Als erstes Land in der EU verbietet Griechenland die zerstörerische Fischerei-Methode ab 2030 in allen Meeresschutzgebieten.
Living Planet Report 2016: Lebt unsere Erde noch – oder stirbt sie schon?
WWF Presseaussendung
Wien, 28. Oktober 2016 – Der WWF präsentierte gestern weltweit den Living Planet Report 2016. Im Abstand von zwei Jahren unterzieht der WWF damit die Erde einem umfassenden „Gesundheitscheck“. Der vorliegende Bericht zeichnet ein klares Bild: Es steht schlecht um die Gesundheit unseres Planeten. „Die globalen Wildtierbestände nehmen ab, die Lebensräume werden weniger oder verschwinden völlig. Die Zahlen und Fakten für Österreich zeigen ebenfalls, die Herausforderungen sind immens“, so Andrea Johanides, Geschäftsführerin des WWF-Österreich im Rahmen der heutigen Pressekonferenz. Allein im Jahr 2012 nahm die Menschheit Ressourcen und Ökosystemleistungen in Anspruch, die einer Biokapazität von 1,6 Erden entsprechen.
Die Studie Living Planet Report 2016 basiert auf dem Living Planet Index der Zoologischen Gesellschaft London (Zoological Society of London, ZSL), der das umfassende Monitoring von Entwicklungen der Wirbeltierpopulationen ermöglicht. Dieser Index zeigt, in welcher Größenordnung sich die Bestände verändern. „Mehr als 14.000 Populationen von 3.706 Arten wurden dabei wissenschaftlich erfasst und ausgewertet, konkret geht es um Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien“, so Prof. Thomas Wrbka, Landschaftsökologe und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates des WWF. Seit 2014 wurden 668 Arten mit insgesamt 3.772 Populationen zusätzlich in die Berechnung augenommen. „Die Bestände gehen drastisch zurück, der globale Index zeigt seit 1970 einen Rückgang von 58 Prozent. Am stärksten sind dabei die Süßwasserarten betroffen“, so Wrbka.
Ein starker Rückgang der Populationen ist auch bei zahlreichen Vogelarten feststellbar. Seit 1990 sind die Vogelpopulationen in Europa um ca. 15 Prozent zurückgegangen. „Besonders dramatisch ist die Situation bei jenen Spezies, die in Kulturlandschaften leben. Eine Verringerung der Populationen um 34 Prozent spiegelt letztlich die völlig veränderten Kulturlandschaften wider, und die Situation in der offenen Kulturlandschaft wird zudem kontinuierlich schlechter“, so Wrbka.
Investitionen und Schutzmaßnahmen lohnen sich
Gezielte Investitionen und Schutzmaßnahmen machen sich aber bezahlt, das lässt sich bei einzelnen Vogelarten feststellen: „Diese positiven Effekte gibt es beispielsweise beim Seeadler oder bei der Großtrappe. Bei beiden Arten erholen sich die Populationen, jetzt geht es vor allem um strenge Schutzmaßnahmen. Gerade bei den Seeadlern investiert der WWF seit vielen Jahren enorme Ressourcen in den wirkungsvollen Schutz“, so Wrbka.
Der Living Planet Report weist die wesentlichen Bedrohungsfaktoren für die verschiedenen Artengruppen aus. „Bei den marinen Arten ist die Überfischung das größte Problem, mehr als 80 Millionen Tonnen Fisch werden jährlich aus den Meeren gefischt. Das sind vier Mal mehr Fische als noch vor 50 Jahren“, kritisiert Wrbka und spricht in diesem Zusammenhang auch den Beifang an: „Jährlich verenden 250.000 Meeresschildkröten, 300.000 Wale und Delfine, 100 Millionen Haie und 300.000 Seevögel.“ Auch die so genannte Piratenfischerei stellt ein massives Problem dar, die illegale Fischerei setzt bedrohte Bestände nämlich noch zusätzlich unter Druck. Jeder vierte Fisch wird von Piratenfischern gefangen und landet illegal auf den Märkten. „Bei den landlebenden Wirbeltierarten sind der Verlust und der Rückgang ihrer Lebensräume die größten Bedrohungen“, so Wrbka.
Österreichischer Konsum-Fußabdruck viel zu hoch
Eine weitere Messgröße für die Zustandsbeschreibung der Erde ist der ökologische Fußabdruck der Menschheit. Die Größe des durchschnittlichen ökologischen Fußabdrucks pro Kopf hängt vom Gesamtkonsum eines Landes ab. Unterschiede ergeben sich auch aus der Nachfrage nach einzelnen Komponenten des Fußabdrucks, also der Menge der konsumierten Waren und Dienstleistungen, der verwendeten Ressourcen und des durch die Produktion der Waren und Dienstleistungen erzeugten Kohlenstoffs. „Länder mit großem ökologischem Fußabdruck pro Kopf haben wegen ihres Verbrauchs fossiler Energieträger und des Gebrauchs energieintensiver Güter einen hohen Anteil an Kohlenstoff. Der durchschnittliche ökologische Fußabdruck pro Kopf einiger Länder übersteigt die pro Kopf verfügbare Biokapazität um das Sechsfache. Dies bedeutet, die Bewohner dieser Länder übernutzen die Natur überproportional“, so Johanides.
Die Folgen dieser Überbeanspruchung, der sogenannte Overshoot, sind bereits offensichtlich: „Kohlenstoff reichert sich in der Atmosphäre an, die Fischbestände kollabieren und die Lebensräume sowie Artenbestände werden reduziert oder verschwinden völlig“, weiß Johanides. Mit einem Konsum-Fußabdruck von ca. 6 gha (pro Kopf global verfügbare Biokapazität 1,7 gha) pro Kopf liegt Österreich mit Platz 14 nicht nur in der Weltrangliste weit vorne sondern befindet sich auch europaweit im unrühmlichen Spitzenfeld. „Hauptursache für den sehr großen Fußabdruck in Österreich sind die hohen direkten und indirekten CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger, gefolgt vom Bedarf an Ackerland und an Wald“, sagt die WWF Österreich-Geschäftsführerin.
Unter den persönlich direkt beeinflussbaren Anteilen des Fußabdrucks liegt die Ernährung deutlich vor dem Konsum von Gütern und Dienstleistungen, gefolgt gleichauf von Mobilität und Wohnen. „Bei der Ernährung sind gut drei Viertel auf den Konsum von Fleisch und tierischen Produkten zurückzuführen. Dabei wäre eine deutliche Reduktion sofort möglich und würde zudem noch gesundheitliche Vorteile bringen“, kritisiert Johanides und führt weiter aus: „Beim Wohnen ist durch echten Ökostrom und kluge Energiesparmaßnahmen eine Reduktion von mehr als 90 Prozent ohne jeden Komfortverlust realisierbar. Und bei der Mobilität schlagen vor allem das Auto mit Verbrennungsmotor und die Flüge zu Buche. Weniger, langsamer, gemeinsam – und alles möglichst bald mit Sonnenenergie – sind die Schlüssel für nachhaltige Mobilität.“
Forderungen an Politik, Wirtschaft und Konsumenten
Die Zahlen und Fakten im Living Planet Report sind unmissverständlich. „Neue Sichtweisen und ein verändertes Verhalten sind ein Muss, unser Planet ist überbeansprucht. Je mehr wir das Limit der Erde weit überstrapazieren desto mehr Schaden nimmt unsere eigene Zukunft. Wir stehen an einem Wendepunkt, jetzt muss was passieren“, so Johanides, die abschließend drei konkrete Forderungen aus einem breiten WWF-Forderungskatalog formuliert:
1.Forderungen an die Politik:
Österreich braucht eine verbindliche Klima- und Energiestrategie mit klaren Zielvorgaben zum kompletten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas bis spätestens 2050. Beim Umstieg auf erneuerbare Energieformen darf es weder zum Verlust von wertvollen Lebensräumen noch zur Beeinträchtigung von gefährdeten Arten kommen. Der Schutz der letzten frei fließenden Flüsse und unerschlossenen Gebiete in den Alpen muss gewährleistet werden.
2.Forderungen an die Wirtschaft:
Die Wirtschaft muss dekarbonisiert werden. Das heißt weniger Energieverbrauch, Umstieg auf erneuerbare Energien und innovative Prozesse (etwa bei Stahl- und Zementerzeugung). Nur ein solches Wirtschaftssystem schafft die Voraussetzung dafür, unseren Planeten nachhaltig zu bewahren. Unternehmen sind Teil der Lösung und gefordert, ihren Beitrag zur Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks in Österreich zu leisten.
3.Forderungen an die Konsumenten:
Der österreichische Ernährungs-Fußabdruck ist viel zu hoch, unsere Ernährung hat erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und daher muss ein Umdenkprozess in den Köpfen der Konsumenten stattfinden. Die Umstellung auf den Verzehr von weniger Fleisch entlastet die Umwelt und bringt mehr Gesundheit für die Konsumenten.
LPR Langfassung: WWF Living Planet Report 2016 – Langfassung (englisch)
LPR Kurzfassung: WWF Living Planet Report 2016 – Kurzfassung (deutsch)
LPR in sechs Grafiken: https://www.wwf.at/living-planet-report-2016-grafiken
Weitere Informationen:
Gerhard Auer, Pressesprecher WWF, Tel. 01-48817-231 oder 0676-83488231, E-Mail: gerhard.auer@wwf.at,
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