WWF warnt: 10 Gründe gegen Atomkraft und Gas in der EU-Taxonomie

2. Dezember 2021 | Politische Arbeit, Presse-Aussendung

Umweltschutzorganisation warnt vor Greenwashing – Entscheidung der EU-Kommission steht unmittelbar bevor – Taxonomie droht vom Goldstandard zum Werkzeug der Atom- und Gas-Lobby zu werden
FuneralTaxonomy2 © Sarah Azau/WWF

Anfang Dezember wird die EU-Kommission die neue Klima-Taxonomie vervollständigen – einen Katalog, welche Finanzinvestments in Zukunft als „nachhaltig“ klassifiziert werden. Die Umweltschutzorganisation WWF warnt eindringlich davor, Atomkraft und Erdgas in diesen Rechtsakt zu integrieren, wie das einige Mitgliedsstaaten fordern. „Die EU-Taxonomie läuft Gefahr, von einem Goldstandard zu einem Werkzeug der Atom- und Gas-Lobby für Greenwashing zu werden. Wenn die Kommission Atomkraft und Gas einen grünen Stempel gibt, opfert sie ein glaubwürdiges Instrument zur Klimaschutz-Finanzierung für politische Interessen“, kritisiert Erika Singer, Expertin für nachhaltige Finanzen beim WWF Österreich. Die befürchtete Klassifizierung könnte Milliarden Euro an Finanzmitteln für die beiden Energieformen mobilisieren und damit die Klima- und Biodiversitätskrise weiter verschärfen. „Die Pariser Klimaziele würden damit in weite Ferne rücken“, warnt WWF-Expertin Erika Singer und nennt damit einen von zehn Gründen gegen die Aufnahme von Atomkraft und Gas.

Der WWF fordert eine wissenschaftsbasierte Taxonomie, die Erdgas und Atomkraft von vornherein ausschließt – allein schon wegen der hohen Emissionen bei der Förderung und Nutzung von Gas sowie aufgrund des ungelösten Problems des radioaktiven Abfalls. Umweltministerin Leonore Gewessler hat auf Basis eines Gutachtens bereits angekündigt, eine EU-Taxonomie, die Atomenergie einschließt, vor dem Europäischen Gerichtshof anzufechten. Der WWF fordert daher ein rasches Umdenken der EU-Kommission.

Der WWF hat daher zehn Gründe gesammelt, warum die EU-Taxonomie in der Praxis zu einem nutzlosen Instrument werden könnte, wenn fossiles Gas und Atomkraft aufgenommen werden: 

1. Die EU-Taxonomie würde dem 1,5-Grad-Szenario der Internationalen Energieagentur (IEA) zuwiderlaufen. Die IEA stellt fest, dass die Elektrizität bis 2035 in der OECD und bis 2040 weltweit zu 100 Prozent emissionsfrei sein muss. Dies bedeutet, dass alle Gaskraftwerke innerhalb des gleichen Zeitrahmens abgeschaltet werden müssen.

2. Die EU-Taxonomie wäre ein Rückschritt im Vergleich zur Emission grüner Anleihen (Green Bonds) in der EU. Die Kommission hat bereits bekannt gegeben, dass ihre eigene Emission grüner Anleihen für das EU-Konjunkturpaket weder fossile Brennstoffe noch Kernenergie enthalten wird.

3. Die EU-Taxonomie wäre ein Rückschritt im Vergleich zur Politik der Europäischen Investitionsbank (EIB). Die EIB unterstützt keine Kernenergie, und ihre Kreditvergabepolitik für 2019 schließt fossiles Gas aus: EIB-Präsident Werner Hoyer stellte klar: „Gas is out“.

4. Die EU-Taxonomie würde hinter der chinesischen Taxonomie zurückbleiben, die fossiles Gas aus der Stromerzeugung ausschließt, und hinter der südkoreanischen Taxonomie, die Kernkraft ausschließt.

5. Die EU-Taxonomie wäre ein Rückschritt im Vergleich zur aktuellen Marktpraxis. Der globale Markt für grüne Anleihen (Green Bonds) schließt fossiles Gas und Kernenergie aus.

6. Die EU-Taxonomie würde dem EU-Klimaziel für 2030 zuwiderlaufen. Die Folgenabschätzung der EU-Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass die EU ihren Gesamtverbrauch an fossilem Gas bis 2030 um etwa 30 Prozent senken muss, um ihr Klimaziel von 55 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030 zu erreichen. Die Aufnahme von Gas in die grüne Taxonomie würde zu mehr Gas führen, nicht zu weniger.

7. Die EU-Taxonomie stünde im Widerspruch zu der von der EU und den USA auf der Weltklimakonferenz COP26 abgegebenen globalen Methanverpflichtung, die Methanemissionen bis 2030 um mindestens 30 Prozent zu senken. Mehr Gaskraft würde mehr Methanleckagen bedeuten.

8. Die EU-Taxonomie würde in mehrfacher Hinsicht gegen die Taxonomie-Verordnung verstoßen – und infolgedessen wahrscheinlich vor Gericht angefochten werden. Umweltministerin Leonore Gewessler hat bereits angekündigt, eine EU-Taxonomie, die Atomenergie einschließt, vor Gericht anzufechten.

9. Die EU-Taxonomie stünde im Widerspruch zu der von zahlreichen EU-Mitgliedstaaten unterstützten und vom Vereinigten Königreich angeführten COP26-Zusage, die internationale Unterstützung für fossile Brennstoffe bis 2022 auslaufen zu lassen.

10. Die EU-Taxonomie wäre hinderlich mit der Mitgliedschaft bzw. Unterstützung von sechs EU-Mitgliedstaaten in der Beyond Oil & Gas Alliance, die sich zum Ausstieg aus der Gasförderung verpflichtet hat.

Rückfragen

Leonhard Steinmann
Leitung Kommunikation, WWF Österreich

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