Intakte Flussstrecken sind wesentlich in Klima- und Biodiversitätskrise – Land Tirol muss Kraftwerkspläne stoppen und Naturschutzgebiet ausweisen – EU-Renaturierungsgesetz entscheidend für Zukunft intakter Flussstrecken
Mängel bei Naturschutz: EU bereitet neues Verfahren gegen Österreich vor
Die Europäische Kommission bereitet ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich vor. Das geht aus einer Antwort auf eine Beschwerde des WWF Österreich hervor, in der die Naturschutzorganisation die unzureichende Schutzverordnung des Osttiroler Iselgebiets durch das Land Tirol kritisiert hatte. Laut ihrem Schreiben will die EU-Kommission die WWF-Beschwerdepunkte im Rahmen eines „wesentlich umfassenderen Vertragsverletzungsverfahrens“ aufgreifen, das mehrere Schutzgebiete und Bundesländer betrifft. Die Kommission sieht etwa im Zusammenhang mit Kraftwerksprojekten im Einzugsgebiet der Isel „ausreichende Anhaltspunkte“ für einen möglichen Verstoß Österreichs gegen die FFH-Richtlinie und damit gegen EU-Recht. „Das Land Tirol hat das Schutzgebiet in den Osttiroler Gletscherflüssen nur lückenhaft ausgewiesen und in der Verordnung zahlreiche EU-Schutzgüter ausgeklammert“, sagt WWF-Naturschutzexperte Christoph Walder und fordert die Tiroler Landesregierung zum raschen Handeln auf: „Der Weckruf aus Brüssel muss endlich zu einem effektiven und flächendeckenden Schutz des gesamten Gletscherflusssystems rund um die Isel führen. Die Rückmeldung der Kommission zeigt einmal mehr, dass neue Kraftwerksvorhaben im Iselgebiet völlig undenkbar sind.“ Der WWF fordert eine Naturschutzoffensive in allen Bundesländern und eine verbindliche nationale Biodiversitätsstrategie, die mit einem starken Aktionsplan kombiniert wird.
Im Zuge der zahlreichen Bewilligungsverfahren für Kraftwerke an der Isel wurde offensichtlich, dass das Schutzgebiet an den Osttiroler Gletscherflüssen unvollständig verordnet wurde. Insgesamt sind im Iselgebiet acht Tier- und Pflanzenarten und neun Lebensraumtypen nach EU-Recht geschützt. Von diesen 17 EU-Schutzgütern wurde in der Isel-Schutzgebietsverordnung nur ein einziger Lebensraumtyp angeführt, Erhaltungsziele und Maßnahmen fehlen gänzlich. Auf diesen untragbaren Umstand weisen unabhängige Wissenschaftler*innen und der WWF seit vielen Jahren hin. Entsprechende Anträge für einen korrekten Schutz wurden jedoch bis heute ignoriert. Das hat auch zur Folge, dass alle Verträglichkeitsprüfungen für Kraftwerke im Iselgebiet unvollständig sind.
Bedeutung des Isel-Systems
Die Isel ist der größte frei fließende Gletscherfluss der österreichischen Alpen. Gemeinsam mit ihren Zubringerflüssen Kalserbach, Schwarzach und Tauernbach bildet sie eine einmalige Wildflusslandschaft und ist ein wichtiger Lebensraum für viele gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Derzeit sind die einzigartigen Osttiroler Gletscherflüsse durch mehrere Kraftwerksvorhaben bedroht.
Vergangenen Donnerstag hatten Umweltverbände in Tirol in einer gemeinsamen Deklaration den Stillstand im Naturschutz kritisiert und dabei unter anderem den überzogenen Ausbau der Wasserkraft als Beispiel genannt.
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