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Waldzustands-Monitoring in Europa und Österreich

5. Nov 2024

Das Monitoring des Waldzustands spielt eine zentrale Rolle für nachhaltige Forstwirtschaft und im Wald-Naturschutz, indem es ermöglicht, frühzeitig auf negative Entwicklungen zu reagieren und gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um intakte Waldökosysteme zu erhalten und zu fördern. Besonders im Blick auf Klima- und Biodiversitätskrise und den dadurch entstehenden Herausforderungen in der Waldbewirtschaftung, ist ein einheitliches Wald-Monitoring essentiell.

Inhalt dieses Artikels:

Als Waldzustand bezeichnet man den biologischen und forstwirtschaftlichen Zustand größerer Waldflächen. Gemessen wird der Waldzustand beispielsweise an forstlichen, botanischen, geologischen, hydrologischen oder bodenkundlichen Indikatoren.

Dieser Artikel gibt einen Überblick und Beispiele zu aktuellen Erhebungen und Inventuren in Österreich, auf EU-Ebene und weltweit.

Artikel verfasst von:


Mag.a Karin Enzenhofer
Expertin für Wald
WWF Österreich

Waldzustands-Monitoring wird aus unterschiedlichsten Gründen durchgeführt: Motivation für die Erhebungen können wirtschaftliche Zwecke (Aspekte der Waldnutzung wie Holzvorrat, Holzqualität, Berichterstattung für Zertifizierungen), soziale Zwecke (z.B. Bewusstseinsbildung), Klimaschutz (z.B. Kohlenstoffbindung), Wissenschaftliche Forschung, Naturschutz und Biodiversität (Lebensraumqualität, Artenvorkommen) und internationale Vorgaben (z.B. von der FAO zur Berichterstattung) sein. Oft werden auch mehrere Zwecke gleichzeitig erfüllt. In diesem Artikel möchten wir vorrangig auf das Monitoring zu Biodiversität, Klimaschutz und nachhaltige Forstwirtschaft und die dazugehörigen Indikatoren eingehen.

1. Waldzustands-Monitoring in Österreich

Monitoring-Projekte zum Waldzustand in Österreich liefern wichtige Kennzahlen aus unterschiedlichen Themenbereichen. Viele davon werden im Österreichischen Waldbericht zusammengeführt und dargestellt und zur Zielerreichungs-Überprüfung im Österreichischen Walddialog herangezogen. Waldbericht und Walddialog sind nach den Kriterien und Indikatoren für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa (Forest Europe) aufgebaut (siehe Punkt 2.). Nachfolgend sind einige Beispiele für Monitoring-Projekte und Erhebungen zum Waldzustand in Österreich angeführt.

Waldinventur (ÖWI)

Die Waldinventur in Österreich (ÖWI) ist eine umfassende Erhebung zum Zustand und Veränderungen im Ökosystem Wald. Sie wird seit 1961 in regelmäßigen Abständen vom Bundesforschungszentrum für Wald im Auftrag der Republik Österreich durchgeführt.

Insgesamt umfasst das Stichprobennetz der Geländeerhebungen der ÖWI rund 11.000 Probeflächen, auf denen rund 200 wald- und umweltrelevante Parameter erfasst werden, und ist damit das umfangreichste Monitoring zum Waldzustand in Österreich. Zusätzlich werden mit Fernerkundungsmethoden Satellitendaten und Luftbilder erhoben. Erhobene Parameter sind beispielsweise Baumartenverbreitung, Altersklassen, Verjüngungsmerkmale oder Totholzmenge. Die öffentlich einsehbaren Ergebnisse der Waldinventuren können hier abgerufen werden.unsachlicher Diskussion auf Kosten von Natur und Mensch gefährdet.

Waldinventur: Baumarten-Verbreitung in Österreich

Abbildung: Baumarten-Verbreitung in Österreich (waldinventur.at) © BFW Bundesforschungszentrum für Wald

Waldbodenmonitoring

Mit dem österreichischen Waldbodenmonitoring (WBZI und BioSoil) liegt eine Datenbasis vor, die die Vielfalt österreichischer Waldstandorte abbildet. Die erste österreichweite Aufnahme, die Waldbodenzustandsinventur („WBZI“) fand in den Jahren 1987 bis 1989 auf 511 Flächen statt, und wurde im Rahmen von „BioSoil“ 2006 bis 2007 (aber nur auf 139
Flächen) wiederholt. Weitere Wiederholungen wären sinnvoll, sind derzeit aber nicht geplant. Weitere Informationen zum Waldbodenmonitoring gibt es hier.

Österreichisches Bioindikatornetz (BIN)

1983 wurde das Bioindikatornetz (BIN) als bundesweites flächendeckendes Monitoringnetz eingerichtet, um die Auswirkungen von Luftverschmutzung in Waldökosystemen zu überwachen. Ziel dieses Monitoringprogrammes ist es, durch die Analysen der Blatt- und Nadelgehalte Immissionseinwirkungen festzustellen und deren zeitliche Entwicklung und räumliche Verteilung aufzuzeigen. Als Bioindikator wurde die Fichte verwendet, nur im Osten Österreich wurden – mangels geeigneter Fichtenflächen – auch Kiefern und Buchen herangezogen. Das BIN besteht aus einem 16×16 km Grundnetz und Verdichtungspunkten. Auf jedem Netzpunkt werden zwei Bäume beerntet. Derzeit werden in den Nadelproben Schwefel und die Nährstoffe Stickstoff, Phosphor, Kalium, Calcium, Magnesium, Eisen, Mangan, Zink, Kupfer, Bor, Chrom, Nickel und Quecksilber bestimmt. In der Nähe von Emittenten werden zusätzlich die Elemente Fluor, Chlor, Blei und Cadmium analysiert.

Weitere Informationen und die Ergebnisse des BIN können hier abgerufen werden.

Schwefelgehalte: Österreichisches Bioindikatorennetz

Abbildung: Schwefelgehalte – Österreichisches Bioindikatornetz (bioindikatornetz.at) © BFW Bundesforschungszentrum für Wald

Hemerobiedaten

Der Begriff „Hemerobie“ ist ein Maß für den menschlichen Einfluss auf Ökosysteme, der zu einer Abweichung vom natürlichen Referenzzustand führt. Zwischen 1992 und 1997 wurde einmalig eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung zur Natürlichkeit der österreichischen Wälder durchgeführt. 22% der Fläche wurden als naturnah, 3% als natürlich eingestuft; über 70% der Fläche wurden als mäßig oder stark verändert bzw. als künstlich eingestuft (Koch & Grabherr 1998). Die Ergebnisse der Hemerobie-Studie finden Sie hier.

Borkenkäfermonitoring

Das österreichische Borkenkäfer-Monitoring des BFW wurde 2005 ins Leben gerufen, um Waldbesitzer über die aktuelle Flugsituation der wichtigsten Borkenkäferarten zu informieren. An ca. 70 repräsentativen Standorten werden Käferfallen aufgestellt, die im März/April mit Lockstoffen bestückt werden. Weitere Informationen zum Borkenkäfer-Monitoring und die Ergebnisse gibt es hier.

2. Waldzustands-Monitoring auf EU-Ebene

Zu den wichtigsten gesamteuropäischen, forstpolitischen Prozessen gehört die Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa (Forest Europe), in der Richtlinien, Kriterien und Indikatoren für nachhaltige Forstwirtschaft erarbeitet werden. Seit 1990 finden diese Ministerkonferenzen alle drei bis sechs Jahre statt und ihre Nachfolgeprozesse gelten als einer der bislang effektivsten forstpolitischen Mechanismen auf EU-Ebene.

Das Forest Information System of Europe (FISE) gibt einen guten Überblick über Kennzahlen, die in den EU-Mitgliedsstaaten regelmäßig erhoben werden.

Monitoringprogramme, deren Daten auch im FISE aufscheinen oder im Forest Europe Prozess entstanden sind, sollen nachfolgend beispielhaft erläutert werden.

Biodiversität: Zustand der FFH-Waldlebensräume

Was wird erhoben?

Der Status und Veränderungen der biologischen Vielfalt wird auf EU-Ebene mit der Hilfe von Daten aus den Mitgliedsstaaten überwacht (EEA, 2020). Alle sechs Jahre müssen die EU-Mitgliedsstaaten über den Erhaltungszustand und die Entwicklung von ausgewählten Lebensräumen und Arten (Artikel 17 der Habitatrichtlinie) in ihrem Hoheitsgebiet berichten. Der Zustand ergibt sich aus den Bewertungen des Verbreitungsgebiets, der Struktur und den Zukunftsaussichten der Lebensraumtypen. Der letzte Bericht zeichnet ein besorgniserregendes Bild: Mehr als 75 Prozent der bewerteten FFH-Waldlebensräume befinden sich in keinem günstigen Erhaltungszustand (EEA, 2020).

Erhaltungszustand der FFG Lebensraumtypen

Abbildung: Erhaltungzustand der FFH-Lebensraumtypen geordnet nach Lebensraumgruppen (EEA, 2020). © EEA

Wie wird erhoben?

Ellwanger et al. (2018) zeigen, dass die EU-Mitgliedstaaten bei der Entwicklung und Durchführung von Monitoringprogrammen, die auf die Berichtspflichten nach Artikel 17 der Habitat-Richtlinie ausgerichtet sind, sehr unterschiedliche Ansätze verfolgen und Artikel 11 der EU-Habitatrichtlinie unterschiedlich auslegen. Einige Mitgliedstaaten verfolgen ein spezielles standardisiertes Monitoringprogramm für Artikel 11 der Habitat-Richtlinie, während andere Daten aus bereits bestehenden Programmen verwenden (z. B. Habitatkartierung, großflächige Waldinventuren,…). Dadurch zeigen sich zwischen den Mitgliedsstaaten Unterschiede in der Qualität und Quantität der Daten, die für die Bewertung des Erhaltungszustands von Lebensraumtypen verwendet werden.

ICP Forest Monitoring

Das “International Co-operative Programme on Assessment and Monitoring of Air Pollution Effects on Forests” (ICP Forests) wurde 1985 von der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) ins Leben gerufen. Zurzeit nehmen 42 Länder, vor allem in Europa, am Monitoring Programm teil. Daten zum Waldzustand werden auf zwei unterschiedlichen Intensitätslevel erhoben: Level I = jährliches Überblicksmonitoring auf 6000 Plots zu Boden, Baumkronenverlichtung, Bodenzustand und Blattnährstoffstatus, Level II = Intensives Monitoring, mehrjährige Abstände. Baumkronenverlichtung wird beispielsweise als Indikator für die Gesundheit und Vitalität von Bäumen verwendet und mit einem geringeren Wachstum und der Wahrscheinlichkeit des Absterbens eines Baumes in Verbindung gebracht. Die Daten zeigen eine Zunahme der Verlichtung in den letzten dreißig Jahren.

Ausgewählte Studie: Maes et al. 2023

Anhand von 7 Waldzustands-Indikatoren wurde im Rahmen der Studie der Waldzustand in Europa für das Jahr 2018 in 44 Waldtypen analysiert. Die 44 unterschiedlichen Waldtypen ergeben sich aus der Kombination der 11 biogeografischen Regionen und den 4 Waldtypen Laubwälder, Nadelwälder, Mischwälder und Übergangswälder/Gebüsche (basierend auf Corine Land Cover Daten).

Wie wurde erhoben?

Die Bewertung des Zustands der Waldökosysteme erfolgte nach den Leitlinien des SEEA EA-Rahmens. Die Grundlage bilden Datensätze, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften regelmäßig aktualisiert werden oder die Teil regelmäßiger Überwachungsprogramme sind (z. B. Copernicus). Insgesamt ergeben sich 7 Indikatoren:

  1. Wassergehalt der Vegetation: Normalized Difference Water Index (NDWI)
  2. Organischer Kohlenstoff im Boden: Topsoil Organic Carbon Content: OCTOP, LUCAS
  3. Artenreichtum bedrohte Waldvögel: Data of Article 12 of the EU Birds directive
  4. Dichte Baumbestände: Tree Cover Density Copernicus
  5. Waldproduktivität: Normalized difference vegetation index (NDVI)
  6. Fragmentierung: Forest Area Density (FAD)
  7. Naturnähe: Corine Land Cover (CLC)

Die sieben Waldzustands-Indikatoren wurden zu einem Index zusammengefasst. Mit diesem Index wurde gemessen, wie ähnlich die 44 Waldtypen dem Referenzzustand =Beobachtungen in naturnahen, geschützten Wäldern, laut protectedplanet.net) sind.

Was kam raus?

Im Vergleich zum Jahr 2000 haben sich die 7 Waldzustands-Indikatoren insgesamt leicht verbessert. Während sich im Großteil des Waldes (ca. Zwei Drittel) der Zustand verbessert, zeigt sich in einem Drittel des Waldes eine Verschlechterung des Waldzustands durch Abnahme des Bodenkohlenstoffs, der Dichte der Baumbestände und des Artenreichtums bedrohter Vögel (Maes et al., 2023). Vergleicht man diese drei Indikatoren mit den Werten der Referenzflächen (Schutzgebiete), zeigt sich ein sehr hohes Verbesserungspotential.

3. Weltweiter Waldzustand

Global Forest Watch

Zu den bekanntesten globalen Monitoring Initiativen des Waldzustands zählt die Global Forest Watch (GFW), eine Open-Source-Webanwendung zur Überwachung der weltweiten Wälder, eine Initiative des World Resources Institute (WRI), mit Partnern wie Google, Esri, Vizzuality, Universitäten usw. Dargestellt wird vor allem die Zu- und Abnahme von Waldbestand (siehe Abbildung). Die Daten stammen aus aktuellen Studien. Alle Daten, die auf der Seite der GFW dargestellt werden, werden anhand mehrerer Qualitätsindikatoren (Aktualität, Genauigkeit, Vollständigkeit, geografische Abdeckung, Innovation und Objektivität) bewertet und sind frei verfügbar. Zur Global Forest Watch geht es hier.

Baumbestand: Verlust in Amerika

Abbildung: Beispielhafte Abbildung der Global Forest Watch. Verlust des Baumbestands in Amerika nach Hauptursachen. Quelle: globalforestwatch.org. © Curtis et al. 2018

Global Forest Resources Assessment

Seit 1946 überwacht die FAO die weltweiten Waldressourcen durch regelmäßige Bewertungen, die in Zusammenarbeit mit ihren Mitgliedsländern durchgeführt werden. Die von der Globalen Bewertung der Waldressourcen (Global Forest Resources Assessment, FRA) bereitgestellten Informationen bieten einen umfassenden Überblick über die Wälder der Welt und die Art und Weise, wie sich die Ressource verändert. Ein solch klares globales Bild unterstützt die Entwicklung solider Politiken, Praktiken und Investitionen, die die Wälder und die Forstwirtschaft betreffen. Weitere Infos gibt es hier.

Quellenangaben und Referenzen

  • Curtis, P.G., C.M. Slay, N.L. Harris, A. Tyukavina, and M.C. Hansen. 2018. “Classifying Drivers of Global Forest Loss.” Science. Accessed through Global Forest Watch on 24/06/2024. www.globalforestwatch.org.
  • EEA, 2020: State of nature in the EU. Results from reporting under the nature directives 2013–2018, Technical report No 10/2020, European Environment Agency, Copenhagen.
  • Ellwanger G, Runge S, Wagner M, Ackermann W, Neukirchen M, Frederking W, Müller C, Ssymank A, Sukopp U (2018) Current status of habitat monitoring in the European Union according to Article 17 of the Habitats Directive, with an emphasis on habitat structure and functions and on Germany. Nature Conservation 29: 57-78. https://doi.org/10.3897/natureconservation.29.27273
  • Koch, G., & Grabherr, G. (1998). Wie natürlich ist der Wald in Österreich? Klassifikation nach Hemerobiestufen. Ber. d. Reinh. Tüxen-Ges, 10, 43-59.

Rückfragen

Mag.a Karin Enzenhofer
Programm für Arten und Lebensräume, WWF Österreich

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