sich die Holzdichte und dadurch erhöht sich die Porosität, wodurch mehr Wasser aufgenommen werden kann (Błońska et al., 2018; Floriancic et al., 2023).
6. Implikationen für die Waldbewirtschaftung
Totholz erfüllt also neben seinen Funktionen als Lebensraum für Arten auch eine wichtige Funktion für die Wasserverfügbarkeit im Wald, trägt dadurch zur Humus- und Bodenbildung und zu einem typischen Waldinnenklima bei. Für die Bewirtschaftung bedeutet das, dass Wasser während trockener Perioden besser verfügbar ist, das Wachstum der Bäume unterstützt wird und vor allem junge Bäume besser vor dem Austrocknen geschützt sind. Insgesamt sorgt die Wasserspeicherfähigkeit für ein widerstandsfähigeres Waldökosystem. Die Erhaltung von Totholz ist deshalb als Teil einer naturverträglichen und klimawandelangepassten Waldbewirtschaftung essentiell.
Quellenangaben und Referenzen
- Bayrische Staatsforsten. (2024). Wasser im Wald: Der Fokus liegt auf Wasserrückhaltung. Wasser im Wald: Der Fokus liegt auf Wasserrückhaltung. https://www.baysf.de/de/medienraum/pressemitteilungen/nachricht/detail/wasser-im-wald-der-fokus-liegt-auf-wasserrueckhaltung.html
- Błońska, E., Klamerus-Iwan, A., Łagan, S., & Lasota, J. (2018). Changes to the water repellency and storage of different species of deadwood based on decomposition rate in a temperate climate. Ecohydrology, 11(8), e2023. https://doi.org/10.1002/eco.2023
- Floriancic, M. G., Allen, S. T., Meier, R., Truniger, L., Kirchner, J. W., & Molnar, P. (2023). Potential for significant precipitation cycling by forest-floor litter and deadwood. Ecohydrology, 16(2), e2493. https://doi.org/10.1002/eco.2493
- Klamerus-Iwan, A., Lasota, J., & Błońska, E. (2020). Interspecific Variability of Water Storage Capacity and Absorbability of Deadwood. Forests, 11(5), Article 5. https://doi.org/10.3390/f11050575
- WWF Poland. (2023). The Afterlife of a Tree—2nd edition. https://view.publitas.com/wwf-poland/the-afterlife-of-a-tree-2023/page/2
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