Reduktion der Verschwendung sollte in jedes Maßnahmenpaket gegen die hohe Teuerung integriert werden – Bundesregierung sollte Lebensmittelspenden erleichtern
Von Steuersenkung bis Schulfach Ernährung: WWF fordert Aktionsplan für klimafreundliche Ernährungswende

Das falsch ausgerichtete Ernährungssystem zählt zu den Haupttreibern der Klimakrise und des Artensterbens. Entlang der Lieferkette entfallen bis zu 37 Prozent der gesamten globalen Treibhausgasemissionen auf unsere Ernährung. Hinzu kommt ein immenser Flächen-, Wasser- und Energieverbrauch, der weltweit wertvolle Lebensräume zerstört. “Wir müssen unser Ernährungssystem klima- und umweltschonend umstellen – von der Produktion über den Konsum bis hin zur unnötigen Verschwendung vieler Lebensmitteln. Die Politik muss dringend eine Wende einleiten”, fordert WWF-Expertin Hannah-Heidi Schindler. Besonders problematisch ist der viel zu hohe Fleischkonsum. “Ein Kilogramm Rindfleisch setzt 19,1 Kilogramm an Treibhausgasen frei, ein Kilogramm Kartoffeln im Gegensatz nur 600 Gramm. Durch die Reduktion des Fleischkonsum haben wir eine regelrechte Superpower im Kampf gegen die Klimakrise in der Hand.”
Die Umweltschutzorganisation hat daher einen zehn Punkte umfassenden Aktionsplan für eine Ernährungswende in Österreich erarbeitet. Demnach muss pflanzliche Ernährung stärker unterstützt werden, während der Fleischkonsum und die Lebensmittelabfälle deutlich sinken müssen. Preispolitik und Steuern müssen Anreize für eine nachhaltig leistbare Ernährung schaffen. Parallel dazu muss die Politik wertvolle Böden besser schützen. “All das würde nicht nur den ökologischen Fußabdruck des Systems reduzieren, sondern es auch langfristig krisensicher aufstellen. Denn Ernährungssicherheit erfordert eine intakte Natur und fruchtbare Böden”, sagt Hannah-Heidi Schindler, WWF-Expertin für nachhaltige Ernährung.
Auch der Ernährungsökologe Martin Schlatzer vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) fordert eine echte Ernährungswende: „Es bedarf eines großen Schrittes, hin zu stark pflanzenbasierter Kost, inklusive vegetarischer oder veganer Ernährungsweisen. Dadurch könnte die biologische Landwirtschaft gefördert werden und der Import von gentechnischen Sojafuttermittelimporten wegfallen, ganz zu schweigen von den massiven Vorteilen für Klima und Gesundheit“, sagt Schlatzer. Das aus den Fugen geratene Verhältnis von Lebens- und Futtermittelproduktion sei besonders in humanitären und konfliktären Zeiten relevant, sagt Hannah-Heidi Schindler vom WWF, denn: “Mit bloß einem Drittel des Getreides, das in der EU als Futtermittel verwendet wird, könnte man theoretisch die gesamten drohenden Exportverluste der Ukraine ausgleichen.”
Während unser Konsum weltweit für Regenwaldzerstörung verantwortlich ist, geht auch Österreich extrem verschwenderisch mit seinen wertvollen Böden um. Der Bodenverbrauch ist in diesem Jahrtausend fast dreimal so stark gewachsen wie die Bevölkerung. Mit einem Flächenfraß von im Schnitt 11,5 Hektar pro Tag verfehlt Österreich das offizielle Nachhaltigkeitsziel des Bundes um mehr als das Vierfache. “Es braucht dringend eine verbindliche Obergrenze für den Bodenverbrauch – auch das würde die langfristige Ernährungssicherheit erhöhen”, fordert Hannah-Heidi Schindler vom WWF.
Eine Nationale Strategie zur Umsetzung einer Ernährungswende muss laut WWF Österreich folgende zehn Reformen umfassen:
1. Fleischkonsum reduzieren, pflanzliche Ernährung fördern: Es braucht eine nationale Ernährungsstrategie der Bundesregierung mit verbindlichen Zielen und konkreten Maßnahmen – von der Landwirtschaft über Umwelt und Klima bis hin zu Wirtschaft und Bildung soll es alle Bereiche umfassen. Zusätzlich soll die nationale Ernährungspyramide überarbeitet werden.
2. Lebensmittelverschwendung halbieren: Im Rahmen eines für alle Sektoren verpflichtenden Aktionsplans muss die Bundesregierung konkrete Maßnahmen vorlegen, um vermeidbare Lebensmittelabfälle bis 2030 zu halbieren.
3. Regenwälder schützen: Die österreichische Bundesregierung muss sich für ein starkes EU-weites Lieferkettengesetz einsetzen, das wertvolle Wälder weltweit schützt und hohe Sozial- und Umweltstandards in den Handelsbeziehungen verankert und gewährleistet.
4. Billigfleisch stoppen, schädliche Rabatte verhindern: Der WWF fordert einen Verzicht von Rabattaktionen auf Billigfleisch sowie die Schaffung von fairen Handels- und Wettbewerbsbedingungen und die Förderung einer klima- und umweltfreundlichen Produktion tierischer Produkte unter Einhaltung des Tierwohls.
5. Herkunft und Qualität von Lebensmitteln verpflichtend kennzeichnen: Bei verarbeiteten tierischen Produkten wie Fleisch, Eiern und Milch braucht es eine transparente und verpflichtende Herkunfts- und Tierwohl-Kennzeichnung im Handel sowie in allen Formen der Gemeinschaftsverpflegung und der Gastronomie.
6. Steuern auf Obst und Gemüse senken: Die Politik muss gesunde und ressourcenschonende Lebensmittel stärker unterstützen. Daher fordert der WWF Österreich die Senkung der Mehrwertsteuer auf unverarbeitete Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte sowie eine Senkung der Steuer auf pflanzliche Milchalternativen von 20 auf 10 Prozent.
7. Biologische Landwirtschaft ausbauen: Die Bundesregierung muss einen ambitionierten, strategischen Ausbauplan für die regionale, biologische Landwirtschaft umsetzen. Dieser Plan sollte die weitere Ausweitung der biologischen Landwirtschaft auf zunächst 40 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche bis 2030 ermöglichen.
8. Fruchtbare Böden erhalten: Die Bundesregierung muss den Flächenfraß eindämmen und den ausnahmslosen Schutz naturschutzfachlich wertvoller Flächen festlegen. Darüber hinaus sollen Maßnahmen zur Steigerung sowie zum Erhalt des Humusgehalts der heimischen Ackerflächen gesetzt werden.
9. Öffentliche Beschaffung auf Bio umstellen: Lebensmittel, die in öffentlichen Einrichtungen des Bundes sowie der Länder angeboten und konsumiert werden, sollen bis 2050 zu 100 Prozent aus biologischer Produktion stammen.
10. Schulfach klimafreundliche Ernährung schaffen: Der WWF fordert ein verpflichtendes Schulfach, das grundlegendes Wissen über eine gesunde klimafreundliche Ernährung vermittelt. Begleitend muss die Bundesregierung das Bewusstsein für eine klima- und naturfreundliche Ernährung in der gesamten Bevölkerung auf allen Ebenen fördern.
Downloads:
Der vollständige Aktionsplan für eine Ernährungswende zum Download: https://bit.ly/3KE2DSp
Bilder zum Download: https://bit.ly/3OUesqV
Audio-Files zum Download: https://bit.ly/3OZ9kBO
Weitere Infos zum WWF-Projekt „Eat4Change“:
Das EU-kofinanzierte WWF-Projekt “Eat4Change” arbeitet mit 13 europäischen und internationalen Partnern intensiv an der Bewusstseinsförderung für eine klima- und umweltschonende Ernährung. Besonders junge Menschen sollen die Superpower der eigenen Ernährung entdecken.
Zur Eat4Change Website: https://www.wwf.at/superpower/
Zur Meinungsumfrage Ernährungswende: https://bit.ly/3vVAHnX
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