Der Amazonas Europas
Letztes, wildes Fluss-Paradies an Mur, Drau und Donau

5 Länder, 3 Flüsse, 1 gemeinsames Schutzgebiet

Der „Amazonas Europas“ gehört zu den faszinierendsten, artenreichsten und ökologisch bedeutendsten Flusslandschaften unseres Kontinents. Er umfasst die drei Flüsse Mur-Drau-Donau und ihre Auen und verbindet insgesamt 5 Länder miteinander: Österreich, Slowenien, Ungarn, Kroatien und Serbien. 45 Jahre lang – bis 1989 – diente dieser grüne Gürtel im Kalten Krieg als Grenze des Eisernen Vorhangs und blieb vor Verbauung und Zerstörung durch den Menschen geschützt. Doch seit dem Fall des Eisernen Vorhangs bedrohen immer wieder geplante Wasserkraftprojekte oder Flussregulierungen die wilde Flusslandschaft. Biologe Arno Mohl gründete und leitet das Programm „Mur-Drau-Donau“ beim WWF Österreich und kämpft seit mittlerweile über 30 Jahren mit Erfolg für den Schutz des „Amazonas Europas“.

Enorme Artenvielfalt vor den Toren Österreichs

Nirgendwo sonst in Europa herrscht eine derartige Artenvielfalt wie an Mur, Drau, Donau und ihren Auen. Die Flusslandschaft ist reich an Lebensräumen, die andernorts längst verschwunden sind: Riesige Auwälder, Flussinseln, Schotter- und Sandbänke, Seiten- und Altarme beherbergen eine Vielzahl gefährdeter Arten. So brüten z.B. Seeadler und Schwarzstörche in den Auwäldern. Auf den Kies- und Sandbänken der Flüsse findet man Flussregenpfeifer, Triel und die extrem bedrohte Zwergseeschwalbe. Die natürlichen Uferabbrüche sind Lebensraum für die Uferschwalbe und den Bienenfresser und im Fluss selbst tummeln sich seltene Fischarten wie Sterlet, Wildkarpfen und Huchen. Zudem sind die Auen ein wichtiges Trinkwasserreservoir für die Region, gewähren effizienten Hochwasserschutz und haben als Erlebnis- und Erholungsraum für die Menschen große Bedeutung.

„Mur-Drau-Donau“, der erste 5-Länder-Biosphärenpark der Welt

Der WWF Österreich arbeitet seit den 1990er Jahren, gemeinsam mit EuroNatur und lokalen NGOs in den einzelnen Ländern, am Schutz und Erhalt dieser Flusslandschaft. Unser Ziel war die Etablierung des 5-Länder-Biosphärenparks „Mur-Drau-Donau“ – ein insgesamt rund eine Million Hektar großes Schutzgebiet, das die 13 lokalen Schutzgebiete aller 5 Länder entlang der Mur-Drau und Donau miteinander verbindet. Es ist das größte zusammenhängende Flussschutzgebiet in ganz Europa und das erste weltweit, das gemeinsam  von 5 Ländern gesichert und nachhaltig gemanagt wird. Im September 2021 wurde dieses Gebiet dann von der UNESCO als erster 5-Länder-Biosphärenpark anerkannt.

Geografische Verortung

Der „Amazonas Europas“ umfasst die Flüsse Mur, Drau sowie Donau und verbindet fünf Staaten: Österreich, Slowenien, Ungarn, Kroatien und Serbien

Z

Zahlen & Fakten

  • Größe des Gebiets: 1.000.000 ha
  • Europas größtes zusammenhängendes Flussschutzgebiet
  • Einzigartiges europäisches Friedensprojekt
  • Umfasst 13 Einzelschutzgebiete
  • 700 km lange Flussstrecke der Mur, Drau und Donau
  • Jahrhundertelang als Grenze funktionierend, 45 Jahre lang Teil des Eisernen Vorhangs, heute verbinden diese Flusstrecken als Lebensader die fünf Länder

Tierwelt

  • Der Seeadler: europaweit höchste Dichte an Brutpaaren mit rund 150 Paaren
  • Seltenste Vogelart: Zwergseeschwalbe mit rund 5 Brutpaaren
  • Heimat des fast ausgestorbenen Glattdicks (Donaustörs)
  • Schwarzstorch beheimatet urtümliche Auenwälder
  • Die Europäische Sumpfschildkröte bewohnt viele der Seiten- und Altarme und Sümpfe des Donau-Drau Zusammenflusses
  • Mehr als 250.000 Wasservögel nutzen Mur-Drau-Donau und ihre Auen jährlich als Rast- und Nahrungsplätze

Bedrohungen

Das bedroht Mur-Drau-Donau und ihre Auen

Bedrohung 1: Regulierung der Flüsse

Immer wieder werden natürliche Flussabschnitte reguliert, laufend gibt es Neuplanungen. Vordergründig einer verbesserten Schifffahrt bzw. dem Hochwasserschutz dienlich, sind diese – fachlich großteils nicht begründbaren – überholten Maßnahmen ausschließlich den Profitinteressen der Wasserbaulobbys geschuldet. Doch die Begradigung und Ausbaggerung in Kroatien, Ungarn und Serbien widersprechen sowohl den EU-Gesetzen als auch internationalen Umweltstandards. Die Umwandlung natürlicher Flüsse in einförmige Kanäle verursacht verheerende Umweltschäden: die Maßnahmen führen zur Eintiefung des Flussbettes und schneiden dadurch Feuchtgebiete und Auwälder von der Wasserzufuhr ab. Wichtige Flusslebensräume für bedrohte Tierarten werden zerstört. Die Uferschwalben-Population an der Drau schrumpfte von über 14.000 Brutpaaren im Jahr 2005 auf rund 7.000 im Jahr 2020.

UFERSCHWALBEN-BRUTPAARE IM JAHR 2005

UFERSCHWALBEN-BRUTPAARE IM JAHR 2020

Bedrohung 2: Sand- und Kiesentnahmen für Straßenbau

Obwohl sich die Regierungen für den strengen Schutz von Mur, Drau und Donau ausgesprochen haben, sind die Naturwerte dieser Flüsse noch nicht gesichert. Schotter- und Sandbaggerungen aus dem Flussbett bedrohen das ökologische Gleichgewicht, die Artenvielfalt und die Trinkwasserversorgung. Um die große Nachfrage nach Sand und Kies für Autobahn- und andere Infrastrukturentwicklungen zu befriedigen werden immer wieder Sand- und Kiesentnahmen aus den geschützten Auen, teilweise aus dem Flussbett, genehmigt. Auch die vielen Begradigungen und Flussuferverbauungen werden öfter mit Geschiebeentnahme verknüpft, was das Geschiebedefizit und die daraus folgende Flussbetteintiefung weiter verstärkt.

Schottergewinnung an der Drau/ © WWF/ Arno Mohl

Bedrohung 3: Wasserkraft

Bis heute werden immer wieder veraltete Pläne zum Wasserkraftausbau aus der Schublade geholt – sowohl an der österreichisch-slowenischen Mur, als auch an der Drau in Kroatien. Ein einzigartiges Ökosystem droht durch die sogenannte „grüne Energie“ für immer zerstört zu werden. Neue Wasserkraftwerke an diesen Flussabschnitten würden eine Unterbrechung der für Europa einzigartigen, freien Fließstrecke von Mur, Drau und Donau bedeuten. Sie wären ein Hindernis für wandernde Fischarten und würden eine weitere Eintiefung des Flussbetts flussab der Staumauer verursachen. Eine massive Verschärfung der Absenkung der Grundwasserspiegel wäre unabdingbar und die Austrocknung von Auwäldern und Augewässern die Folge. Letztendlich würden neue Wasserkraftwerke das Hochwasserrisiko flussabgelegener Gemeinden erhöhen.

 

Kraftwerkskette Drau-Mur Update April 2018

Lösung

So können wir Mur-Drau-Donau und ihre Auen schützen

Lösung 1: Umsetzung eines 5-Länder übergreifenden Schutzgebietes​

Im April 2020 reichten die 5 Länder die Nominierung des 5-Länder Biosphärenparks Mur-Drau-Donau bei der UNESCO ein (wurde im September 2021 offiziell anerkannt). Das Herzstück bilden die streng geschützten Auenlandschaften entlang der Flüsse, die aus einer Kette von 13 größeren lokalen Schutzgebieten bestehen. Der Biosphärenpark besteht aus 300.000 Hektar Kern- und Pufferzone, sowie 700.000 Hektar Übergangszone, die für nachhaltige Land- und Forstwirtschaft sowie sanften Tourismus vorgesehen ist. Im „5-Länder-Biosphärenpark“ leben und arbeiten rund 900.000 Menschen. Um die nachhaltige Entwicklung im Biosphärenpark voranzutreiben, werden auch erste grenzüberschreitende Schritte gesetzt, um nachhaltigen Tourismus zu etablieren, wie mit dem „Amazon of Europe“ Radweg – Amazon of Europe Bike Trail.

5-Länder Biosphärenpark Mur-Drau-Donau

Lösung 2: Weitere Zerstörung abwenden

Die Begradigung und Ausbaggerung natürlicher Flussabschnitte in Kroatien, Ungarn und Serbien widerspricht EU-Gesetzen, dem Biosphärenpark-Konzept und auch internationalen Umweltstandards. Um ein nachhaltiges Management zu gewährleisten und die natürlichen Reichtümer und Ressourcen der Region zu schützen, müssen diese gängigen Praktiken von Flussregulierungen und Kies- und Sandbaggerungen gestoppt werden. Die Umsetzung der geplanten Kraftwerke an der Mur in Slowenien und Drau in Kroatien würde dramatische Auswirkungen auf die einzigartige Flusslandschaft haben und den 5-Länder Biosphärenpark gefährden.

 

Kampagne für den Schutz der Flüsse/ © WWF

Lösung 3: Geschädigte Flussabschnitte revitalisieren

Im Sinne einer nachhaltigen Sicherung der Flusslandschaft und ihrer Artenvielfalt ist es notwendig, dass bereits geschädigte Flussabschnitte revitalisiert werden. Gemeinsam mit EuroNatur hat der WWF deshalb bereits 2009 eine Revitalisierungs-Vision für diesen Raum entworfen. Erste Revitalisierungsprojekte laufen bereits in allen 5 Ländern. Das Revitalisierungspotential ist enorm: 650 km Ufer können wieder renaturiert werden, 120 Seitenarme an die Flüsse wieder angebunden und 165.000 Hektar neue Auen wieder geschaffen werden.

 

Revitalisierung an der Drau/ © Goran Safarek

Gerade in Zeiten der Klimakrise und des Artensterbens ist der Schutz unserer letzten Naturgebiete eine Überlebensfrage geworden. Mit dem ‘5-Länder-Biosphärenpark’ beschreitet man neue Wege, die eine Abkehr von Naturausbeutung, beispielsweise durch zerstörerische Wasserkraftprojekte, hin zu einer nachhaltigen Form des Miteinanders von Mensch und Natur bedeuten.

Arno Mohl

Gründer und Leiter des Mur-Drau-Donau Programms, WWF Österreich

Projekte

So schützt der WWF Mur, Drau und Donau – eine Auswahl an Projekten

LIFE RESTORE für MDD

Das „LIFE RESTORE für MDD“ Projekt ist eine gemeinsame Initiative von 17 Partner:innen aus Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn und Serbien im UNESCO Fünf-Länder-Biosphärenpark Mur-Drau-Donau. Das von der Europäischen Union kofinanzierte Projekt startete am 1. Oktober 2023 und läuft bis 30. September 2028. Auf einer Fläche von 2.100 km² sind in den nächsten fünf Jahren an 29 Standorten Revitalisierungsmaßnahmen entlang der drei Flüsse geplant. In 17 Natura 2000-Gebieten werden Flussnebenarme wieder angebunden, Flussbetten aufgeweitet und Pappelplantagen in naturnahe Uferwälder umgewandelt. Öffentlichkeitsarbeit, Umweltbildung und ein kontinuierliches Monitoring begleiten die Renaturierungsmaßnahmen. Das vom WWF Österreich geleitete Projekt will dabei ein Beispiel dafür schaffen, wie mit großflächigen Renaturierungsinitiativen globalen Herausforderungen wie der Zerstörung von Lebensräumen, der Klimakrise und dem Rückgang der Artenvielfalt wirksam begegnet werden kann.

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Interreg Donau Projekt coop MDD

Der grenzüberschreitende Biosphärenpark Mur-Drau-Donau umfasst die beteiligten Länder Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn und Serbien. In allen fünf Ländern werden jeweils die Kern- und Pufferzonen durch bestehende Regionalparks, Nationalparks und Natura 2000 Gebiete geschützt. Der Herausforderung, dass der Schutz und die Erhaltung dieser einzigartigen Flusslandschaft in allen fünf Ländern koordiniert und harmonisiert erfolgen, nahm sich das Interreg Projekt coopMDD an: Um für das zukünftige Management des gemeinsamen Biosphärenparks vorbereitet zu sein, waren Schutzgebietsverwaltungen aus allen fünf Ländern Teil des coop MDD Teams. Eine gemeinsame Basis zu Flussmanagement, Waldbewirtschaftung, Landwirtschaft, Jagd, Fischerei und Tourismus wurde geschaffen. Die Zusammenarbeit ist von großer Bedeutung, denn die in den Augebieten und am Fluss lebenden Tiere und Pflanzen – und auch der Fluss selbst – halten sich nicht an Staatsgrenzen. Die Laufzeit des Projektes betrug 2,5 Jahre: Jänner 2017 bis Juni 2019.

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Interreg Donau Projekt lifelineMDD

Das Interreg Projekt lifelineMDD zielte auf die ökologische Verbesserung des Flusskorridors und den Aufbau von Kooperationsstrukturen für den künftigen Biosphärenpark ab. Ziel des Projekts war es, eine gemeinsame Wissensbasis zu schaffen und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Sektoren zu fördern. Basis dafür bildete das Projektteam, das aus einem Mix unterschiedlicher Organisationen, von Universitäten über Naturschutzorganisationen bis hin zu Behörden und Gemeinden aus allen fünf Ländern bestand. Damit wurde auch ein Grundgedanke des Biosphärenparks, Kompetenzen in den Bereichen Naturschutz, Forschung, und Bildung abzudecken, erfüllt. Gemeinsam wurde die Konnektivität und die Biodiversität innerhalb des MDD-Flusskorridors durch die Wiederherstellung der natürlichen Flussdynamik verbessert.

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DRAVA LIFE

Das Ziel des Projekts DRAVA LIFE, ist, bis Ende 2024 ursprüngliche und dynamische Flusshabitate zu verbessern, Augewässer zu schützen oder neue zu schaffen. Zu den Maßnahmen im 67.800 Hektar großen Projektgebiet zählen Seitenarmanbindungen, Rückbau von Uferverbauungen und Schutz von Steilufern, die auch maßgeblich zu nachhaltigem Hochwasserschutz beitragen. Großes Augenmerk gilt den Vögeln wie der extrem seltenen Zwergseeschwalbe oder der Uferschwalbe. Deren bedrohte Lebensräume, Schotterinseln und Steilufer, sollen künftig speziell in der Brutsaison nicht mehr gestört werden. Durch Landerwerb wollen wir eine der größten Uferschwalben-Brutkolonien an der Drau mit über 1000 Brutpaaren schützen. Außerdem soll fachübergreifendes Flussmanagement eingeführt und grenzüberschreitende Kooperation gefördert werden.

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Österreich-Patenschaft!

Gemeinsam können wir Österreichs artenreichste Lebensräume und ihre Bewohner schützen. Ihre Patenschaft macht den Unterschied.

Häufig gestellte Fragen zu Mur-Drau-Donau

Wieso nennt man die Flusslandschaft den “Amazonas” Europas?

Als 1991 das erste Mal die Flusslandschaft aus nächster Nähe sichtbar und erlebbar geworden ist, wurde klar, welche Naturschätze hier zu finden sind. Ein Blick auf den Mur-Drau Zusammenfluss an der Ungarisch-Kroatischen Grenze, oder den Drau-Donau Zusammenfluss an der Serbisch-Kroatischen Grenze reicht, um die Bezeichnung zu verstehen und den Vergleich als selbst-erklärend wahrzunehmen

Wieso ist ein Biosphärenpark der beste Weg um dieses Gebiet zu schützen?

Die ausgedehnten Fluss- und Aulandschaften sind nicht nur für den Erhalt der Artenvielfalt wichtig. Sie stellen auch seit jeher die Lebensgrundlage der Menschen vor Ort dar. Außerdem sichern natürliche Flüsse günstige Grundwasserbedingungen und erhöhen die Selbstreinigungskraft des Wassers – beides unabdingbare Voraussetzungen für sauberes Trinkwasser, gesunde Wälder und nachhaltige Landwirtschaft. Den Menschen dienen die Flüsse und Auen als natürlicher Hochwasserschutz sowie als attraktiver Ort für Freizeitaktivitäten wie Baden, Angeln und Kanufahren. Das Kulturerbe der Region zeugt von einer bewegten Vergangenheit, in der sich Menschen und Kulturen aus Ost und West begegneten. Biosphärenparks erfüllen drei wichtige Funktionen: Schutz, Bildung und Wirtschaftliche Entwicklung. Diese drei Funktionen versprechen dem lange Zeit vergessenen, ehemaligen Reichs- und Landesgrenzen Gebiet nicht nur eine Möglichkeit, die einzigartige Naturlandschaft zu schützen, sondern auch Möglichkeiten, der nachhaltigen Entwicklung die Tür zu öffnen.

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