Europaweite Analyse durch mehrere Umweltverbände: Österreich landet in der Kategorie der Länder mit geringen Fortschritten – Mehr Ambition und Budgetsicherheit für Renaturierung gefordert
Der Naturschutz als Bauernopfer der Tiroler Umweltpolitik
Presseaussendung
Innsbruck, 18. November 2016 – Nach erfolgtem "Pflichttermin" mit dem Naturschutzbeirat am 17. 11. wird Ingrid Felipe wohl über den Rat der Umweltorganisationen hinweg entscheiden und den Naturschutzfonds auflösen. Mit der Eingliederung des Fonds in das Landesbudget soll das Öffi-Jahresticket über Umwege finanziert werden – ihr Wahlversprechen zu Lasten langjähriger Natur- und Artenschutzprojekte in Tirol. Damit bricht die Naturschutzlandesrätin zum zweiten Mal ihr Versprechen.
"Die versprochene Einbindung der Naturschutzorganisationen in Entscheidungen rund um das Naturschutzgesetz scheint tatsächlich nicht mehr als ein Lippenbekenntnis zu sein", kritisieren die Landesnaturschutzreferenten des Alpenvereins. "Der Naturschutz wird zum Bauernopfer, damit die Landespolitik nicht Gefahr läuft, ihre lokalen Wahlkampfversprechen platzen zu lassen", zeigt sich ÖAV-Landesverbandsvorsitzender Gerald Aichner empört.
Naturschutzorganisationen bilden Front gegen Felipes Entscheidung
Der Naturschutzfonds hat sich als unverzichtbares Finanzierungsinstrument für Natur-, Umweltbildungs- und Artenschutzprojekte bewährt. Die Umweltorganisationen fordern, das Thema weiterhin im Rahmen der Naturschutzgesetz-Novelle anzusiedeln und nicht aus dem Wirkungsbereich der betroffenen Institutionen abzuziehen. Ihnen das Mitspracherecht in so einer wichtigen Angelegenheit zu entziehen und wichtige Fördergelder den WählerInnen zuliebe umzuschichten, würde langfristig großen Schaden im Tiroler Naturraum anrichten.
Naturfreunde: Transparenz ist fadenscheiniges Argument
Das Argument, über die Eingliederung des Fonds ins Landesbudget Transparenz und Kontrollmöglichkeiten durch den Landtag zu schaffen, sei fadenscheinig, so der Landesvorsitzende der Naturfreunde und Vorsitzende des Naturschutzbeirates, Leo Füreder: "Mit den Mitteln aus dem Tiroler Naturschutzfonds werden Projekte gefördert, über die sich die Regierung und der Landtag jederzeit berichten lassen können. Der Naturschutzbeirat hat ja auch jetzt schon ein Berichtsrecht."
WWF: Umschichtung der Gelder ist nicht der richtige Weg
„Ausgerechnet zum 25-jährigen Bestehen des Naturschutzfonds sollen die ohnehin schon spärlichen Mittel um 60 Prozent zusammengekürzt und somit der Naturschutz offenbar kaputt gespart werden", schüttelt Christoph Walder vom WWF den Kopf. Für den WWF ist dies ein Schlag ins Gesicht vieler engagierter Initiativen und Bürger, die seit vielen Jahren für eine intakte Umwelt aktiv sind. "Wir fordern Landesrätin Ingrid Felipe und die Tiroler Landesregierung auf, den Naturschutzfonds als solches unangetastet zu lassen", so Walder.
"Der Naturschutzfonds wurde 2009 vom Landesrechnungshof geprüft – mit dem Ergebnis, dass das Konzept funktioniert und der Fonds das zentrale Finanzierungsinstrument für den Tiroler Naturschutz ist. Von einer Überführung in das Landesbudget war nie die Rede", betont der Leiter des WWF Tirol. "Will man die Kontrolle und Zugriff verbessern, wie man behauptet, genügt eine Änderung der Richtlinien zum Fonds. Eine Umschichtung ins Landesbudget ist dafür wirklich nicht notwendig."
BirdLife: Versprechen gegenüber der EU-Kommission wird gebrochen
Dass mit der Umschichtung des Naturschutzfonds in Richtung "Klimaschutz" (um unter anderem Öffi-Tickets zu finanzieren) wichtige zusätzliche EU-Gelder für Naturschutzprojekte schlicht und einfach nicht mehr abgeholt werden können, kritisiert auch die Vogelschutz-Organisation BirdLife: "Die fehlende Kofinanzierung würde die Erreichung der Ziele des Programms zur Ländlichen Entwicklung unterminieren und damit ein Versprechen gegenüber der EU-Kommission gefährden", so Katharina Bergmüller von BirdLife Tirol.
Alpenverein nimmt auch Platter in die Pflicht
Nachdem vonseiten der Naturschutzlandesrätin kein Umdenken mehr erwartet wird, nimmt der Alpenverein nun Landeshauptmann Günther Platter in die Pflicht: "Aus dem Naturschutzfonds werden auch unzählige Projekte finanziert, die zum Erhalt der bäuerlichen Kulturlandschaft beitragen. Damit ist auch Landeshauptmann Platter verantwortlich dafür, dass keine Kofinanzierungsmittel in Brüssel liegen bleiben, die bisher die nationalen Mittel verdoppeln. Bergmähder, Schindeldächer und Lärchwiesen sollen auch weiterhin Teil des Tiroler Landschaftsbildes sein", so Landesverbandsvorsitzender Gerald Aichner.
Umweltdachverband: Der Öffentlichkeit reinen Wein einschenken
In das gleiche Horn stößt der ehrenamtliche Präsident des Umweltdachverbandes, Franz Maier: "Ich bitte den Landeshauptmann ausdrücklich, sich dieser wichtigen Angelegenheit auch persönlich anzunehmen. Neben dem groben wirtschaftlichen Unfug, der mit dem Wegfall der EU-Kofinanzierung einhergeht, sollte der Öffentlichkeit auch dahingehend reiner Wein eingeschenkt werden, dass die Beibehaltung des bisherigen Naturschutzbudgets nur durch die Anhebung der Naturschutzabgabe bewerkstelligt werden kann. Das ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, sollte dann aber auch gegenüber allen Anspruchsgruppen klar kommuniziert werden. Die Opferung des Naturschutzfonds zugunsten des öffentlichen Verkehrs – so wichtig dieser ist –, wird von uns aber weiterhin aufs Schärfste abgelehnt", so Maier.
Deshalb reichen die Naturschützer heute eine gemeinsame offizielle Stellungnahme zur geplanten Auflösung des Naturschutzfonds beim Land ein. Der Naturschutz darf nicht weiter politischen Eigeninteressen zum Opfer fallen, so Alpenverein, Naturfreunde, WWF, BirdLife und der Umweltdachverband abschließend.
Rückfragehinweis:
Claudia Mohl, WWF Pressesprecherin, Tel. 01/488 17-250, E-Mail: claudia.mohl@wwf.at
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