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Ökosystem Waldrand

5. Mai 2025

Durch zunehmende menschliche Landnutzung nimmt die Zerstückelung und Fragmentierung von Wäldern weltweit zu und Waldflächen werden kleiner, wodurch die Dichte von Waldrändern zunimmt (Normann et al., 2016). Während diese Randzonen für typische Arten des “Waldinneren” oft ungeeignet sind, stellen sie – wenn sie eine entsprechende Struktur aufweisen – wichtige Übergangszonen mit hohem Biodiversitäts-Potenzial dar und erfüllen wichtige Funktionen für Land-und Forstwirtschaft.

Inhalt dieses Artikels:

Waldränder sind eine vielfältige und dynamische Zone in Wäldern. Sie bilden die Übergangsflächen zwischen dem offenen Gelände und dem geschlossenen Waldinneren und haben große ökologische Bedeutung. Schutz und Gestaltung von Waldrändern sind deshalb ein wichtiger Bestandteil der nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Was sind die besonderen Eigenschaften von Waldrändern im Vergleich zum Waldinneren? Wie können Waldränder gestaltet werden, um ihre Biodiversität zu fördern? Welche Ökosystemleistungen erbringen intakte, naturnahe Waldränder? Diesen Fragen widmen wir uns im folgenden Artikel.

Artikel verfasst von:


Mag.a Karin Enzenhofer
Expertin für Wald
WWF Österreich

1. Was ist ein Waldrand und wie ist er aufgebaut?

Ein Waldrand bezeichnet die Zone an der Grenze zwischen Wald und Freifläche, wie Wiesen, Felder oder Gewässer. Stufig und locker aufgebaute Waldränder schaffen einen sanften Übergang zwischen dem Wald und dem Kulturland. Diese Randzonen sind durch das Vorkommen einer vielfältigen Mischung von verschiedenen Pflanzen- und Tierarten gekennzeichnet, die sowohl an offene als auch an Waldlebensräume angepasst sind. Der Waldrand besteht im Idealfall aus mehreren Schichten: einem Krautsaum, einem Strauchmantet und Bäumen (Waldmantel). Diese Schichten kommenmeist wie Stufen hintereinander vor(Abbildung A), und können je nach Region und Standort aber auch ineinander übergehend, verwoben oder zueinander versetzt oder auch nebeneinander abwechselnd angeordnet sein (Abbildung B) (Schröder et al., 2016). Diese strukturelle Vielfalt sorgt für unterschiedliche Mikroklimata und Lebensräume innerhalb eines kleinen Bereichs und kann eine wichtige Vernetzungs- und Biodiversitätswirkung haben (Fraissl, 2019).

Stufen-Waldrand Modell

Abbildung: A: Aufsteigender Stufen-Waldrand mit vorgelagertem Krautsaum und Hecken (eigene Abbildung nach forestbook.info). B: Waldrandmodell nach Schröder et al. (2016) mit geringer Waldrandtiefe als Alternative zum Stufen-Waldrand. Traufbäume = Bäume des Waldaußenrandes

2. Besondere Eigenschaften im Vergleich zum Waldinneren

Im Vergleich zum inneren Waldbereich ist der Waldrand eine Zone mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen. Während im Wald ein eher schattiges, feuchtes Mikroklima herrscht, bieten Waldränder oft mehr Sonnenlicht und eine größere Temperaturschwankung. Diese Unterschiede begünstigen das Wachstum von lichtliebenden Pflanzen, die im Schatten des Waldes nicht gedeihen könnten. Generell haben Waldränder oft eine höhere Pflanzenvielfalt als es im Waldinneren der Fall ist, beherbergen aber weniger Pflanzenspezialisten wie Glockenblumen, Buschwindröschen oder Bärlauch (Normann et al., 2016; Vanneste et al., 2024).

Ein wichtiger Lebensraum für viele Arten

Naturnah gestaltete Waldränder sind für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten ein bedeutender Lebensraum. Ein reich strukturierter Waldrand ist sowohl für die Tiere der offenen Landschaft als auch für jene des Waldes ein idealer Rückzugs- und Deckungsort und eine Pufferzone zu intensiv genutzter Land- und Forstwirtschaft. Besonders Insekten, Vögel und kleine Säugetiere profitieren von der Vielfalt dieses Bereichs. Zum Beispiel bieten naturnahe Waldränder wichtige Nahrungsquellen und Brutstätten für Vögel. Auch viele Schmetterlinge und Bienenarten finden hier ein reiches Angebot an Nektarpflanzen und Unterschlupfmöglichkeiten. Für größere Tiere wie Rehe und Füchse stellen Waldränder zudem wichtige Übergangs- und Rückzugsräume dar.

Die Bedeutung von Waldrändern für Käfer zeigt eine Studie im Aggtelek National Park in Ungarn. Im Rahmen der Studie wurden die Vorkommen von Käfern in Wiesen, Wald und Waldrand verglichen – es zeigten sich höhere Artenzahlen im Waldrand und Wiesen im Vergleich zu Waldinnenflächen. Die Studie führt die hohen Artenzahlen des Waldrands darauf zurück, dass sowohl für Waldränder charakteristische Arten, aber auch Arten der angrenzenden Habitate – Wald und Wiese – vorkommen und betont die Bedeutung von Waldrändern für den Naturschutz (Magura et al., 2001).

Bei weitem nicht alle Waldarten profitieren von Waldrändern, viele sind besonders auf die Innenbereiche des Waldes angewiesen: Eine Studie von Pfeifer et al. (2017) fand heraus, dass das Vorkommen von 85% untersuchter Wirbeltierarten (n=1673) durch Waldränder entweder positiv oder negativ beeinflusst wird. “Waldkernarten”, die mit größerer Wahrscheinlichkeit von der IUCN als bedroht eingestuft werden, erreichten nur an Standorten, die mindestens 200-400 m von Waldrändern entfernt waren, ihre höchste Abundanz. Besonders bei Amphibien, Reptilien und mittelgroßen, nicht wandernden Säugetieren zeigte sich dieser Effekt.

3. In der Praxis: Gestaltung von Waldrändern zur Förderung der Biodiversität

Gefährdet ist die Biodiversität in Waldrändern vor allem durch zu intensive Nutzung (Land- und Forstwirtschaft, aber auch Erholungsnutzung). Um die Biodiversität und Ökosystemleistungen an Waldrändern zu fördern, sollten sie möglichst naturnah gestaltet werden. Ein strukturreicher Waldrand, der aus einer Mischung von Sträuchern, Gräsern und Bäumen besteht, bietet zahlreiche Lebensräume. Durch die Anpflanzung von heimischen Pflanzenarten, die unterschiedliche Höhen und Blühzeiten bieten, kann die Vielfalt der Tierarten weiter erhöht werden. Auch das Belassen von Totholz und das Zulassen von Wildkräutern ist wichtig, da sie zusätzliche Lebensräume für Insekten und Kleintiere schaffen (Fraissl, 2019; Österreichischer Naturschutzbund, 2017).
Waldrandtypische Kleinstrukturen wie stehendes bzw. liegendes Totholz, Ameisenhaufen, Ast- und Reisighaufen, Brennessel- und Brombeerdickichte, Erd- und Steinhaufen, offene Bodenstellen, Weiher, Bäche, Gräben, etc. sind besonders wertvolle Bereicherungen an Waldrändern (Österreichischer Naturschutzbund, 2017).

Der „Ideale Waldrand“ sollte folgende Kriterien erfüllen (Österreichischer Naturschutzbund, 2017):

  • Ausgedehnter Strauchgürtel mit vorgelagertem, breiten Krautsaum.
  • Enge Verzahnung von Waldmantel, Strauchgürtel und Krautsaum.
  • Ungleichaltrig und stufig
  • Buchtenreich und unregelmäßig
  • Standortgerechte Pflanzen
  • Vernetzung mit anderen Landschaftselementen wie Ufervegetation, Feldgehölzen und Hecken
  • Kleinstrukturen wie Stein-, Erd- und Asthaufen etc.

Pflege von Waldrändern:

  • Extensive Nutzung des Krautsaums
  • Strauchgürtel zeitweise zurückschneiden um Arten- und Strukturvielfalt zu erhöhen
  • Eventuell extensive Beweidung von Waldrändern

Die Arbeitsgruppe Ökologie der Landesforstverwaltung gibt die folgenden Empfehlungen für unterschiedliche Waldtypen (1996):

  • Eichen, Eichen/Buchen Wälder
    • Auf trockenen Standorten / kollinen Lagen lässt sich offener Charakter der ökologisch wertvollen Waldränder mit wenig Aufwand erhalten; insbesondere Förderung und Erhalt alter Laubbäume empfohlen
    • Standorte mit besserer Wasserversorgung: kein gestaffelter Waldrand mit vertretbarem Pflegeaufwand möglich, Ziel sollte lichte Dauerbestockung vor allem mit Eichen sein
  • Buchenwälder
    • Gezielte Waldrandpflege nur in Ausnahmen sinnvoll, Dominanz von Buche sorgt für dichten Kronenschluss, und lässt wenig Licht auf den Boden; Ziel: Förderung heimischer Laubbaumarten am Waldrand
  • Fi-Ta-Bu – Mischwälder
    • Waldrandpflege sollte sich auf warme, südexponierte Bereiche fokussieren; Ziel: Lichtbaumarten wie Kiefern, Eichen, Birken, Vogelbeeren und Sträucher erhalten oder einbringen
  • Fichen & Douglasien Wälder
    • Besondere Priorität junge Bestände
  • Kiefern Wald
    • Wenig Aufwand durch gutes Lichtangebot mit zunehmendem Alter und dadurch natürliche Sukzession

4. Ökosystemleistungen von Waldrändern

Sind Waldränder naturnah gestaltet, bieten sie eine Vielzahl von Ökosystemleistungen. Sie tragen zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit bei, indem sie Nährstoffe aus dem Wald in die angrenzenden Flächen bringen. Zudem fungieren sie als Pufferzone, die den Wald vor Wind und Erosion schützt. Waldränder sind auch wichtig für den Klimaschutz, da sie CO2 binden und als Lebensraum für viele Tiere fungieren. Ihre Rolle als „grüne Korridore“ ist ebenfalls von Bedeutung, da sie als Verbindung zwischen verschiedenen Lebensräumen dienen und so die genetische Vielfalt fördern. Außerdem haben naturnahe Waldränder einen hohen Erlebnis- und Erholungswert und sind deshalb ein wichtiger Teil der Kulturlandschaft in Österreich (Fraissl, 2019; Österreichischer Naturschutzbund, 2017).

Vorteile naturnaher, strukturreicher Waldränder für die Forst- und Landwirtschaft:

  • Vermindertes Sturmschaden-Risiko, Schutz vor Windwurf
  • Vermindertes Wildschaden-Risiko
    • Abwechslungsreiche Fege- und Verbissmöglichkeiten für Wild
  • Biologische Schädlingsbekämpfung
    • Optimale Lebensbedingungen für viele Tiere, die sich von Schädlingen der Land- und Forstwirtschaft ernähren.
  • Geringere Wurzelkonkurrenz zwischen Randbäumen und landwirtschaftlichen Nutzpflanzen
  • Blütenreiche Waldränder als Nahrungsquelle für bestäubende Insekten inklusive Honigbienen
  • Vermindertes Erosionsrisiko
    • Bewuchs bremst die Bodenerosion durch Wind und Wasser
  • Abschwächung atmosphärische Stickstoff-Ablagerung
    • Während an abrupten Waldrändern die Stickstoff Ablagerung durch Niederschlag im Vergleich zum Waldinneren deutlich erhöht ist, können naturnah gestaltete, graduelle Übergänge die Ablagerung abschwächen, und so potentiell negative Effekte auf die Wald-Biodiversität verringern (Wuyts et al., 2009).

Eine aktuelle Studie von Vanneste et al. (2024) zeigte außerdem, dass in 45 eichendominierten Wäldern in verschiedenen europäischen Ländern Waldränder im Vergleich zum Waldinneren höhere Holzproduktionsraten (Biomasse), mehr Nektar für Bestäuber und eine höhere Verjüngung aufweisen, dafür aber beispielsweise eine geringeres Vorkommen von sogenannten “usable plants” haben. Pöpperl & Seidl (2021) analysierten Waldränder im Nationalpark Kalkalpen: Sie fanden heraus, dass die Akkumulierung von Waldbiomasse (siehe Grundfläche (Tree basal area), Kohlenstoffspeicherung in Bäumen (LTC) und Streu (Litter)) negativ von Randeffekten beeinflusst wird.

Waldrand vs. Waldinneres

Abbildung: A: Vergleich zwischen Waldrand und Waldinnerem hinsichtlich Biodiversität und Ökosystemleistungen. Kreis = Mittlerer Effekt; Dicke Linie = 80% Konfidenzintervall; Dünne Linie = 95% Konfidenzintervall (Vanneste et al., 2024). B: Randeffekte auf Grundfläche (TBA), Totholz, Varianz in Baumdurchmesser (DBH), Kohlenstoffspeicherung (Live Tree Carbon LTC), Streu (Litter), Bodenvegetation (Ground veg.) (Pöpperl & Seidl, 2021).

5. Schlussfolgerungen

Waldränder sind nicht nur bedeutende Lebensräume mit hoher Artenvielfalt, sondern erfüllen auch wichtige Schutz- und Pufferfunktionen, die sowohl den Wald als auch die angrenzenden Landschaften positiv beeinflussen. Eine nachhaltige Gestaltung und Pflege von Waldrändern ist daher entscheidend, um ihre Biodiversität und ihre Funktionen zu gewährleisten, und sollte auch dementsprechend gefördert werden. Es zeigt sich aber, dass Waldrandflächen zwar oft eine sehr hohe Biodiversität aufweisen, wichtige “Waldkernarten” aber nur im Waldinneren vorkommen, und sowohl Waldränder als auch Waldinnenflächen wichtige Ökosystemleistungen erbringen, die sich gegenseitig ergänzen können.

Quellenangaben und Referenzen

  • Arbeitsgruppe Ökologie der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg. (1996). Lebensraum Waldrand—Schutz und Gestaltung. Merkblätter Waldökologie, 2. https://www.fva-bw.de/fileadmin/publikationen/merkblatt/mb_48.pdf
  • Fraissl, C. (2019). Der Waldrand – vergessener Hotspot der Biodiversität? (S. 1–11) [Ergebnisprotokoll der Fachgespräche]. Netzwerk Zukunftsraum Land.
  • Magura, T., Tóthmérész, B., & Molnár, T. (2001). Forest edge and diversity: Carabids along forest-grassland transects. Biodiversity & Conservation, 10(2), 287–300. https://doi.org/10.1023/A:1008967230493
  • Normann, C., Tscharntke, T., & Scherber, C. (2016). How forest edge–center transitions in the herb layer interact with beech dominance versus tree diversity. Journal of Plant Ecology, 9(5), 498–507. https://doi.org/10.1093/jpe/rtw004
  • Österreichischer Naturschutzbund. (2017). Waldränder: Gestaltung und Pflege. Natur und Land, 4, 23–42.
  • Pfeifer, M., Lefebvre, V., Peres, C., Banks-Leite, C., Wearn, O., Marsh, C., Butchart, S., Arroyo-Rodríguez, V., Barlow, J., Cerezo, A., Cisneros, L., D’Cruze, N., Faria, D., Hadley, A., Harris, S., Klingbeil, B., Kormann, U., Lens, L., Medina-Rangel, G., … Ewers, R. (2017). Creation of forest edges has a global impact on forest vertebrates. Nature, 551(7679), 187–191. https://doi.org/10.1038/nature24457
  • Pöpperl, F., & Seidl, R. (2021). Effects of stand edges on the structure, functioning, and diversity of a temperate mountain forest landscape. Ecosphere, 12(8), e03692. https://doi.org/10.1002/ecs2.3692
  • Schröder, H., Wurster, M., Asmus, R., Smarsly, L., Wattendorf, P., Konold, W., & Bihlmaier, J. (2016). Waldränder: Typen, ökologisches Potenzial und Empfehlungen zu ihrer Begründung, Erhaltung, Aufwertung und Vernetzung [Abschlussbericht]. Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg; Albert-Ludwifgs-Universität Freiburg. https://opac.dbu.de/ab/DBU-Abschlussbericht-AZ-30641.pdf
  • Vanneste, T., Depauw, L., De Lombaerde, E., Meeussen, C., Govaert, S., De Pauw, K., Sanczuk, P., Bollmann, K., Brunet, J., Calders, K., Cousins, S. A. O., Diekmann, M., Gasperini, C., Graae, B. J., Hedwall, P.-O., Iacopetti, G., Lenoir, J., Lindmo, S., Orczewska, A., … De Frenne, P. (2024). Trade-offs in biodiversity and ecosystem services between edges and interiors in European forests. Nature Ecology & Evolution, 8(5), 880–887. https://doi.org/10.1038/s41559-024-02335-6
  • Wuyts, K., De Schrijver, A., Vermeiren, F., & Verheyen, K. (2009). Gradual forest edges can mitigate edge effects on throughfall deposition if their size and shape are well considered. Forest Ecology and Management, 257(2), 679–687. https://doi.org/10.1016/j.foreco.2008.09.045

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