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Einordnung der österreichischen Forstgesetznovelle 2023
Im Bereich Wald(-naturschutz) ist auf Bundesebene das Forstgesetz 1975 von zentraler Bedeutung. Es regelt die forstliche Raumplanung (§§ 6 – 11), die Erhaltung des Waldes und der Nachhaltigkeit seiner Wirkungen (§§ 12 bis 38), den Forstschutz (§§ 40 bis 45), die Bringung (§§ 58 bis 73), die Nutzung der Wälder (§§ 80 bis 97), den Schutz vor Wildbächen und Lawinen (§§ 98 bis 103) und vieles mehr. Ende 2023 wurde das Forstgesetz novelliert. In diesem Beitrag wird die Novelle und für den Naturschutz wichtige Aspekte aus WWF Sicht beleuchtet.
Inhalt dieses Artikels:
Der WWF Österreich bewertet die beschlossene Novelle des Forstgesetzes als Schritt in die richtige Richtung. Erstmals wurde der Biodiversitäts- und Klimaschutz in der Zieldefinition des Forstgesetzes verankert. Das bietet die einmalige Chance, dem Schutz von naturnahen Wäldern mehr Priorität einzuräumen. Dazu müssen diese nun in den Waldentwicklungsplänen und damit bei forstrechtlichen Verfahren berücksichtigt werden. Kritisch bewertet der WWF die neue Verordnungsbevollmächtigung, die es dem Ministerium ermöglicht, neue Baumarten für die Anpflanzung freizugeben.
Im folgenden Text gehen wir auf einzelne Abschnitte der Forstgesetz-Novelle näher ein und ordnen die Adaptierungen des Gesetzes aus WWF-Sicht ein.
Artikel verfasst von:
Mag.a Karin Enzenhofer
Expertin für Wald
WWF Österreich
1. Abschnitt: Wald, Allgemeines
In § 1 wird die Bedeutung der biologischen Vielfalt und der Kohlenstoffspeicherung für die Nachhaltigkeit der Waldbewirtschaftung in der Zieldefinition ergänzt.
WWF-Einordnung: Der WWF begrüßt die Änderung ausdrücklich.
Mit § 1a wird das Ministerium bevollmächtigt, eine neue Verordnung zu erlassen, um neue Baumarten für die Anpflanzung freizugeben.
- WWF-Einordnung: Diese Änderung wird kritisch bewertet: Um Risiken für die Waldökosysteme möglichst zu vermeiden, muss hierbei zukünftig das Einbringen neuer, möglicher invasiver Arten ausgeschlossen werden.
Mit einer weiteren Änderung unter § 1 wird der Götterbaum von der Liste der erlaubten Holzgewächse (§ 1) gestrichen.
- WWF-Einordnung: Es wird EU-Recht umgesetzt, was sehr zu befürworten ist. Die Verordnung für den Umgang mit Neobiota (EU-Verordnung Nr. 1143/2014) weist den Götterbaum als risikoreichen Neophyt aus und dieser darf mit der vorgelegten Streichung deshalb nicht mehr forstlich genutzt werden. Zusätzlich sollten Arten wie die Robinie, die in Österreich als invasive Neobiota eingestuft sind, ebenfalls gestrichen werden. Im Sinne eines guten Risikomanagements sollten ferner keine neuen Baumarten, die als (potenziell) invasive Neobiota gelten, hinzugefügt werden.
Agroforstliche Nutzungen werden in §1 explizit als Nicht-Wald eingeführt.
- WWF-Einordnung: Agroforstliche Nutzungen können ökonomisch positive Effekte haben. Besonders hervorzuheben ist der ökologische Nutzen wie Bodenschutz und die Schaffung von Biotopen. Bisher gab es bei der Umsetzung jedoch erhebliche Probleme, da die betroffenen Bäume oder Gehölze Gefahr liefen, in Waldflächen umgewidmet zu werden und damit andere Nutzungsvoraussetzungen geschaffen wurden. Die vorliegende Novelle vereinfacht die Praxis in der Agroforstwirtschaft und sichert sie rechtlich besser ab, was wir ebenfalls begrüßen.
Der Biodiversitäts- und Klimaschutz wird mit der Änderung in § 6 in die Wohlfahrtsfunktion integriert.
- WWF-Einordnung: Die Adaptierung ist ein wichtiger Schritt. Damit gibt es die einmalige Chance, dem Schutz von arten- und kohlenstoffreichen Wäldern Priorität in der Erhaltung einzuräumen. Entscheidend für die Wirkung und den Erfolg der geplanten Regelung ist die ambitionierte Umsetzung im Waldentwicklungsplan:
- Ziel des Waldentwicklungsplan (WEP) ist, die im Forstgesetz definierten Waldwirkungen bestmöglich und nachhaltig zu sichern. Das heißt in forstrechtlichen Verfahren und bei Förderungen ist der WEP zu berücksichtigen. Nach erfolgter Forstgesetznovelle muss die Richtlinie zum WEP angepasst werden und die Wohlfahrtsfunktion mit deren Bewertungen neu definiert werden. Zusätzlich muss der WEP selbst adaptiert werden. Damit müssen bei Verfahren und in Gutachten diese Veränderungen mitberücksichtigt werden.
3. Abschnitt: Erhaltung des Waldes und der Nachhaltigkeit seiner Wirkungen
Paragraph 32a ist einer der wenigen im Forstgesetz, der auf naturschutzfachliche Erfordernisse der FFH- und Vogelschutzrichtlinie im Wald Bezug nimmt. Mit der Novelle wird ein Stellungnahme-Recht von Bezirksverwaltungsbehörden als Naturschutzbehörde bei forstlichen Verfahren in Wäldern in Schutzgebieten (Naturschutzgebieten, Naturwaldreservate, Nationalparks und Natura 2000) ergänzt.
- WWF-Einordnung: Die Änderungen können ein Beitrag zur Lösung von möglichen Interessenskonflikten der Forstbehörde sein: Dies führt hoffentlich zu einer verbesserten Berücksichtigung und Integration von Naturschutz-Interessen. Besonders dort, wo Forst- und Naturschutzbehörden von derselben Person besetzt sind, wird eine Verbesserung allerdings schwer möglich sein. Deshalb sind diese Positionen bei Behördenstellen unbedingt an unterschiedliche Personen zu vergeben.
- Anzumerken ist, dass wichtige zusätzliche Änderungen im § 32a noch fehlen: So sind die aufgezählten Ausnahmen hinsichtlich expliziter Bestimmungen des Forstgesetzes nicht vollständig. Zusätzlich sollte jedenfalls noch § 37 ergänzt werden, womit eine naturschutzfachliche Waldbeweidung geregelt werden könnte.
Kritisch bzw. ambitionslos ist außerdem die Beschränkung der Biotopschutzwälder auf nur jene Gebiete, die bereits rechtlich (Gesetz, Verordnung oder Bescheid) unter Schutz gestellt wurden. - Immer wieder kommt es zu Konflikten hinsichtlich von Fällungen in Schutzgebieten. Daher sollte die Bewilligungsgrenze in Biotopschutzwäldern gesenkt werden, damit wertvolle Waldbestände in Schutzgebieten aufgrund fehlender Managementpläne nicht verloren gehen.
- Besonders hinweisen möchten wir beim §32a auf die aktuell in der Praxis auftretenden Probleme. Laut Gesetzestext kann die Behörde auf Antrag des Waldeigentümers einen Bescheid erlassen. In der Praxis kam es allerdings schon vor, dass dies behördenseitig in strengen Schutzgebieten widersagt oder auch aufgehoben wird, obwohl der Eigentümer ausdrücklich zustimmt und das öffentliche Interesse aufgrund der Lage der Flächen in strengen Schutzgebieten eindeutig vorliegt. Auf diese Weise sind in den vergangenen Jahren mehrere wertvolle Altbestände zerstört worden. Deshalb ist folgender Zusatz in §32a, Absatz (3) zu ergänzen: “In Kerngebieten der IUCN-Kategorien I (Wildnisgebiete) und II (Nationalparke), sowie für UNESCO-Weltnaturerbeflächen sind die Ausnahmen nach Zustimmung des Waldeigentümers mit Bescheid anzuordnen.”
4. Abschnitt: Forstschutz
Es werden umfangreiche Änderungen hinsichtlich Waldbrandbekämpfung vorgenommen.
- WWF-Einordnung: Der Entfall der Ermächtigung der Länder zur Regelung des Waldbrand- bekämpfungskostenersatzes ist positiv, da eine bundeseinheitliche Regelung effizienter in der Abwicklung ist. Angesichts des steigenden Waldbrandrisikos aufgrund der Klimakrise und der Labilität vieler Bestände braucht es zudem naturverträgliche Vorsorgepläne.
Änderungen in § 46 betreffen den Pflanzenschutz: Das Spritzen oder Sprühen von Pflanzenschutzmitteln mit Luftfahrzeugen (Flugzeug oder Hubschrauber) ist verboten. Mit diesem Verbot und den weiteren Bestimmungen zu Pflanzenschutzgeräten, einem zu erstellenden Aktionsplan und etc. wird der EU-Richtlinie zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (2009/128/EG) Rechnung getragen.
- WWF-Einordnung: Die Umsetzung von EU-Recht ist zu begrüßen. Hinsichtlich der Neuerungen für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln fehlen im aktuellen Entwurf aber spezifische Regelungen in Schutzgebieten: So sollte der Einsatz zumindest in Biotopschutzwäldern nur bei der Bekämpfung von Neophyten laut IAS-Richtlinie möglich sein. Das würde die potentielle Schädigung von geschützten Arten bei der Anwendung von Mitteln zumindest einschränken.
- Pflanzenschutzmittel sollten jeweils nur anlassbezogen, sowie sach- und bestimmungsgemäß zur Anwendung kommen. Nicht nur die zugelassenen Mittel selbst (z.B. Herbizide), sondern auch die für ihren Austrag verwendeten Geräte sollten streng reglementiert bzw. kontrolliert werden, um ein unbeabsichtigtes Tropfen oder Ausrinnen im Wald – und somit erhebliche Biodiversitätsschäden – zu vermeiden.
6. Abschnitt: Nutzung der Wälder
Für die Baumart Fichte wurde der Schutz hiebsunreifer Bestände auf das Alter von 50 Jahren herabgesetzt.
- WWF-Einordnung: Dies kann in manchen Gebieten und zum Umbau zu klimafitten Beständen sinnvoll sein.
7. Abschnitt: Schutz vor Wildbächen und Lawinen
Die hier getätigten Änderungen betreffen den Schutz vor Naturgefahren. So ist etwa nicht mehr eine Begehung von Wildbächen notwendig, sondern eine Erkundung beispielsweise mittels GIS-Systemen ist ebenso möglich. Ebenso ist ein Wildbach- und Lawinenkataster für Naturgefahreninformationen vorgesehen.
- WWF-Einordnung: Der WWF begrüßt die Änderung.
10. Abschnitt: Forstliche Förderung
Positiv zu beurteilen ist, dass die an den Lebensraum angepassten Wildbestände in Zukunft bei der forstlichen Förderung berücksichtigt werden sollen. Zudem soll mit der Novelle auch für die Kohlenstoffspeicherung in Wäldern eine Förderung möglich sein.
- WWF-Einordnung: Der WWF begrüßt die Änderung ausdrücklich. Hier ist wichtig, dass diese Förderungen nur für lange Zeiträume und in naturnahen Wäldern in Anspruch genommen werden sollten.
12. Abschnitt: Allgemeine, Straf-, Aufhebungs-, Übergangs- und Schlussbestimmungen
Kritisch sieht der WWF, dass die Politik die schon lange bestehenden Rechtsunsicherheiten und Haftungsängste bezüglich der Wald- und Baumhaftung nicht bereinigt. Diese führen aktuell dazu, dass bei vielen Bäumen altes Holz weggeschnitten wird oder ganze Bäume gefällt werden. Eine Klärung im Forstgesetz, dass Waldeigentümer:innen nicht für „waldtypische Gefahren“ haften, würde dazu führen, dass stehendes Totholz, tote Äste, Ast- und Baumbrüche etc. keine Haftungsansprüche auslösen könnten. Zumindest müsste eine spezielle Regelung für strenge Schutzgebiete eingeführt werden. Dadurch würde der Zielkonflikt in Schutzgebieten gelöst, in denen das Zulassen natürlicher Prozesse im Ökosystem einen wesentlichen Schutzzweck darstellt: das heißt, Wälder/Bäume müssten momentan einerseits ihrer natürlichen Entwicklung überlassen werden, aber andererseits muss für Schäden auf Wegen noch gehaftet werden.
Widerspruch zu Unions- und Völkerrecht
Sehr kritisch ist, dass die vorgelegte Novelle die Aarhus-Konvention erneut nicht umsetzt und damit keine Verfahrensbeteiligungsrechte verankert. Anerkannte Umweltorganisationen haben laut den Verpflichtungen der Aarhus-Konvention in Verfahren effektiv beteiligt zu werden, in denen potenziell erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind. Darüber hinaus ist ihnen gegen Entscheidungen, Handlungen und Unterlassungen über Eingriffe in die Umwelt Rechtsschutz einzuräumen. Dass das Forstgesetz eine solche Beteiligung nicht vorsieht, widerspricht damit dem Umweltunions- und Völkerrecht. Die mangelnde Umsetzung der Aarhus-Konvention führt regelmäßig zur Aufhebung der geltenden Gesetzeslage durch Höchstgerichte wie VfGH, VwGH und EuGH und somit zur massiven Rechtsunsicherheit für Rechtsunterworfene. Auch angesichts mehrerer laufender Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich (etwa jenes der EU-Kommission 2014/4111) fordert der WWF eine vollständige und ordentliche Umsetzung der Aarhus-Konvention auch im Forstgesetz.
Quellenangaben und Referenzen
- Geltende Fassung des Forstgesetzes abrufbar unter https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010371
- Parlamentarisches Verfahren einsehbar unter https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/I/2205?selectedStage=100
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