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Welchen Beitrag leisten die Natura 2000 – Schutzgebiete für die Erhaltung der FFH-Waldarten und FFH-Waldlebensräume?

8. Okt 2024

Ein wesentlicher Teil des Rechtsrahmens für den europäischen Naturschutz ist seit 1992 die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) der Europäischen Union, mit dem Ziel der Erhaltung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt. Ein sogenannter günstiger Erhaltungszustand von Lebensräumen und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten soll, neben umfangreichen Artenschutzbestimmungen, mit dem europäischen Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 sichergestellt werden.

Inhalt dieses Artikels:

Der WWF Österreich hat im Bericht “Gelingt der europäische Waldnaturschutz in Österreich?” auf Basis der offiziellen Berichte Österreichs an die Europäische Kommission gemäß Artikel 17 FFH-Richtlinie (Fauna-Flora-Habitat Richtlinie) die aktuelle Situation der europäischen FFH-Waldlebensräume analysiert. In diesem Artikel wird dem Zusammenhang zwischen dem Erhaltungszustand von Schutzgütern und deren Abdeckung durch Schutzgebiete nachgegangen, und die Auswirkungen erklärt.

Artikel verfasst von:


Mag.a Karin Enzenhofer
Expertin für Wald
WWF Österreich

1. Was ist das Problem der FFH-Waldarten und FFH-Waldlebensräume?

Analysen zeigen, dass sich insgesamt nur knapp über zehn Prozent der FFH-Waldlebensraumtypen in einem günstigen Erhaltungszustand befinden. Alpin sind rund 20 Prozent in einem günstigen Erhaltungszustand, kontinental befindet sich kein einziger FFH-Waldlebensraumtyp im günstigen Erhaltungszustand.

Bei den FFH-Waldarten zeigt sich ein ähnliches Bild: Nur knapp über 20 Prozent der analysierten FFH-Waldarten sind in einem günstigen Erhaltungszustand. Alpin und kontinental befinden sich jeweils etwa 20 Prozent in einem günstigen Erhaltungszustand.

Die Zahlen zeigen, dass es trotz 30 jähriger Bemühungen den Schutzgütern nicht besonders gut geht – und das obwohl es in Österreich 12.900 km² Natura 2000-Schutzgebiete gibt.

Abbildung: Natura 2000-Gebiete bedecken 13,1 % des österreichischen Waldes (NATURA2000.WALD, o.D.).

 

2. Die Abdeckung der FFH-Waldlebensraumtypen durch Natura 2000 Schutzgebiete und ihr Erhaltungszustand

Von der rund 12.900 km² großen Natura 2000-Gesamtfläche (European Commission, 2022) in Österreich sind Waldlebensraumtypen mit etwa 5.300 km² ein wesentlicher Bestandteil des Netzwerkes (NATURA2000.WALD, o.D.).

Der Erhaltungszustand der Lebensraumtypen wurde in der alpinen (5 Bewertungen) und kontinentalen Region (2 Bewertungen) oder beiden Regionen (13×2= 26 Bewertungen) erhoben; insgesamt wurden also 33 Bewertungen erfasst.

Im WWF-Bericht zeigt sich im Detail:

  • Nur vier der insgesamt 33 Bewertungen der FFH-Waldlebensraumtypen weisen einen günstigen Erhaltungszustand (FV) auf, ihre Abdeckung durch Natura 2000-Schutzgebiete variiert stark (zwischen circa 5 bis über 85 Prozent).
  • Auch bei den FFH-Waldlebensraumtypen mit den Erhaltungszuständen U1 (ungünstig-unzureichend) und U2 (ungünstig-schlecht) ist die Spannweite sehr hoch: bei U1 von knapp über null Prozent bis über 80 Prozent, ähnlich bei U2 (unter einem Prozent bis 75 Prozent).
  • Sowohl bei U1 als auch bei U2 sind die unteren 50 Prozent der Schutzgüter nicht mehr als zu 40 Prozent – bei U1 sogar weniger als 20 Prozent – abgedeckt.
  • Mehr als die Hälfte aller bewerteten Lebensräume weisen eine Abdeckung durch Natura 2000 Schutzgebieten von 20 Prozent oder weniger auf.

Insgesamt zeigt sich, dass zwischen dem Erhaltungszustand (FV = günstig, U1 = ungünstig-unzureichend, U2 = ungünstig-schlecht) und der Abdeckung durch das Natura 2000-Netzwerk in den vorliegenden Daten kein Zusammenhang ersichtlich ist. Beispielsweise ist zwar die Abdeckung der Pannonischen Flaumeichenwälder in Natura 2000 Gebieten relativ hoch (alpin = 80 Prozent, kontinental = 50 Prozent), der Lebensraumtyp weist aber dennoch einen ungünstig-unzureichenden Erhaltungszustand auf. Die Abdeckung ist jeweils in allen Erhaltungszustands-Kategorien sehr unterschiedlich und liegt zwischen 0 und 85 Prozent.

Box Plot der Abdeckung der FFH-Waldlebensraumtypen nach Erhaltungszuständen durch Natura 2000-Schutzgebiete in Prozent (Quelle: EEA, 2020).

Abbildung: Box Plot der Abdeckung der FFH-Waldlebensraumtypen nach Erhaltungszuständen durch Natura 2000-Schutzgebiete in Prozent (Quelle: EEA, 2020).

 

3. Die Abdeckung der FFH-Waldarten durch Natura 2000 Schutzgebiete und ihr Erhaltungszustand

  • Insgesamt sind knapp mehr als 50 Prozent der FFH-Waldarten unter 55 Prozent durch Natura 2000-Schutzgebiete abgedeckt.
  • Nur drei der FFH-Waldarten sind in einem günstigen Erhaltungszustand, ihre Abdeckung durch Natura 2000-Schutzgebiete liegt zwischen circa 30 Prozent und etwa 50 Prozent.
  • Die Abdeckung der FFH-Waldarten in einem ungünstigen Erhaltungszustand (U1 und U2) liegt zwischen rund zehn und 100 Prozent.
  • Wie auch bei den FFH-Waldlebensraumtypen lassen sich keine Abhängigkeiten zwischen Erhaltungszustand und Abdeckung im Natura 2000-Netzwerk erkennen.
Erhaltungszustände der FFH Waldarten

Abbildung: Box Plot der Abdeckung der FFH-Waldarten nach Erhaltungszuständen, durch Natura 2000-Schutzgebiete in Prozent (Quelle: EEA, 2020).

 

4. Schlussfolgerungen und Zusammenfassung

Die Analyse der Abdeckung von Schutzgütern durch Natura 2000-Gebiete zeigt große Schwankungen: Bei Waldlebensraumtypen reicht sie von unter einem Prozent bis 87 Prozent, bei Waldarten von acht Prozent bis 100 Prozent. Es zeigt sich: Die erheblichen Unterschiede in der Abdeckung korrelieren nicht mit den Erhaltungszuständen.

In der kontinentalen Region ist die Abdeckung durch das Natura 2000 – Schutzgebietsnetzwerk meist höher, dennoch erreichen viele Waldlebensraumtypen und -arten trotz hoher Abdeckung und geringem Vorkommen in Österreich keinen günstigen Erhaltungszustand. Arten mit hoher Abdeckung, wie die FFH-Waldart 1310 Langflügelfledermaus (100% Abdeckung) oder der Goldstreifige Prachtkäfer alpin (1085) und das Grüne Koboldmoos kontinental (1386), befinden sich nicht in einem günstigen Erhaltungszustand.

Eine hohe Abdeckung allein reicht also nicht aus, um einen günstigen Erhaltungszustand zu erreichen. Das verdeutlicht die Notwendigkeit eines besseren Managements und die Umsetzung von Maßnahmen in bestehenden Natura 2000-Gebieten. Für die Schutzgüter mit niedriger Abdeckung braucht es weitere, ambitionierte Ausweisung von Natura 2000 Gebieten. Dies wird auch durch ein laufendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich untermauert, das die Unzulänglichkeit der bisherigen Maßnahmen zur Erreichung der EU-Vorgaben aufzeigt. Diese reichen derzeit nicht aus, um die EU-Ziele und damit die ökologischen Verbesserungen zum Erhalt unserer Lebens- und Wirtschaftsgrundlage zu erreichen.

Quellenangaben und Referenzen

Rückfragen

Mag.a Karin Enzenhofer
Programm für Arten und Lebensräume, WWF Österreich

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