Chor singt in Kunstaktion über hohen Bodenverbrauch in Österreich – WWF fordert Bodenschutz-Vertrag mit verbindlicher Obergrenze für Bodenverbrauch
Hände weg vom "Flussheiligtum" Tiroler Lech !

Innsbruck, am 19. Dezember 2008 – Als vehementer Gegner des geplanten Ausbaus des ÖBB-Kraftwerks Spullersee im Oberen Lechtal präsentierte die Arbeitsgemeinschaft Tiroler Lechtal heute in Innsbruck eine internationale Protestnote an EU-Kommissar Dimas, Bundespräsident Fischer und die Landeshauptleute von Tirol und Vorarlberg, Platter und Sausgruber. Die Unterzeichner, darunter namhafte Wissenschaftler und international tätige Naturschutzorganisationen, fordern einen sofortigen Stopp aller Kraftwerkspläne im gesamten Einzugsgebiet des Lech und einen dauerhaften und effizienten Schutz des letzten Wildflusssystems der Nordalpen.
Der von der ÖBB Bau AG geplante Ausbau des Wasserkraftwerks Spullersee wirkt sich negativ auf die beiden Natura 2000-Gebiete Tiroler Lech und Klostertaler Bergwälder (Vorarlberg) aus, kritisieren die Proponenten der Protestnote, darunter der Österreichische und Deutsche Alpenverein, die Tiroler Naturfreunde und der Naturschutzbund Tirol, sowie die Umweltorganisationen Greenpeace, Global 2000 und WWF. „In einem verordneten Schutzgebiet, in dem das Schutzgut das Flussökosystem selbst ist, darf der Wasserhaushalt nicht durch Kraftwerke verändert werden!“, so die Unterzeichner empört.
Neben dem Lech würden auch die europaweit bedeutenden Bergwälder des Vorarlberger Klostertales – wichtiger Lebensraum für Greifvögel und Eulen – durch die Kraftwerkserrichtung massiv beeinträchtigt. Gemäß den EU-Naturschutzrichtlinien ist in Natura 2000-Gebieten jegliche Verschlechterung ihrer Schutzgüter verboten.
Der Lech zählt zu Europas wertvollsten und urtümlichsten Flusssystemen und genießt wegen seines hohen ökologischen Wertes gleich dreifachen Schutz: Das Lechgebiet ist als Naturpark, Naturschutzgebiet und Natura 2000 – Gebiet ausgewiesen. „Ein solches Schutzgut von internationaler Bedeutung muss unantastbar sein!“, fordert Nicole Schreyer, Leiterin des WWF-Alpenprogramms. “Jeglicher zerstörerische Eingriff in das sensible Lechsystem wäre ein Tabubruch und ein verheerendes Signal für Österreichs Naturschutzpolitik“, so Schreyer weiter. „Gerade die umweltfreundliche Bahn sollte dafür Sorge tragen, dass nicht unsere letzten Naturjuwele unter die Räder kommen!“
Neben dem Präsidium des Österreichischen „Forum Wissenschaft und Umwelt“ sprechen sich auch deutsche Wissenschaftler gegen die neue Kraftwerksnutzung am Spullersee aus. So lehnt Prof. Dr. Norbert Müller, internationaler Wildflussexperte aus Erfurt, Eingriffe jeglicher Art am Lech und seinem Einzugsgebiet vehement ab: „Der Lech gehört zu den letzten Refugialökosystemen (Rückzugsgebieten) für die biologische Vielfalt der ehemals so häufigen Wildflusslandschaften in den Nordalpen. Wir brauchen Systeme wie den Lech auch als Anschauungsobjekte für die Herausforderungen der Zukunft, wenn es etwa um den Klimawandel und die Renaturierung der Alpenflüsse geht!”
Im Rahmen eines ambitionierten EU-LIFE-Projekts wurden bislang 7,8 Millionen Euro in groß angelegte Renaturierungsmaßnahmen und Artenschutzprogramme des Tiroler Lech investiert. „Es ist grotesk, den Lech unten im Tal um viel Geld zu sanieren, und oben an den Quellen zu zerstören!“, betont Schreyer vom WWF.
"Alle Flüsse und Bäche dieses Lechsystems sind wie die Finger einer Hand, die nur funktionsfähig ist, wenn alle Finger dran sind“, pflichtet Karlheinz Baumgartner, Pfarrer von Steeg am Lech, bei. „Die Lechtalerinnen und Lechtaler stemmen sich seit mehr als 10 Jahren mit aller Kraft gegen die Kraftwerksnutzung in unserem Tal. Es darf nicht den Begehrlichkeiten der Kraftwerkslobby geopfert werden!“
Der Musiker Toni Knittel alias "Bluatschink" hat im Einsatz für die schützenswerte Natur des Lechgebietes dem "Haschreck im Lechtl" sogar ein eigenes Lied gewidmet. Heute erklärte er: "Wenn wir uns im Lechtal vor einigen Jahren selbst auferlegt haben, auf alle Bauprojekte zu verzichten, die die Unversehrtheit des Fluss-Systems des Lech in Frage stellen, dann ist es geradezu ein Hohn, wenn die ÖBB jetzt diesen ‚letzten Wilden’ ausgerechnet an seinen Wurzeln kastrieren wollen!“
Die einzigartige Natur des Lechtales ist das größte Kapital der Region. Durch Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Naturpark Lech hat sich die gesamte Region in den vergangenen Jahren positiv entwickelt. Alle diese Anstrengungen würden durch Projekte wie das KW Spullersee mit einem Schlag in Frage gestellt, so die Gegner der ÖBB-Kraftwerkspläne.
Rückfragehinweis und Fotos:
Claudia Mohl, WWF-Pressesprecherin, Tel. 01/488 17 – 250.
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