Rechnungshof-Bericht fordert mehr Verbindlichkeit beim Bodenschutz – WWF sieht sich in Forderungen bestätigt und kritisiert “zahnlose Bodenpolitik”
Biber auf der Abschussliste: WWF reicht EU-Beschwerde ein

Presseaussendung
Wien, am 29. Juni 2017 –Niederösterreich ist das erste Österreichische Bundesland, das per Verordnung das Fangen und Töten von Bibern erlaubt. Der WWF kritisiert die Biberverordnung in fachlicher und rechtlicher Hinsicht und vermisst eine Begründung für deren Erforderlichkeit. Außerdem widerspricht die Verordnung nach Einschätzung des WWF in vielen Punkten der europäischen Fauna-Flora-Habitat (FFH-) Richtlinie und bricht damit EU-Recht. Deshalb bringt der WWF eine Beschwerde ein, die heute an die EU-Kommission übermittelt wird. Im Falle einer Verurteilung steuern Österreich und das Land Niederösterreich nach einer scharfen Verwarnung in Sachen Natura 2000 auf ein weiteres EU-Vertragsverletzungsverfahren zu.
WWF-Artenschutzexperte Christian Pichler erläutert: „Ausnahmen vom Verbot der Tötung geschützter Arten müssen fachlich ausreichend begründet sein, von einer unabhängigen Stelle geprüft werden und unter strenger Kontrolle erfolgen, so schreibt es die FFH-Richtlinie vor. In Niederösterreich wurde nicht einmal eine Obergrenze für die Entnahmen festgesetzt und die Kontrollmaßnahmen sind völlig unzureichend.“
Biberverordnung: Interessenskonflikte vorprogrammiert
Die Verordnung erlaubt die Beurteilung und Durchführung von Eingriffen in den Biberlebensraum bis hin zum Fang und der Tötung durch „sachkundige Organe“, die über keine entsprechende langjährige Expertise und Praxis verfügen. Bei diesen Personen kann es sich beispielsweise um Hochwasserschutztechniker oder Förster handeln. „Eine solche Vorgangsweise provoziert Interessenskonflikte und ist für den WWF unakzeptabel“, unterstreicht Pichler.
Konflikten vorbeugen ist besser als reagieren
Anstatt Dämme zu zerstören und Biber zu töten, solle Niederösterreich auf naturverträgliche Vorsorgemaßnahmen wie Schutzanstriche, Bibergitter oder Drainage-Rohre setzen, lauten die Vorgaben der FFH-Richtlinie und die WWF-Empfehlung. „Die Vereinfachung des Abschusses macht die Suche nach anderen zufriedenstellenden Lösungen von Vorneherein unattraktiv“, bedauert Pichler.
Der für den Biber unerfreuliche Trend untermauert diese Argumentation: Seit 2006 steigt die Zahl der per Ausnahmegenehmigung getöteten Tiere kontinuierlich an und setzt sich seither ungebremst fort. Waren es im Jahr 2006 noch vier Biber, so wurden 2012 in NÖ bereits mehr als 100 Biber an etwa 40 Standorten gefangen und getötet und im Jahr 2015 waren bereits über 140 getötete Tiere zu beklagen.
Abschuss ist fachlich unsinnig und kontraproduktiv
Die „unblutige“ Behandlung von Konflikten mit dem Biber ist aber schon allein deshalb sinnvoll, weil diese Tiere territorial leben, also ihren Bestand selbst regeln: „Wenn man Biber aus einem – aus ihrer Sicht – geeigneten Lebensraum herausschießt und somit das Revier frei macht, wird es bald darauf von Jungtieren aus umliegenden Biberfamilien neu besiedelt werden“, erklärt Pichler.
Aufgrund ihrer Lebensweise gestalten Biber die Landschaft nach eigenem Ermessen und erfüllen dabei wichtige ökologische Funktionen. So sorgen sie etwa für Baumverjüngung oder schaffen Ansitzwarten für seltene Vögel. Naturgemäß können sie sich bei ihrer Tätigkeit nicht an menschlichen Grundstücksgrenzen orientieren. Damit der Biber seine Natur ausleben und der Natur seine Dienste erweisen kann, wäre es oft schon hilfreich, ihm Uferstreifen mit Bäumen und Gesträuch zu überlassen, und nicht jeden Quadratmeter Natur selbst zu beanspruchen. „Die friedliche Koexistenz mit dem Biber ist vor allem davon abhängig, wie viel Lebensraum wir bereit sind, ihm zuzugestehen“, so Pichler abschließend.
Rückfragehinweis:
Claudia Mohl, WWF-Pressesprecherin, Tel. 01/48817-250, E-Mail: claudia.mohl@wwf.at
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