Schlechtes Artenschutz-Zeugnis der EU-Umweltagentur – Drohendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen Natura 2000-Schutzgebieten – WWF fordert nationalen Aktionsplan
WWF und BirdLife: Seeadler angeschossen, vergiftet und kollidiert

Vor wenigen Wochen wurde im burgenländischen Nickelsdorf ein angeschossener, vergifteter und mit einem Hindernis kollidierter Seeadler in einem Windpark gefunden. Wie die Naturschutzorganisation WWF Österreich und Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich berichten, blieben die Rettungsversuche erfolglos. Das Tier erlag nun seinen Verletzungen. „Bei nur etwa 44 Brutpaaren in ganz Österreich ist jedes tote Tier ein schmerzlicher Verlust. Illegale Verfolgung ist die größte Bedrohung. Auch Bleimunition und Kollisionen sind eine Gefahr für die kleine heimische Population. Das zeigt dieser traurige Fall mehr als deutlich“, sagt Christina Wolf-Petre, Artenschutzexpertin des WWF Österreich. Die Untersuchungen ergaben eine Schrotschussverletzung am Flügel, eine massive Bleivergiftung sowie starke Knochenbrüche und Blutungen infolge eines Aufpralls. Die Naturschutzorganisationen fordern eine stärkere Bekämpfung illegaler Verfolgung, die Umstellung auf bleifreie Munition in der Jagd sowie eine bessere Infrastruktur-Planung entlang wichtiger Flugrouten.
Das Seeadler-Weibchen wurde von der lokalen Jägerschaft gefunden und gemeldet, in der Veterinärmedizinischen Universität untersucht sowie in der Eulen- und Greifvogelstation Haringsee behandelt und gepflegt. Letztlich erfolglos, denn vor allem die Bleivergiftung war viel zu stark. „Die extrem erhöhten Bleiwerte sprechen klar für eine Vergiftung durch Nahrungsaufnahme. Es ist höchste Zeit für eine Umstellung auf bleifreie Munition in allen Jagdgebieten“, sagt Matthias Schmidt, Greifvogelexperte von BirdLife Österreich. Blei verbleibt in Folge der Jagd in Kadavern und Aufbrüchen in der Landschaft. Bei der Aufnahme durch Greifvögel kommt es zu starken neurologischen Störungen, die direkt oder indirekt – etwa in Form von Kollisionen – zum Tod führen können. Dass dies beim verstorbenen Adler der Fall gewesen sein könnte, zeigen die schweren Knochenbrüche und der Fundort in einem Windpark. Der heimischen Population machen auch Zusammenstöße mit Fahrzeugen oder Stromleitungen zu schaffen. Die Schrotschussverletzung am Flügel des Adlers ist zudem ein klarer Beleg für illegale Verfolgung, der häufigsten Todesursache von Seeadlern in Österreich. „Der Fall zeigt exemplarisch die drei größten menschlichen Bedrohungen an einem einzigen Individuum“, erklärt Schmidt und fordert, Schutzbemühungen weiter voranzutreiben.
Im Jahr 2000 galt Österreichs Wappentier hierzulande noch als ausgestorben. Heute leben laut einem WWF-Bericht wieder 44 Brutpaare in Österreich. Damit gibt es zwar eine stabile, aber immer noch kleine Population. „Die Rückkehr der Seeadler ist eine absolute Erfolgsgeschichte im heimischen Naturschutz. Sie darf weder durch illegale noch legale menschliche Eingriffe gefährdet werden“, sagt Christina Wolf-Petre. Weil das Überleben der Seeadler in Österreich noch nicht dauerhaft gesichert ist, „müssen länderübergreifende Schutzmaßnahmen weitergeführt, Gefahren durch genaues Monitoring identifiziert und konsequent beseitigt werden“, fordert die WWF-Expertin.
Hintergrund
Vor allem Niederösterreich, das Burgenland, die Steiermark und Oberösterreich bieten den Seeadlern heute wieder wertvollen Lebensraum in Österreich. Zu den wichtigsten Brutgebieten zählen das Waldviertel, der Nationalpark Donau-Auen, die Tullnerfelder Donau-Auen, die March-Thaya-Auen sowie das Nordburgenland.
Download WWF-Bericht ‚Der Seeadler in Österreich – 20 Jahre Schutz und Forschung‘: https://bit.ly/35T9Tev
News
Aktuelle Beiträge
Rekord: Heimischer Seeadler fliegt bis Russland
“Orania” fliegt 2.300 km von den Donau-Auen nach Russland – Heuer fünf Jungvögel mit Sendern ausgestattet: Daten dienen Forschung und Schutz – Illegale Verfolgung ist größte Bedrohung für heimische Population
WWF-Auenreservat Marchegg feiert 50 Jahre Naturschutz-Erfolg
Bundespräsident Alexander van der Bellen gratuliert: “Eines der bemerkenswertesten Naturgebiete Europas” – Hunderte Wegbegleiter*innen und Gäste beim Jubiläumsfest in Marchegg
Zahl der Wölfe steigt: WWF fordert mehr Behirtung von Weidetieren
Derzeit etwa 45 Wölfe in Österreich erfüllen wichtige Funktion für Natur – Rudelbildung in West- und Südösterreich erwartet – Schweizer Experte: Herdenschutz ist alternativlos – WWF fordert mehr Unterstützung für Almwirtschaft
In 50 Jahren zum Naturjuwel – die Erfolgsgeschichte des WWF-Auenreservats Marchegg
International beachtete Erfolgsgeschichte zeigt den Wert von Renaturierungen – Wiederhergestellte, naturnahe Fluss- und Auenlandschaft als Schatzkammer der Artenvielfalt
WWF zum neuen Gewässerbewirtschaftungsplan: Zu wenig, zu spät
Nationaler Gewässerbewirtschaftungsplan ist zu wenig ambitioniert – WWF fordert Schwall-Sanierung, Entfernung von Barrieren und Renaturierungs-Offensive
Erste Flussuferläufer zurück am Inn – WWF und BirdLife schützen Brutplätze
Mit Mai beginnt in Tirol die Brutzeit für die Flussuferläufer. Doch geeignete Brutplätze werden immer seltener. Mit dem Projekt INNsieme setzen sich der WWF Österreich und BirdLife für die gefährdeten Vögel ein.
Umweltallianz präsentiert Kaunertal Erklärung 2022
40 Umweltvereine und Wissenschaftler*innen fordern Ausbau-Stopp für Kraftwerk Kaunertal – Landesregierung muss die letzten intakten Alpenflüsse schützen und naturverträgliche Energiewende umsetzen.
Von Steuersenkung bis Schulfach Ernährung: WWF fordert Aktionsplan für klimafreundliche Ernährungswende
Bis zu 37 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen auf Ernährungssystem zurückzuführen – Fleischkonsum besonders belastend – WWF fordert zehn Reformen von der Politik