Die Umweltschutzorganisation WWF Österreich bewertet die heute veröffentlichten „Österreichischen Ernährungsempfehlungen“ als „Schritt in die richtige Richtung“, fordert aber konkrete Reformvorschläge vom federführend verantwortlichen Gesundheitsminister.
Alarmstufe Rot – Wie uns Business Unusual retten kann
![Wald © Michèle Dépraz / WWF Wald © Michèle Dépraz / WWF](https://www.wwf.at/wp-content/uploads/2021/09/Wald-c-Michele-Depraz-WWF.jpg)
Der rapide Verfall unseres natürlichen Kapitals wird zur existenziellen Bedrohung, zumal dieser durch die Klimakrise verstärkt wird. Wir nutzen Ressourcen schneller, als sie wiederhergestellt werden können. Landwirtschaftliche Expansion, Übernutzung von Wäldern und Fischerei, invasive Arten, Zersiedelung, Energieverbrauch, Bergbau und Umweltverschmutzung führen zu Verlust von Lebensräumen, Artensterben sowie zu einer beispiellosen Verschlechterung von Land und Meer.
Der Report ist dabei mehr als eine weitere Warnung. Vielmehr handelt es sich dabei um einen alarmierenden Weckruf: Die natürlichen Systeme der Erde sind am Limit und alles was wir lieben und zum Leben brauchen ist bedroht. Ein Weckruf, der sich auch direkt an alle Wirtschaftstreibende richtet, ihr Handeln neu zu denken. Greifen wir nicht ein, wird die Natur so wie wir sie heute kennen, als Grundlage für unseren Wohlstand und wirtschaftlichen Erfolg, verloren gehen.
Der wahre Wert der Natur für die Wirtschaft ist unbezahlbar.
Die Auswirkungen der Wirtschaft auf die Natur sind bekannt und oft sichtbar, doch die existenzielle Abhängigkeit der Unternehmen von gesunden natürlichen Systemen finden im unternehmerischen Alltag wenig Beachtung. Dabei lässt sich der wirtschaftliche Nutzen der Natur einfach darstellen, denn Unternehmen profitieren von:
- Ressourcennutzung für Nahrung, Mineralien und Baumaterialien.
- Sicherstellung eines stetigen Flusses von Ökosystemdienstleistungen, wie Bestäubung von Nutzpflanzen, Wasserfiltration, Abfallabbau, Kohlenstoffbindung und Klimaregulierung.
- Einem Lebensraum für eine gesunde und wohlhabende Gesellschaft, in der sie operativ tätig sein können.
So erbringen natürliche Systeme jährlich Dienstleistungen für die Weltwirtschaft im Wert von schätzungsweise 125 Billionen Dollar pro Jahr – zwei Drittel mehr als das globale BIP. Des Weiteren können laut IPBES sogenannte „nature-based solutions“ zu 37% zur Einhaltung der 1,5 °C-Grenze beitragen und damit einige der gravierenden Folgen des Klimawandels verhindern. Die Abhängigkeiten des Wirtschaftssystems zu diesen Dienstleistungen machen Biodiversitätsverlust und Klimawandel zu den größten systemischen Gefahren für die Weltwirtschaft. Sie führen zu Risiken für das operative Geschäft; beeinträchtigen die Stabilität der Lieferkette, Vorhersehbarkeit und Widerstandsfähigkeit; bringen Haftungsrisiken mit sich, sowie regulatorischen, Reputations-, Markt- und Finanzrisiken. Bereits jetzt kosten uns Naturkatastrophen, die durch Störungen des menschlichen Ökosystems und den Klimawandel verursacht werden, mehr als 300 Milliarden Dollar pro Jahr.
Zeit zu handeln.
Um diesen negativen Entwicklungen gegenzusteuern, müssen wir die laufenden Reformen unserer derzeitigen Wirtschafts- und Finanzsysteme beschleunigen. Für eine nachhaltige und integrative Entwicklung sowie für zukunftssichere Unternehmen und Finanzen, müssen Regierung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft vier Dinge in den Vordergrund stellen:
- 1.Wir müssen den Wert der Natur und die Kosten ihrer Verschlechterung erkennen und sie systematisch in unsere wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen einbeziehen, einschließlich der Einführung von Entwicklungsindikatoren, die über das BIP hinausgehen, sowie nachhaltige Produktion & Konsum und zirkuläre & regenerative Volkswirtschaften fördern.
- 2.Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, die Weltwirtschaft so umzugestalten, dass sie langfristig integrativen Wohlstand und Wohlstand im Einklang mit den SDGs liefert, anstatt das kurzfristige Einkommenswachstum zu maximieren und die soziale Ungleichheit zu verstärken.
- 3.Wir müssen Geschäftsmodelle skalieren, die langfristig einen gemeinsamen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen, und die Corporate Governance so verbessern, dass sie die unternehmerische Verantwortung gegenüber Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern und Gemeinden sowie gegenüber Aktionären stärkt.
- 4.Und wir müssen finanzielle, politische und marktwirtschaftliche Anreize so umlenken, dass sie natürliche Systeme und Ökosystemdienstleistungen begünstigen und unsere Wirtschaft dabei unterstützen, das Versprechen der SDGs zu erfüllen – Wohlstand für alle auf einem gesunden Planeten.
Ein dreistufiger Ansatz kann Unternehmen helfen, sich der Herausforderung zu stellen.
Erstens können sich Unternehmen dazu verpflichten, Biodiversitätsverluste rückgängig zu machen und natürliche Systeme wiederherzustellen. Unternehmen können insbesondere in den Lebensräumen, in denen sie produzieren, ganzheitliche Maßnahmen für die Natur ergreifen und mit Gleichgesinnten sowie nationalen und lokalen Behörden zusammenarbeiten, um skalierbare Lösungen für die Reduktion des Ressourcenverbrauchs und Wiederherstellung der Natur zu entwickeln.
Zweitens sollten Unternehmen umweltbedingte Risiken bewerten, um auf diese rechtzeitig zu reagieren, und einen „no regrets“-Ansatz für die Natur verfolgen, bei dem die Auswirkungen und Abhängigkeiten von Naturkapital bewertet werden. Während sich wissenschaftlich fundierte Ziele für die Natur in der Entwicklung befinden, können Unternehmen bereits Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Einklang mit der Klimawissenschaft festlegen.
Und drittens können Unternehmen bei der Mitgestaltung von politischen Maßnahmen und Gesetzesvorschlägen unterstützen und sich gemeinsam mit dem WWF und anderen dafür einsetzen, einen neuen Deal für Mensch und Natur zu gestalten, der sinnvolle Investitionen in natürliche Systeme fördert und belohnt. Für diesen sogenannten „New Deal for Nature and People“ gibt es im Jahr 2020 eine einmalige Chance. Denn dann werden bei der nächsten UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt (CBD) die Staats- und Regierungschefs der Welt wichtige Entscheidungen in den Bereichen Umwelt, Klima und nachhaltige Entwicklung treffen und mit einer neuen Strategie die Agenda für das nächste Jahrzehnt bestimmen. So wie eine starke Stimme der Wirtschaft dazu beitrug das Pariser Klimaabkommen zu verabschieden, könnte sie nun die Politik der biologischen Vielfalt prägen und die globalen Bemühungen zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung und gleichzeitigen Behebung des Naturverlustes vorantreiben.
Ein „New Deal“ für 2020.
Nie zuvor hat die Wissenschaft den Biodiversitätsverlust so klar aufgezeigt. Der IPBES-Bericht bekräftigt die dringende Notwendigkeit, einen neuen Deal für Natur und Menschen zu schließen, wenn wir die SDGs umsetzen wollen. Unternehmenszwecke müssen neu definiert werden und nach Lösungen gesucht werden um Wohlstand ohne eine ständig steigenden Ressourcenverbrauch zu schaffen. Die Politik kann die Wirtschaft dabei unterstützen ihre globale Verantwortung für die Natur wahrzunehmen. Das Ausmaß der Krise, mit der wir konfrontiert sind, erfordert einen schnellen globalen Wandel. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Handeln wir jetzt!
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