Umweltschutzorganisation: Ablehnung der Länder beruht auf einem inhaltlich längst überholten Verhandlungsstand – Blockade einer europaweiten Weichenstellung durch Österreich sachlich nicht mehr zu rechtfertigen
WWF fordert Ende der jahrzehntelangen Verfilzung zwischen TIWAG und Landespolitik
Im Zuge der Diskussion um die Doppelfunktion von Landeshauptmann Anton Mattle als TIWAG-Aufsichtsratschef fordert der WWF nun die Entpolitisierung von Landesunternehmen wie der TIWAG. Bereits im Frühling 2021 kritisierte der Österreichische Rechnungshof, dass in fast einem Viertel der direkten Beteiligungen Tirols Mitglieder der Landesregierung oder Abgeordnete zum Landtag als Aufsichtsorgane bestellt sind. Mehr als eineinhalb Jahre und eine Landtagswahl später hat sich daran nichts geändert. „Wir fordern die neue Tiroler Landesregierung auf, die jahrelange Verfilzung zwischen Land und Landesunternehmen schnellstmöglich zu beenden und die Empfehlungen des Rechnungshofs umzusetzen. Vor allem bei der TIWAG gibt es Handlungsbedarf, um eine naturverträgliche Energiewende zu schaffen“, sagt Gewässerschutz-Expertin Bettina Urbanek von der Naturschutzorganisation WWF Österreich. „In Zukunft sollten keine Politikerinnen und Politiker mehr in Aufsichtsräten von Landesunternehmen vertreten sein, sondern nur noch ausgewiesene Fachleute ohne Interessenskonflikte. Deren Bestellung muss objektiviert und transparent ablaufen.“
Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) empfiehlt, dass Regierungsmitglieder nicht Mitglieder des Aufsichtsrats in staatseigenen Unternehmen sein sollten, weil dies grundsätzlich Zweifel an der unbefangenen Ausübung der Tätigkeit aufwerfe. Gerade beim TIWAG-Konzern sieht der Rechnungshof ein großes Spannungsfeld zwischen den Aufgaben der Regierungspolitik und den Interessen des Unternehmens, zum Beispiel bei „Naturschutzrecht, Wasserrecht, Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung – und der Abhängigkeit des Unternehmens von der fristgemäßen Erteilung der erforderlichen Genehmigungen“. Bettina Urbanek: „Die Verfilzung führt zur grotesken Situation, dass Monsterprojekte der TIWAG, wie der Ausbau des Kraftwerks Kaunertal zur Kraftwerksgruppe, von der Landespolitik wider jegliche Vernunft befördert werden.“
Das zeige auch ein Bericht des Landesrechnungshofs über die Tiroler Klimastrategie. Demnach hat sich der nunmehrige Energie-Landesrat Geisler explizit gegen das Energiesparen ausgesprochen, um den Wasserkraftausbau nicht zu gefährden. „Die Folge der Verfilzung zwischen Politik und TIWAG ist, dass das Land Tirol Schlusslicht beim Klimaschutz ist und wie kein anderes Land wertvolle Naturräume zerstört“, kritisiert WWF-Expertin Urbanek. Auch der Rechnungshof warnt: „Wenn Unternehmen für übergeordnete Zwecke der Regierungspolitik eingesetzt werden oder umgekehrt aus ihrer Nähe zur Regierungspolitik Vorteile ziehen, kann dies mit höheren Kosten des Unternehmens bzw. Wettbewerbsverzerrungen sowie Reputationsrisiken einhergehen, mit Nachteilen für den Wirtschaftsstandort und höheren Kosten für die Allgemeinheit.“
Insbesondere für eine naturverträgliche Energiewende ist eine fachlich neutrale Beurteilung notwendig. „Die überfällige Entpolitisierung des Aufsichtsrats der TIWAG ist dafür ein wichtiger Baustein. Nur so können die naturverträglichsten und wirtschaftlichsten Wege zum Ausbau der erneuerbaren Energien zum Zug kommen“, sagt WWF-Expertin Bettina Urbanek. „Wir brauchen in Tirol dringend konkrete und verbindliche Energiesparziele und -maßnahmen sowie eine Photovoltaik-Offensive. Denn bisher setzt das Land und damit auch die TIWAG weiterhin einseitig auf die bereits extrem ausgebaute Wasserkraft – mit dem Ausbau des Kraftwerks Kaunertal als absolutes Negativbeispiel.“
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