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Was steckt hinter den bekanntesten Zertifikaten der Forstwirtschaft?
Seit Jahrzehnten werden weltweit mit Sorge die fortschreitende Entwaldung und die Zunahme monotoner, naturferner Forste, aber auch die mit Forstwirtschaft verbundenen sozialen Ungerechtigkeiten, beobachtet. Zertifizierungen sollen diesen Entwicklungen entgegenwirken und nachhaltige Forstwirtschaft sicherstellen.
Inhalt dieses Artikels:
Zertifizierungssysteme im Forstsektor verfolgen das Ziel nachhaltige Waldbewirtschaftung, und in weiterer Folge nachhaltige und umweltverträgliche Produkte aus dem Wald sicherzustellen. Der vorliegende Artikel stellt die verbreitetsten Zertifizierungen – FSC und PEFC – und ihre Unterschiede vor. Außerdem werden aktuelle Studien zur Wirksamkeit von FSC/PEFC behandelt, und es wird erläutert, warum die Zertifizierungen immer wieder unter Kritik stehen.
Artikel verfasst von:
Mag.a Karin Enzenhofer
Expertin für Wald
WWF Österreich
1. Geschichte und Hintergrund der forstlichen Zertifizierung
Der Beginn der forstlichen Zertifizierung ist eng mit der Gründung des “Forest Stewardship Councils” – kurz FSC – verknüpft. Auf der Biodiversitätskonferenz in Rio 1992 wurde erstmals der weltweite Stopp des Arten- und Lebensraumverlustes adressiert und Maßnahmen diskutiert. Als Folge schlossen sich Holznutzer, -händler, Umweltverbände und Menschenrechtsorganisationen in den USA, die sich für eine verantwortungsvolle Holzproduktion aussprachen, zusammen und 1993 wurde das FSC als das erste internationale Zertifizierungskonzept nachhaltiger Forstwirtschaft gegründet; damals mit dem Hauptziel, die Vernichtung von Primärwäldern in den Tropen zu stoppen und nachhaltige Forstwirtschaft zu erhalten und zu fördern. Das Ziel der Zertifizierung ist heute die Sicherstellung umweltgerechter, sozialverträglicher und gleichzeitig ökonomisch tragfähiger Forstwirtschaft. Wenige Jahre nach der Gründung der FSC-Zertifizierung wurde 1999 der PEFC Council “Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes” von europäischen Waldeingetümern und -bewirtschaftern gegründet. Es folgten noch viele weitere Zertifizierungssysteme, bis heute sind aber FSC und PEFC die bekanntesten und verbreitetsten. FSC und PEFC haben gemeinsam, dass sie nicht nur die Waldfläche, sondern den gesamten Holzproduktionsprozess zertifizieren. Außerdem handelt es sich bei beiden Systemen um marktorientierte Instrumente, die dem Verbraucher mit dem Label die Herkunft aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern garantieren sollen.
2. Der Zertifizierungsprozess
Auf internationaler Ebene werden von FSC International 10 Prinzipien mit 56 Kriterien, von PEFC International 6 Kriterien vorgegeben, die als Basis für die Entwicklung nationaler Indikatoren und Standards dienen (siehe Tabelle). Nationale Arbeitsgruppen werden von der internationalen Organisation akkreditiert (FSC) bzw. anerkannt (PEFC). Während PEFC Zertifizierungssysteme auf nationaler Ebene gestaltet werden, sind FSC Arbeitsgruppen bezüglich der nationalen Standards an die Prinzipien und internationalen Richtlinien gebunden. Für den österreichischen FSC-Standard wurden 77 Prozent der internationalen Indikatoren übernommen, 14 Prozent wurden angepasst übernommen und 9 Prozent wurden wegen fehlender Anwendbarkeit nicht übernommen. Letztere betreffen das Prinzip 3 (Rechte indigener Völker) und das Prinzip 9 (Erhaltung Schutzgüter) bezüglich großflächiger intakter Waldlandschaften, da es solche in Österreich nach FSC-Definition nicht gibt (Forest Stewardship Council, A.C., 2022)
Bild: Der Zertifizierungsprozess FSC/ PEFC (eigene, vereinfachte Darstellung nach Forest Stewardship Council (2024))
Die Zertifizierung eines Unternehmens gemäß geltenden Standards wird jedoch nicht von der nationalen Arbeitsgruppe, sondern von Zertifizierungsstellen übernommen. Bei der Zertifizierung wird festgestellt, ob die Bewirtschaftung der Wälder nachhaltig (nach den jeweiligen Kriterien und Prinzipien) erfolgt. Grundsätzlich gibt es zwei Formen der Zertifizierung die kontrolliert werden:
- Zertifizierung der Waldbewirtschaftung (Forest Management, kurz: FM)
- Die zertifizierten Rohstoffe erfüllen ökologische und soziale Kriterien
- Zertifizierung der Produktkette (Chain-of-Custody, kurz: CoC)
- Um sicherzustellen, dass nur tatsächlich zertifizierte Produkte im weiteren Verarbeitungsprozess weiterverkauft werden, existiert für alle holzverarbeitenden Unternehmen und Händler von Holz- und Papierprodukten die Produktkettenzertifizierung, die FSC-zertifizierte Holzprodukte entlang ihrer Produktkette nachverfolgt.
Jedes Zertifikat unterliegt einem mehrstufigen Prozess: Pre-Evaluierung, Hauptevaluierung, jährliche Kontrollen (bei PEFC nur stichprobenartig), und Re-Evaluierungen fünf Jahre nach der Ausgabe des Zertifikats. Während bei FSC ein einzelnes Forstunternehmen zertifiziert wird, wird bei PEFC die Forstwirtschaft einer gesamten forstlichen Wuchsregion begutachtet und es werden Regionen-Zertifikate vergeben. Einzelne Forstunternehmen können sich für ein Regionen-Zertifikat registrieren und als PEFC zertifiziert ausweisen, ohne dass ihr Betrieb notwendigerweise davor überprüft wird. In Österreich gibt es insgesamt acht PEFC-Regionen.
Es werden die drei folgenden FSC-Label unterschieden:
- FSC 100%: Alle Materialien stammen aus FSC-zertifizierten Wäldern.
- FSC Recycled: Das Produkt besteht aus recycelten Materialien, es wurden also keine zusätzlichen Ressourcen aus Wäldern dafür benötigt.
- FSC Mix: Das Produkt besteht aus einem Mix aus Holz von FSC-zertifizierten Wäldern, recycelten Materialien und FSC-kontrolliertem Holz. Das FSC-kontrollierte Holz kommt nicht aus FSC-zertifizierten Wäldern, muss aber bestimmte Anforderungen erfüllen (z.B.: darf nur aus bestimmten Regionen stammen).
Sollten in einem zertifizierten Unternehmen Abweichungen vom FSC-Standard festgestellt werden, muss es diese beheben, ansonsten wird das Zertifikat entzogen. Das ist in Österreich in der Vergangenheit auch schon vorgekommen, beispielsweise im Fall Schweighofer. Bei PEFC hingegen ist der Hauptgrund für den Entzug von Teilnahmeurkunden an Zertifikat-Regionen nicht der Verstoß gegen Standards, sondern das Ableben von Teilnehmern (Forest Stewardship Council, 2019; PEFC AT, 2021; PEFC Austria, 2017a).
3. FSC und PEFC in Österreich
- Zertifizierung der Waldbewirtschaftung (FM): Zurzeit gibt es in Österreich 3 279 272 Hektar PEFC zertifizierte Waldfläche, das sind 84,1 Prozent der bewirtschafteten Waldfläche (PEFC, 2023). 587 Hektar Waldfläche sind derzeit FSC-zertifiziert (2 Zertifikate; fsc.org).
- Zertifizierung der Produktkette (CoC): Zurzeit sind 530 holzverarbeitende Betriebe PEFC und 277 Betriebe FSC zertifiziert (PEFC, 2023; fsc.org)
Zertifiziertes Holz spielt eine große Rolle in der österreichischen holzverarbeitenden Industrie. Unternehmen wie Kaindl, J. u. A. Frischeis oder Lenzing werben auf ihren Websites mit der FSC- und/oder PEFC-Zertifizierung des Holzes, das in ihren Produkten zum Einsatz kommt. In der Lenzing Gruppe kamen beispielsweise laut Website 2021 36, 7 Prozent FSC Controlled Wood, 35, 9 Prozent FSC Mix und 24,7 PEFC zertifizierter Holzfaserzellstoff zum Einsatz.
4. Unterschiede zwischen FSC und PEFC
Die wichtigsten Unterschiede zwischen FSC und PEFC sind in den folgenden Tabellen zusammengefasst.
4.1. Unterschiede FSC und PEFC: Organisation
4.2. Unterschiede FSC und PEFC: Prinzipien bzw. Kriterien
4.3. Unterschiede FSC und PEFC: Konkrete Umweltanforderungen
5. Aktuelle Studienlage: Auswirkungen von Zertifizierungen auf den Wald
Im folgenden Abschnitt sind aktuelle Studien zu FSC und PEFC zusammengefasst. Es sei jedoch angemerkt, dass sich diese auf unterschiedliche Länder beziehen, und sich die Ergebnisse nicht direkt auf Österreich übertragen lassen.
5.1. FSC
Eine Studie aus dem Jahr 2018 zeigt, dass die FSC-Zertifizierung Waldbewirtschaftungstätigkeiten in Süd-Ost-Europäischen Ländern (Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Serbien, Slowenien) positiv beeinflusst hat, besonders in Hinblick auf Arbeitnehmerrechte und die Sicherheit der Beschäftigten (Kriterium 4.2), aber auch den Schutz repräsentativer Ökosysteme (Kriterium 6.5) oder Abfallentsorgung und -lagerung, bspw. Pestizide (Kriterium 6.7) (Pezdevšek et al. 2019). Eine aktuelle Meta-Studie hat seit 2004 57 Studien gefunden, die die Auswirkungen der FSC-Zertifizierung auf die Biodiversität untersucht haben (Matias et al., 2024). Die meisten davon (41 Prozent) untersuchten die Auswirkungen auf Gefäßpflanzen. In der Studie wurde gezeigt, dass die FSC-Zertifizierung einen positiven Effekt auf Säugetierbestände hat, besonders auf bedrohte Arten und Allesfresser. Gefäßpflanzen zeigten in FSC-Gebieten eine höhere Abundanz (besonders Sträucher), aber auch eine höhere Diversität.
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass in FSC-zertifizierten Wäldern Störungen durch Pestizide, Dünger oder intensive Bewirtschaftungsmethoden verringert werden konnten (So & Lafortezza, 2022). Besonders in Hinblick auf Fragmentierung scheint die FSC-Zertifizierung aber keine Verbesserung zu bringen. Beispielsweise haben Blumroeder et al. (2019) gezeigt, dass in Westrussland die Größe von Kahlschlagflächen nach der FSC-Zertifizierung nicht verringert werden konnte.
5.2. PEFC
Die Studienlage zu PEFC ist im Vergleich zu FSC spärlich. Wie für FSC Waldflächen wurde auch für PEFC gezeigt, dass Störungen minimiert werden konnten, Fragmentierung aber nicht (So & Lafortezza, 2022). Zu den Auswirkungen von PEFC auf die Biodiversität sind laut So & Lafortezza (2022) keine Studien bekannt.
6. Kritik an FSC und PEFC
Beide Zertifizierungen stehen immer wieder in der Kritik. Die freiwillige Kennzeichnung durch FSC oder PEFC in der Forstwirtschaft wurde beispielsweise in der Vergangenheit kritisiert, weil sie mächtige Akteure wie große Einzelhändler begünstigt (Klooster, 2006). Die Gegenüberstellung der Umweltanforderungen von FSC und PEFC zeigt klar, dass FSC die anspruchsvollen Kriterien vorgibt (Tabelle), was sich auch in den Auswirkungen auf die zertifizierten Waldökosysteme widerspiegelt (Punkt 5). Trotzdem ist auch FSC kein perfektes System und stand – ebenso wie PEFC – in der Vergangenheit in der Kritik. 2023 wurden durch das Recherchenetzwerk “International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ)” fehlerhafte Audits, illegale Abholzung und zu niedrige Standards festgestellt (ICIJ, 2023).
Der WWF fordert konkrete Verbesserungen der Standards und setzt sich für strengere Kontrollen ein. Klar ist: Werden Missstände bekannt, müssen FSC und PEFC rasch handeln. Wir fordern, dass Zertifizierungssysteme Fehlentwicklungen selbst aufdecken und bekämpfen müssen. Darüber hinaus muss die Politik starke Waldgesetze schaffen und strenge Kontrollen durch die zuständigen nationalen Behörden garantieren.
Quellenangaben und Referenzen
- Matias,G, Cagnacci, F, Rosalino, L M, 2024. FSC forest certification effects on biodiversity: A global review and meta-analysis,Science of The Total Environment,Volume 908,2024,168296,ISSN 0048-9697,https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2023.168296.
- Forest Stewardship Council. (2019, März). Report on the Structure of the FSC Certification System. https://connect.fsc.lt/files/2022-08/FSC-RP-FSC%20Certification%20system%20V3%20EN%202019-03.pdforg/sites/defau
- Forest Stewardship Council. (2024, März 12). Certification system | FSC Connect. https://connect.fsc.org/certification/certification-system
- Forest Stewardship Council, A.C. (2022). Der FSC Interim Waldstandard für Österreich. https://connect.fsc.org/document-centre/documents/resource/1369
- ICIJ. (2023). Environmental auditors approve green labels for products linked to deforestation and authoritarian regimes—ICIJ. https://www.icij.org/investigations/deforestation-inc/auditors-green-labels-sustainability-environmental-harm/
- PEFC. (2023). Zahlen, Daten, Fakten. PEFC Austria. https://www.pefc.at/zahlen-daten-fakten/
- PEFC AT. (2021). Forest Management Zertifizierung, Spezifikation PEFC Austria zur Messung der nachhaltigen Waldbewirtschaftung in Österreich auf Basis der Gruppenzertifizierungen nach dem PEFC-System in Österreich. https://www.pefc.at/wp-content/uploads/2022/12/PEFC-Austria_Waldauditbericht-2021_Datenschutzversion.pdf
- PEFC Austria. (2017a). Systembeschreibung des Zertifizierungssystems nach PEFC in Österreich. https://www.pefc.at/wp-content/uploads/2019/06/0_Systembeschreibung_PEFC-Austria_2017-05-30.pdf
- PEFC Austria. (2017b). PEFC-Standard für die nachhaltige-Waldbewirtschaftung in Österreich. https://www.pefc.at/wp-content/uploads/2022/01/PEFC-AT-ST-1001-Standard-nachhaltige-Waldbewirtschaftung_2017-05-30_k.pdf
- So, H. W., & Lafortezza, R. (2022). Reviewing the impacts of eco-labelling of forest products on different dimensions of sustainability in Europe. Forest Policy and Economics, 145, 102851. https://doi.org/10.1016/j.forpol.2022.102851
- Pezdevšek Malovrh Š, Bećirović D, Marić B, Nedeljković J, Posavec S, Petrović N, Avdibegović M. Contribution of Forest Stewardship Council Certification to Sustainable Forest Management of State Forests in Selected Southeast European Countries. Forests. 2019; 10(8):648. https://doi.org/10.3390/f10080648
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