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Warum ist Totholz und besonders stehendes Totholz bedeutend für die Gesundheit der Wälder?
Totholz ist ein weit gefasster Begriff: Damit sind sowohl tote Teile eines Baumes wie Äste gemeint, als auch ganze tote Stämme, die stehen oder liegen können. Es kann als Schlüsselstruktur im Wald bezeichnet werden, da es für die Waldbiodiversität eine bedeutende Rolle hat: Totholz ist für viele Arten Nahrung und Lebensraum. Bei der Erhaltung dieser Strukturen geht es einerseits um die Menge, die im Wald vorhanden ist, und andererseits um die ökologische Qualität (bspw. stehend / liegend) des Holzes. Denn es macht einen Unterschied, ob das Holz liegt oder steht, alt oder frisch, dünn oder dick ist. Bei all diesen Qualitäten liegt ökologisch betrachtet besonderes Augenmerk auf das stehende Totholz, da dieses von besonders vielen Arten genutzt wird (Abrahamsson & Lindbladh, 2006). So können beispielsweise spezialisierte Bienen- und Wespenarten besonders von stehendem Totholz profitieren (Rappa et al., 2023).
Inhalt dieses Artikels:
Dieser Artikel behandelt stehendes Totholz und bezieht sich im Wesentlichen auf die aktuelle Studie von Oettel et al. 2023 , die sich mit stehendem Totholz im österreichischen Wald auseinandersetzt. Es wird die aktuelle Menge des Holzes im Wald und die Verteilung beleuchtet. Außerdem werden die Auswirkungen der schnelleren Zersetzung von Totholz unter den Bedingungen des Klimawandels diskutiert.
Artikel verfasst von:
Mag.a Karin Enzenhofer
Expertin für Wald
WWF Österreich
1. Wo ist aktuell das Problem?
Aktuell fehlen noch immer in vielen Waldbeständen ausreichend alte Holzstrukturen oder sind gar nicht vorhanden, obwohl sie für das Ökosystem wichtig sind. Aktuelle Daten zeigen, dass hauptsächlich die Waldbewirtschaftung dafür verantwortlich ist (WWF, 2023). Neben der Intensität der Waldbewirtschaftung beeinflussen aber auch lokale Waldbestandseigenschaften, das Klima, Mortalitätsfaktoren und artenspezifische Holzeigenschaften die Zersetzung von Holz und damit das Vorhandensein von Totholz.
2. Warum ist stehendes Totholz im Wald wichtig?
Im Wald können fünf unterschiedliche Kohlenstoffkompartimente unterschieden werden: oberirdische Biomasse (Stamm, Äste, Blätter), unterirdische Biomasse (Wurzeln), Streu, organischer Boden und Totholz. Laut einer Studie aus 2011 (Pan et al., 2011) macht Totholz acht Prozent des Gesamtkohlenstoffs im Wald aus. Damit spielt Totholz auch im Kohlenstoffkreislauf des Waldes eine große Rolle und ist nicht nur für die Biodiversität ein bedeutender Indikator, sondern auch für die langfristige Kohlenstoffspeicherung des Waldes.(Ravindranath & Ostwald, 2008; Russel et al., 2014)
3. Wie viel Totholz – stehend und liegend – ist aktuell in Österreichs Wäldern vorhanden?
Auswertungen der Österreichischen Waldinventur zeigen die aktuellen Zahlen: In der Inventurperiode 2016/2018 betrug die durchschnittliche Totholzmenge im österreichischen Ertragswald 30,9 m³/ha. Berücksichtigt sind darin alle Komponenten ab einem Mindestdurchmesser von 10 cm. Es entfallen dabei rund 40 Prozent auf liegendes Totholz, 35 Prozent auf Stöcke und 25 Prozent auf stehendes Totholz (BfW, 2019).
Bezogen auf den Holzvorrat macht stehendes Totholz 2,5 Prozent des gesamten stehenden Volumens aus (Gschwantner, 2019), während ihr Anteil in Naturwaldreservaten auf etwa 4,8 % (Oettel et al., 2020) und in Urwäldern auf etwa 8,9 Prozent steigt (Motta et al., 2015).
4. Neuigkeiten zu stehendem Totholz in Österreichs Wäldern
Oettel et al. (2023) haben die Dynamik von stehendem Totholz anhand von Daten aus fünf Erhebungsperioden der österreichischen Waldinventur (1981-2009) untersucht. Diese Daten zeigen, dass das Volumen des stehenden Totholzes hauptsächlich durch den lebenden Holzvorrat und die Höhenlage bestimmt wird. Bewirtschaftungsbezogene Parameter wie Waldbesitz, Bewirtschaftungsintensität und Waldtyp (Fichten- oder buchendominierte Waldtypen) hingegen sind von geringerer Bedeutung. Dies scheint in erster Linie mit der eingeschränkten Zugänglichkeit von Wäldern in hohen Lagen und in steilem Gelände für die Holzernte zusammenzuhängen.
Die Bewirtschaftungsintensität hat jedoch einen signifikanten Einfluss auf die Dauerhaftigkeit des stehenden Totholzvolumens im Wald: Die Überdauerung von Totholz war in intensiv bewirtschafteten Wäldern kürzer als in extensiv bewirtschafteten Wäldern.
4.1. Gibt es Unterschiede bei den Totholzvorkommen zwischen bewirtschafteten und ungenutzten Wäldern?
Im Allgemeinen ist das Totholzvolumen in unbewirtschafteten Wäldern der gemäßigten Zonen Europas deutlich höher als in bewirtschafteten Wäldern. Sehr hohe Totholzvolumina können in Wäldern erreicht werden, die nie waldbaulich bewirtschaftet wurden. So fanden Mayer und Neumann (1981) im Waldreservat Rothwald in Österreich ein Volumen von 256 m³/ha.
Unbewirtschaftete Wälder, deren Bewirtschaftung erst kürzlich aufgegeben wurde, können Totholzmengen von 50 m³/ha in buchendominierten Waldreservaten in Deutschland und der Schweiz (Schall et al., 2021) oder 92 m³/ha in buchendominierten Naturwaldreservaten in Österreich (Oettel et al., 2020) anhäufen.
4.2. Gibt es Unterschiede bei den Totholzvorkommen zwischen intensiv und extensiv genutzten Wäldern?
Die Daten zeigen, dass…
- die Baumstümpfe in intensiv bewirtschafteten Wäldern nach kürzerer Zeit als in extensiv bewirtschafteten Wäldern fallen.
- bei intensiver Waldbewirtschaftung die Beständigkeit von stehendem Totholz geringer als bei extensiver Bewirtschaftung ist.
4.3. Gibt es Unterschiede bei den Totholzvorkommen zwischen öffentlichen und privaten Wäldern?
Oettel et al. (2023) zeigen, dass die Verweildauer von stehendem Totholz sich signifikant zwischen den Besitzkategorien unterscheiden: Im öffentlichen Wald – bei den Bundesforsten – ist sie deutlich höher als in privaten Wäldern.
4.4. Durch welche Parameter wird der Volumenverlust bei stehendem Totholz beeinflusst?
Der Volumenverlust von stehendem Totholz wird in österreichischen Wäldern hauptsächlich durch die Baumhöhe, die Temperatur, den Niederschlag und die relative Luftfeuchtigkeit beeinflusst. Oettel et al. (2023) bestätigen nicht, dass Angiospermen höhere Zersetzungsraten als Gymnospermen aufweisen.
Grundsätzlich wird ein schnellerer Volumenverlust bei höheren Temperaturen und niedrigeren Höhenlagen und ein langsamerer Volumenverlust bei hohen Niederschlagsmengen beobachtet. Die Baumgattungen, die am sensibelsten auf die Klimaveränderungen reagieren und höhere Zersetzungsgeschwindigkeiten zeigen, sind Pinus und Fagus, während Abies am wenigsten anfällig ist.
4.5. Welche Auswirkungen hat eine schnelle Zersetzung von Totholz?
Die schnellere Zersetzung von Totholz unter den Bedingungen des Klimawandels wird zu einer geringeren Verfügbarkeit von Totholz als Lebensraum für Arten mit langen Entwicklungszyklen führen, wenn nicht auf eine verbesserte Verfügbarkeit geachtet wird. Die Kontinuität des Totholzangebots in den verschiedenen Stadien der Zersetzung ist einer der wichtigsten Faktoren für das Überleben vieler bedrohter Moose, Flechten, Pilze, Insekten und Vögel.
Außerdem führt ein schnellerer Volumenverlust, wie er unter den Bedingungen des Klimawandels vorhergesagt wird, zu Kohlenstoffemissionen aus Wäldern (Chagnon et al., 2022; Kahl et al., 2017; Pietsch et al., 2014).
5. Maßnahmen zur verbesserten Verfügbarkeit von stehendem Totholz
Oettel et al. (2023) geben die Empfehlung, dass für eine biodiversitätsorientierte Waldbewirtschaftung angesichts des Klimawandels ausreichend Totholz im Wald unerlässlich ist. Besonders die Gattungen Pinus und Fagus sollen gefördert werden, da ihre Zersetzungsgeschwindigkeit mit der Klimakrise steigt.
6. WWF-Einordnung der Daten
Die Daten von Oettel et al., 2023 zeigen die Faktoren von denen die Verfügbarkeit von stehendem Totholz abhängig ist und weisen auf die Auswirkungen des Klimawandels auf die Totholzvorkommen im Wald hin.
Es zeigt sich, dass Totholz ein wichtiger Teil des Kohlenstoffkreislaufes im Wald ist und daher für die Kohlenstoffspeicherung von Bedeutung ist. Diese Tatsache muss jedenfalls noch mehr in den Fokus der Forstpolitik gerückt werden und noch mehr erforscht werden.
Links
- Studie von Oettel et al. 2023: Dynamics of standing deadwood in Austrian forests under varying forest management and climatic conditions
Quellenangaben und Referenzen
- Abrahamsson, M., & Lindbladh, M. (2006). A comparison of saproxylic beetle occurrence between man-made high- and low-stumps of spruce (Picea abies). Forest Ecology and Management, 226(1–3), 230–237. https://doi.org/10.1016/j.foreco.2006.01.046
- BfW (2019). Praxisinformation 50. Zwischenauswertung ÖWI 2016/2019. https://bfw.ac.at/cms_stamm/050/PDF/BFW-Praxisinfo50_waldinventur_fertig_web.pdf
- Chagnon, C., Moreau, G., Bombardier-Cauffopé, C., Barrette, J. , Havreljuk, F., & Achim, A. (2022). Broad-scale wood degradation dynamics in the face of climate change: A meta-analysis . GCB Bioenergy, (April), 14, 941–958. https://doi.org/10.1111/gcbb.12951
- Gschwantner, T. (2019). Totholz-Zunahme ausschließlich positiv? In Praxisinformation: Zwischenauswertung der Waldinventur . Wien: Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald,Naturgefahren und Landschaft.
- Kahl, T., Arnstadt, T., Baber, K., Bässler, C., Bauhus, J., Borken, W., Gossner, M. M. (2017). Wood decay rates of 13 temperate tree species in relation to wood properties, enzyme activities and organismic diversities. Forest Ecology and Management, 391, 86–95. https://doi.org/10.1016/j.foreco.2017.02.012
- Mayer, H., & Neumann, M. (1981). Struktureller und entwicklungsdynamischer Vergleich der Fichten-Tannen-Buchen-Urwälder Rothwald/Niederösterreich und Corkoca Uvala/Kroatien. Forstwissenschaftliches Centralblatt, 100, 111–132
- Motta, R., Garbarino, M., Berretti, R., Meloni, F., Nosenzo, A., & Vacchiano, G. (2015). Development of old-growth characteristics in unevenaged forests of the Italian Alps. European Journal of Forest Research, 134(1), 19–31. https://doi.org/10.1007/s10342-014-0830-6
- Oettel, J., Lapin, K., Kindermann, G., Steiner, H., Schweinzer, K. M., Frank, G., & Essl, F. (2020). Patterns and drivers of deadwood volume and composition in different forest types of the Austrian natural forest reserves. Forest Ecology and Management, 463(February), 118016. https://doi.org/10.1016/j.foreco.2020.118016
- Oettel J., Zolles A., Gschwantner T., Lapin K., Kindermann G., Schweinzer K.-M., Gossner M. M., Essl F. (2023). Dynamics of standing deadwood in Austrian forests under varying forest management and climatic conditions. Journal of Applied Ecology. https://doi.org/10.1111/1365-2664.14359
- Pan, Y., Birdsey, R. A., Fang, J., Houghton, R., Kauppi, P. E., Kurz, W. A., Hayes, D. (2011). A large and persistent carbon sink in the world’s forests. Science, 333(6045), 988–993. https://doi.org/10.1126/science.1201609
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- Russell, M. B., Woodall, C. W., Fraver, S., D’Amato, A. W., Domke, G. M., & Skog, K. E. (2014). Residence times and decay rates of downed woody debris biomass/carbon in eastern US forests. Ecosystems, 17(5), 765–777. https://doi.org/10.1007/s10021-014-9757-5
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- Schall, P., Heinrichs, S., Ammer, C., Ayasse, M., Boch, S., Buscot, F. Gossner, M. M. (2021). Among stand heterogeneity is key for biodiversity in managed beech forests but does not question the value of unmanaged forests: Response to Bruun and Heilmann-Clausen (2021). Journal of Applied Ecology, 58(9), 1817–1826. https://doi.org/10.1111/1365-2664.13959
- WWF Österreich (2023). Gelingt der europäische Waldnaturschutz in Österreich? Status der FFH-Waldlebensraumtypen und -arten in Österreich. Wien, August 2023
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