Wichtiges Signal gegen Länder-Blockade – Naturschutzorganisation fordert Schulterschluss für wegweisendes Gesetz – Finanzierung der Maßnahmen möglich, zusätzliche EU-Mittel abrufbar
Artenlexikon:
Verbreitung
Stör
Rund 250 Millionen Jahre haben die Störe in den Meeren, Flüssen und Seen der Welt überlebt – doch der Mensch könnte die „lebenden Fossilien“ schon bald ausgerottet haben. Der Hauptgrund: Unsere Lust auf Luxus. Denn Störe liefern Kaviar.
Körperliche Merkmale
Zur Gruppe der „Störartigen“ gehören die zwei Familien der Echten Störe und der Löffelstöre – beide sind urtümliche Knochenfische. Ihre Haut ist nämlich nicht mit Schuppen besetzt, sondern entlang des Körpers ziehen sich 5 Reihen von Knochenplatten. In der länglichen Schnauze der Fische sitzen Elektrorezeptoren, die zum Aufspüren von Nahrung dienen. Störe sind am Rücken meist olivgrün, bräunlich oder grau gefärbt, am Bauch hingegen weißlich. Abhängig von der Art kann die Größe der Störe stark variieren: der Kleine Amu-Darja-Schaufelstör bringt mit süßen 27 Zentimetern rund 1,5 Kilogramm auf die Waage, während der Belugastör (auch Hausen) über 7 Meter lang und 1,5 Tonnen schwer werden kann. Beeindruckend ist auch die Lebenserwartung der Tiere – man nimmt an, dass Störe bis zu 150 Jahre alt werden können.
Lebensweise und Fortpflanzung
Die meisten Stör-Arten leben überwiegend im Meer, es gibt aber auch ein paar reine Süßwasserbewohner. Störe sind Einzelgänger – mit Ausnahme der Fortpflanzungszeit im Frühjahr und Herbst. Dann finden sie sich an Laichplätzen zusammen, die in Zuflüssen des jeweiligen Heimat Meeres liegen. In diesen Fließgewässern legen die Weibchen 200.000 bis sechs Millionen Eier auf einen kiesigen Untergrund. Sie werden von den Männchen besamt und die Geschlechtsreife recht spät – je nach Art und Geschlecht nach 10 bis zu sogar 25 Jahren.
Ernährung
Störe haben ein breites Nahrungsspektrum: Insektenlarven, Krebstiere, Muscheln, Schnecken und Würmer sowie Fische stehen je nach Art und Lebensraum auf dem Speiseplan. Die charakteristischen Bartfäden am Maul sind geschmacks- und Tast-empfindlich und helfen so beim Aufspüren der Beute.
Stör und Mensch
Störe sind laut der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN die am stärksten vom Aussterben bedrohte Artengruppe der Welt. Der kommerzielle Handel ist nur streng kontrolliert erlaubt. Doch der illegale Handel mit dem begehrten Störkaviar, den unbefruchteten Eiern, floriert: bis zu 6000 Euro bringt ein Kilo Störkaviar, eine der teuersten Delikatessen der Welt. Insgesamt etwa zwölf Tonnen illegal in die EU geschmuggelter Kaviar wurden zwischen 2000 und 2005 registriert. Eine WWF-Marktuntersuchung an der Unteren Donau von 2016 bis 2020 ergab, dass etwa ein Fünftel der verkauften Stör-Produkte von gewilderten Stören stammte. Damit scheinen die Wilderei und der illegale Handel mit Störfleisch und Kaviar die größte Bedrohung für die urtümlichen Fische darzustellen – die aufgrund ihrer immer gleichen Wanderrouten leichte Beute für Fischer sind.
Auch die Zerstörung ihrer Lebensräume, der Verlust von Laichgründen u.a. durch die Entnahme von Sand und Schotter, in den die Eier abgelegt werden, die Blockade der Wanderrouten durch Staudämme und die Verbauung der Ufer sowie die Verschmutzung der Gewässer gefährden die Bestände stark. Durch die späte Geschlechtsreife können sich die Stör-Bestände nur sehr langsam regenerieren.
Der Stör in der Kulturgeschichte
Aufgrund seines wohlschmeckenden Fleisches und natürlich seiner Eier gilt der Stör seit dem Altertum als begehrenswert. Den gesalzenen Kaviar verzehrten erstmals die alten Perser, die ihm auch Heilkräfte zuschrieben. Im Mittelalter fanden die Königshäuser vermehrt Gefallen an der Delikatesse und dem dazugehörigen Tier – der englische König Eduard II. erklärte den Störe zum königlichen Fisch – nur Personen am Hof durften sein Fleisch verzehren. Bis heute gehört jeder in England wild gefangene Stör offiziell dem regierenden Monarchen.
Störe brauchen spezielle Habitate zum Laichen, zum Überwintern, als „Kinderstube“ und um geeignete Nahrung zu finden. Die zunehmende Verbauung der meisten Flüsse für die Stromproduktion, die Schifffahrt und die Landgewinnung, die Entnahme von Schotter und Sand etc. führen dazu, dass immer weniger geeignete Lebensraum zur Verfügung steht. Dazu kommt, dass das Wissen über die seltenen Fische und ihre Lebensgewohnheiten immer noch sehr gering ist und wichtige Laichplätze unbekannt sind. Es braucht daher dringend eine Kartierung der bedeutsamsten Habitate und deren Unterschutzstellung.
Störe in der Donau
Die Donau zählt zu den wenigen Gewässern weltweit, in denen Störe noch natürlich vorkommen und sich fortpflanzen. Wie in den meisten Verbreitungsgebieten bedrohen drei Faktoren die Riesen der Donau: Die Übernutzung der Bestände durch illegalen Fischfang und Handel, die Verhinderung der Laichzüge durch Staudämme und die Zerstörung der Laichplätze. Störe können vom Schwarzen Meer nur noch etwa 860 km die Donau hoch wandern. Dann unterbrechen die Staudämme am „Eisernen Tor“ zwischen Serbien und Rumänien die Jahrtausende alte Wanderroute. Die riesigen Staudämme wurden in den 1970er und 1980er Jahren errichtet und sind für Fische unüberwindbar. Die Lebensräume oberhalb sind seither verloren.
Projekte und Engagement des WWF
Störe haben einen sehr komplexen Lebenszyklus und brauchen Lebensräume mit sehr spezifischen Voraussetzungen. Nicht nur müssen diese Lebensräume erhalten bleiben, sie müssen für die Tiere auch erreichbar sein. Als ersten Schritt müssen die Habitate kartographiert und unter Schutz gestellt werden. Wo Wanderrouten etwa durch Dämme unterbrochen werden, kann man den Fischen mit Umgehungshilfen oder Fischliften aushelfen.
Die Eindämmung des illegalen Fangs und Handels steht ebenfalls ganz oben auf der Prioritätenliste des WWF. In zahlreichen Projekten setzen wir uns z.B. an der Unteren Donau und dem Schwarzen Meer für die Bekämpfung der Stör-Wilderei und des illegalen Handels mit Fleisch und Kaviar ein und fordern die ausschließlich nachhaltige Nutzung von Kaviar. Dazu gehört die Verbesserung des gesetzlich vorgeschriebenen Etikettierungssystems für Kaviar, denn es macht den Handel transparenter und hilft, Unsicherheiten beim Verbraucher zu beseitigen.
Der Schutz der Störe kann nur zusammen mit Fischern, Behördenvertretern und anderen lokalen Stakeholdern erfolgreich sein. Durch gezielte Bewusstseinsbildung und Informationsarbeit müssen Wissen und Interesse für die alten Riesen deutlich erhöht werden. Mehr zum Projekt auf: https://danube-sturgeons.org
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