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WWF-Studie: 2050 droht Vervierfachung des Plastikmülls im Meer

Eine neue Studie des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) im Auftrag der Umweltschutzorganisation WWF (World Wide Fund for Nature) warnt vor einer dramatischen Verschärfung der Plastikkrise in den Weltmeeren. Bis 2050 droht eine Vervierfachung der Plastikkonzentration. „Wir erleben eine „Plastifizierung“ der Ozeane. Die Verschmutzung wächst exponentiell. Die fatalen Folgen für marine Ökosysteme und viele Tierarten sehen wir schon heute und lassen Schlimmes befürchten“, sagt Axel Hein, Meeresexperte des WWF Österreich. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten Meeresgebiete von der zweieinhalbfachen Fläche Grönlands ökologisch riskante Schwellenwerte der Mikroplastikkonzentration überschreiten. Im Vorfeld des UN-Umweltgipfels (UNEA) fordert der WWF daher ein global verbindliches Abkommen gegen den Eintrag von Plastikmüll in die Ozeane.
Die bisher umfassendste Meta-Studie fasst über 2.500 Studien zusammen. Die Prognosen beruhen auf der Annahme einer Kettenreaktion: Die Kunststoffproduktion wird sich bis 2040 voraussichtlich mehr als verdoppeln. In der Folge vervierfacht sich größeres Makroplastik im Ozean in den nächsten 30 Jahren. Dieses zersetzt sich in immer kleinere Teile bis hin zu Mikro- und Nanoplastik. Bis zum Ende des Jahrhunderts droht die Menge des marinen Mikroplastiks um das 50-fache zuzunehmen. „In einigen Brennpunktregionen wie dem Mittelmeer, dem Gelben Meer, dem Ostchinesischen Meer und dem Meereis der Arktis überschreitet die Mikroplastikkonzentration den ökologisch kritischen Schwellenwert bereits heute“, erklärt Hein. Die Ursachen der Plastikverschmutzung im Keim zu bekämpfen sei viel effektiver als die Folgen im Nachhinein zu beseitigen: „Regierungen, Industrie und Gesellschaft müssen jetzt geschlossen handeln, um die Plastikkrise zu stoppen. Es braucht einen globalen Kraftakt auf der UN-Versammlung im Februar“, fordert Hein.
Plastikmüll schadet Leben im Meer
Mit Blick auf Arten und Ökosysteme offenbart die Studie eine ernste und sich rasch verschlimmernde Situation: „Plastikmüll durchringt das gesamte Meeressystem – vom Plankton bis zum Pottwal. Für fast alle Artengruppen der Ozeane sind negative Auswirkungen nachweisbar“, sagt WWF-Experte Hein. Das Ausmaß der Verschmutzung variiert regional stark. Die Auswirkungen auf Meerestiere sind unterschiedlich: Plastikstücke im Magen, tödliche Schlingen um den Hals, chemische Weichmacher im Blut. Plastik führt zu inneren und äußeren Verletzungen oder gar zum Tod von Meerestieren. Es schränkt die Fortbewegung, das Wachstum oder die Fortpflanzungsfähigkeit ein. Plastik mindert die Nahrungsaufnahme von Tieren und reichert sich in der marinen Nahrungskette an. Nur für sehr wenige Arten wurden schädliche Effekte gezielt erforscht. Die Tendenz ist jedoch klar: Fast 90 Prozent der untersuchten Meeresarten zeigen negative Auswirkungen von Plastik.
„Die Forschung wirkt wie eine Taschenlampe, mit der wir Lichtstrahlen ins Dunkel der Ozeane werfen. Erfasst und erforscht ist erst ein Bruchteil der Folgen. Die dokumentierten Schäden sind beunruhigend und müssen als Warnsignal für ein weit größeres Ausmaß verstanden werden. Besonders beim derzeitigen und prognostizierten Wachstum der Plastikproduktion“, erklärt Dr. Melanie Bergmann, Meeresbiologin des Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Es bestehe die reale Gefahr, dass die Schwellenwerte für viele weitere Teilpopulationen, Arten und Ökosysteme überschritten werden.
Plastikverschmutzung trifft auf bereits überlastete Meere
Der alleinige Effekt von Plastik auf Arten und Ökosysteme ist schwer zu erfassen, kann aber nicht isoliert betrachtet werden. Wo sich andere Bedrohungen wie globale Erhitzung, Überfischung, Überdüngung oder Schifffahrt mit den Hotspots der Plastikverschmutzung überschneiden, werden die negativen Auswirkungen jedenfalls verstärkt.
Für sehr gefährdete Arten wie Mönchsrobben oder Pottwale im Plastik-Hotspot Mittelmeer könnte die Plastikkrise als Zünglein an der Waage zur Überlebensfrage werden. Nach wissenschaftlichen Schätzungen verschlucken schon heute bis zu 90 Prozent aller Seevögel und 52 Prozent aller Meeresschildkröten Plastik. Besonders hart trifft die Verschmutzung Korallenriffe und Mangrovenwälder, die zu den weltweit wichtigsten marinen Ökosystemen gehören. Sie schützen die Küste vor Sturmfluten, sind Kinderstube vieler Fische und als Lebensraum für den Erhalt der Biodiversität unverzichtbar. Doch Kunststoffmüll verbreitet sich sogar in Meeresschutzgebieten. „Wie die Klimakrise betrifft auch die Plastikflut den gesamten Planeten. Die Emissionen sind nicht rückholbar. Regionale oder freiwillige Maßnahmen reichen nicht aus, um die Krise zu bewältigen. Die UN-Umweltkonferenz muss mit einem rechtsverbindlichen Abkommen einen Kurswechsel bringen“, fordert WWF-Experte Hein.
Hintergrund
Etwa 19-23 Millionen Tonnen Plastikmüll gelangen pro Jahr vom Land in die Gewässer der Welt. Das entspricht fast zwei LKW-Ladungen pro Minute.
Die UN-Umweltkonferenz UNEA 5.2 findet heuer vom 28.2. bis 2.3. in Nairobi statt. Dort soll über das Mandat zur Entwicklung eines rechtsverbindlichen Abkommens gegen den Plastikeintrag in die Meere entschieden werden.
Die im Auftrag des WWF durch das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung erstellte Meta-Studie „Impacts of plastic pollution in the oceans on marine species, biodiversity and ecosystems“ wertete 2.592 Studien aus. Dies ist die bisher umfassendste Zusammenfassung des aktuellen Wissensstands zu den Auswirkungen der Plastikverschmutzung auf die biologische Vielfalt.
Die WWF-Petition „Stoppen wir die Plastikflut“ wurde bisher von über zwei Millionen Menschen unterzeichnet und kann online unterstützt werden: www.wwf.at/plastik-petition
Fotos stehen zur einmaligen Verwendung, unter Angabe des Credits (im Dateinamen) und bei redaktioneller Nennung des WWF kostenlos zur Verfügung.
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