Living Planet Report 2016: Es steht schlecht um die Erde

25. Oktober 2016 | Arten, Presse-Aussendung

Der WWF-„Gesundheitscheck“ belegt: Bestände zahlreicher Wirbeltierarten seit 1970 mehr als halbiert – die Erde ist überbeansprucht – positive Anzeichen bei globalen Nachhaltigkeitszielen

WWF Presseaussendung Wien, 27. Oktober 2016. Der WWF unterzieht die Erde alle zwei Jahre einem umfassenden „Gesundheitscheck“ und fasst die Ergebnisse im Living Planet Report zusammen. Die nun vorliegenden Ergebnisse dieser umfassenden Studie zeigen, es steht schlecht um die Gesundheit unseres Planeten. Die Dimensionen des menschlichen Handelns sprengen seit Mitte des 20. Jahrhunderts alle planetaren […]
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WWF Presseaussendung

Wien, 27. Oktober 2016. Der WWF unterzieht die Erde alle zwei Jahre einem umfassenden „Gesundheitscheck“ und fasst die Ergebnisse im Living Planet Report zusammen. Die nun vorliegenden Ergebnisse dieser umfassenden Studie zeigen, es steht schlecht um die Gesundheit unseres Planeten. Die Dimensionen des menschlichen Handelns sprengen seit Mitte des 20. Jahrhunderts alle planetaren Grenzen. Gegenwärtig braucht die Menschheit Ressourcen von 1,6 Erden auf. Unser Planet ist überbeansprucht, immer mehr Wissenschafter vertreten die Auffassung, dass von einem neuen erdgeschichtlichen Zeitalter gesprochen werden muss – vom Anthropozän, dem Zeitalter der Menschen. Tatsächlich hat sich die Menschheit in bedrohlicher Weise über andere Lebewesen erhoben. Die Folgen der Überbeanspruchung der Erde – der sogenannte Overshoot – sind offensichtlich.

Der Living Planet Report weist ein drastisches Sinken der globalen Biodiversität aus. So sind die Bestände zahlreicher Wirbeltierarten seit 1970 im Schnitt um die Hälfte geschrumpft und werden voraussichtlich bis 2020 um durchschnittlich 67 Prozent abnehmen. Die wesentlichen Gründe dafür sind die Verschlechterung und der Verlust von Lebensräumen. Der Kollaps der Fischbestände und die Anreicherung der Atmosphäre mit Kohlenstoff sind nur zwei weitere drastische Auswirkungen dieser Entwicklung. Wissenschafter warnen sogar davor, dass die Menschheit ein sechstes Massensterben auf der Erde verursacht.

Verschwinden Spezies, kollabieren die Ökosysteme

„Die wild lebenden Tiere verschwinden geradezu in rasender Geschwindigkeit“, so Andrea Johanides, Geschäftsführerin des WWF Österreich und ergänzend dazu: „Dabei geht es nicht nur um die bekannten Arten wie Gorilla und Tiger. Biodiversität ist viel mehr, sie ist die Grundlage gesunder Wälder, Flüsse und Meere. Verschwinden Spezies, kollabieren letztlich Ökosysteme, die den Menschen mit sauberer Luft, Wasser und Ernährung versorgen. Wir haben aber die Instrumente und das Wissen, um dieses Problem zu lösen – und wir müssen endlich beginnen, diese auch einzusetzen, wenn wir es mit dem Erhalt unseres Planeten Ernst meinen.“

Die Studie Living Planet Report 2016 basiert auf dem Living Planet Index der Zoologischen Gesellschaft London (Zoological Society of London, ZSL), der das umfassende Monitoring von Entwicklungen der Wildtierpopulationen ermöglicht. Dieser Index weist aus, in welchen Größenordnungen sich die Bestände von wild lebenden Tieren verändern. „Das Verhalten der Menschheit treibt den globalen Rückgang der Wildtierpopulationen an, das betrifft sämtliche Habitate, auch den Lebensraum Süßwasser, wo die Situation besonders dramatisch ist. Noch handelt es sich um Dezimierungen und nicht Ausrottungen – und dies muss als Weckruf verstanden werden, die notwendigen Schritte zur tatsächlichen Durchsetzung von Veränderungen zu setzen, damit der Bestand der betroffenen Arten geschützt und wieder verbessert wird“, so Thomas Wrbka, Landschaftsökologe und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates des WWF.

Der Living Planet Index als wichtiger Gradmesser für den ökologischen Zustand der Erde basiert auf wissenschaftlichen Daten zu mehr als 14.000 untersuchten Populationen von Wirbeltieren auf der ganzen Welt: Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien. Ein weiterer Indikator ist die Größe des ökologischen Fußabdrucks der Menschheit. Seit den frühen 1970-er Jahren ist die Nachfrage nach Ressourcen größer als das, was die Erde reproduzieren kann. „Seit mehr als 40 Jahren leben wir also nicht mehr von den Zinsen des natürlichen Kapitals sondern vom Kapital selbst“, so Johanides.


Der Living Planet Report belegt zudem:

Die Produktion von Nahrungsmitteln in einer Welt mit komplexen Anforderungen und Gegebenheiten – wie etwa den Bedürfnissen der stark wachsenden Weltbevölkerung – ist ein zentraler Faktor für die Zerstörung von Lebensräumen und für die Reduzierung von Wildtierbeständen. Gegenwärtig verbraucht die globale Landwirtschaft rund ein Drittel der gesamten Landfläche der Erde und beansprucht gleichzeitig etwa 70 Prozent des Wasserverbrauchs.

Mit dem Living Planet Report 2016 werden auch Lösungen aufgezeigt, die auf einen neuen – wirklich nachhaltigen – Weg im Bereich der Lebensmittelproduktion und auch beim Lebensmittelkonsum abzielen. Die Studie des WWF nimmt zudem fundamentale und unabdingbare Veränderungen des globalen Energie- und Finanzsystems ins Visier, die den Bedürfnissen der kommenden Generationen auf einer nachhaltigen Basis tatsächlich gerecht werden.

Ermutigende Zeichen, entscheidende Phase hat begonnen

Obwohl die Umweltzerstörung erschreckend schnell voranschreitet und die Erde am Limit ihrer Belastungsgrenze ist, bestehen auch ermutigende Anzeichen dafür, dass die Menschheit am Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft steht. Das Jahr 2015 könnte sich sogar als ein entscheidender Wendepunkt herauskristallisieren: Wichtige Beschlüsse wurden von der Staatengemeinschaft gefasst, der UN-Gipfel in New York einigte sich auf die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mit globalen Nachhaltigkeitszielen. Und in Paris wurde der neue Weltklimavertrag verabschiedet. „Für beide Beschlüsse beginnt jetzt die entscheidende Phase der Umsetzung“, mahnt Johanides.

Der tatsächliche Schutz unserer Umwelt – im Einklang mit wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen – benötigt einen dringenden Systemwechsel auf mehreren Ebenen: Eine veränderte Sicht auf die Tatsachen, bei dem die Kurzsichtigkeit einem verstärkt visionären Zugang zu weichen hat, muss bei Regierungen, Unternehmen und letztlich auch beim einzelnen Konsument stattfinden. „Wir verfügen nur über eine Erde, und deren Naturkapital ist begrenzt“, so Johanides.

Die WWF Österreich Geschäftsführerin hält abschließend deutlich fest: „Egal, wie man es dreht und wendet, die Rechnung geht nicht auf. Je mehr wir das Limit der Erde weiter überstrapazieren desto mehr Schaden nimmt unsere eigene Zukunft. Wir befinden uns in einem entscheidenden Moment, in dem wir die Chance ergreifen müssen, die Nahrungs-, Energie- und Finanzsysteme in verstärkt nachhaltige Bahnen zu lenken. Ein gesunder und starker Lebensraum ist schließlich mit vielen Vorteilen verknüpft: Er ist Schlüssel im Kampf gegen Armut, er fördert die Gesundheit der Menschen und trägt auch zu einem Mehr an Gerechtigkeit und Prosperität bei.“

LPR Langfassung: WWF Living Planet Report 2016 – Langfassung (englisch)
LPR Kurzfassung: WWF Living Planet Report 2016 – Kurzfassung (deutsch)
LPR in sechs Grafiken: https://www.wwf.at/living-planet-report-2016-grafiken

Weitere Informationen:

Gerhard Auer, Pressesprecher WWF, Tel. 01-48817-231 oder 0676-83488231, E-Mail: gerhard.auer@wwf.at

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