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Neue WWF-Studie: Den Walen wird’s zu heiß
![Grauwal](https://www.wwf.at/wp-content/uploads/2021/06/501bc8c12318d.jpg)
Wien/Santiago de Chile, 19. 06. 2008 – Vor Beginn der 60. Tagung der Internationalen Walfangkommission IWC vom 23. bis 27. Juni in Santiago de Chile schlägt der WWF in einer neuen Studie Alarm: Der fortschreitende Klimawandel gefährdet viele ohnehin bereits bedrohte Walarten zusätzlich. Besonders betroffen sind wandernde Walarten der südlichen Erdhalbkugel, die in Kaltwasserregionen ihre wichtigsten Nahrungsquellen haben. „Die Wale in den südlichen Ozeanen trifft der Klimawandel genauso stark wie die Eisbären am Nordpol“, sagt WWF-Experte Georg Scattolin. „In 35 Jahren wird ihr Lebensraum um bis zu ein Drittel geschrumpft sein, und sie werden für weniger Futter immer weitere Strecken auf sich nehmen müssen.“ Selbst wenn alle anderen Bedrohungsfaktoren gestoppt würden, wird ein ungebremster Klimawandel viele Wale das Leben kosten.
Die WWF-Studie fasst Ergebnisse von Wissenschaftlern zusammen, wonach die prognostizierte Klimaerwärmung bis zum Jahre 2042 das Eis im Südpolarmeer um bis zu 30 Prozent verringern wird. „In kaum mehr als einer Wal-Generation wird sich der Lebensraum dramatisch verändern, etwa für den bedrohten Antarktischen Minkwal, der übrigens von Japan weiterhin bejagt wird“, erläutert Scattolin. „Die Tiere werden bis zu 500 Kilometer weiter Richtung Pol wandern müssen, um ihre wichtigen Krill-Nahrungsgebiete zu finden.“ Betroffen sind neben dem Minkwal die letzten eintausend Blauwale – die größten Tiere der Erde – und die gefährdeten Buckelwale, die sich gerade erst von der intensiven Jagd erholen, die im vergangenen Jahrhundert auf sie gemacht wurde.
Die großen Bartenwale ernähren sich hauptsächlich von Krill, kleinen Krebstieren, die sie aus dem Wasser filtern. Krill wiederum braucht nährstoffreiches, kaltes Wasser mit Meeresalgen und anderem Plankton – ohne sie stirbt der Krill, und die Lebensgrundlage für viele Wale, aber auch für Robben, Pinguine, Wasservögel und zahlreiche Fischarten bricht weg.
Der WWF fordert die IWC-Staaten auf, das Klima auch um der Wale willen mit entschlossenen Maßnahmen zu schützen. Außerdem müssten alle anderen Bedrohungen – Walfang, Beifang, Meeresverschmutzung und vieles mehr – bekämpft werden. „Eine bedrohte Art wie den Minkwal für vorgeschobene wissenschaftliche Zwecke zu jagen, wie Japan dies tut, ist skandalös. Wir brauchen keine von Menschenhand getöteten Wale, sondern Meeresschutzgebiete – darüber waren sich auf der UN-Naturschutzkonferenz vor wenigen Wochen in Bonn noch alle einig. Hoffen wir, dass sich die Staaten in Santiago de Chile daran noch erinnern."
Die 60. IWC-Tagung – die größten Probleme im Überblick:
„Wissenschaftlicher Walfang“: Die Grundlage der IWC ist eine Konvention aus dem Jahre 1946. In Artikel VIII wird den Mitgliedsstaaten der IWC das Recht eingeräumt, sich selbst die Erlaubnis auszustellen, Wale für „wissenschaftliche Zwecke“ zu töten. Dieser Anachronismus – inzwischen gibt es anerkannte und einfache Methoden, Wale wissenschaftlich zu untersuchen, ohne sie zu töten – wird derzeit von Japan genutzt, um hunderte Wale zu jagen und ihr Fleisch offen auf den Markt zu bringen. Island hat den wissenschaftlichen Walfang Ende 2007 für die aktuelle Fangsaison für beendet erklärt. Norwegen hat Einspruch gegen das Walfangverbot erhoben und jagt ebenfalls Wale. Alle drei Staaten setzen ihre Fangquoten selbst fest. Auch stark bedrohte Arten wie der Seiwal werden getötet. Japan geht sogar im antarktischen Walschutzgebiet auf Walfang. Zugleich geht der Konsum von Walfleisch immer weiter zurück. Zuletzt landete eine laut Japan unbestellte Lieferung aus Norwegen in staatlichen Kühlhallen, weil die Abnehmer fehlen. Die drei Walfangstaaten betrachten die Waljagd als unveräußerlichen Teil ihrer kulturellen Identität.
Die Lähmung der IWC: Seit Jahren wird auf IWC-Konferenzen nur noch um Mehrheiten geschachert: Überstimmen die Walfangbefürworter die Walschützer? Beide Seiten gehen dafür vor jeder IWC-Tagung auf Stimmenjagd und werben jeweils für Unterstützer. Japan hat bereits vor einigen Jahren öffentlich zugegeben, Entwicklungsländern Geld zu bieten, damit sie in die IWC eintreten und dort für Japans Vorschläge stimmen. Inzwischen haben beide Seiten einen nahezu identischen Stimmenanteil. Die inhaltliche Arbeit ist fast vollständig zum Erliegen gekommen. Klimawandel, Beifang, Meeresverschmutzung, Lärm, neue Wal-Schutzgebiete – all diese Themen sind in den vergangenen Jahren nicht systematisch angepackt worden. Im vergangenen Jahr hat die IWC beschlossen, nach neuen Wegen für die Konvention zu suchen. Der WWF ist für eine Reform der IWC – solange damit Wale und Delfine besser geschützt werden.
Bedrohungen für Wale und Delfine: Sollen die weltumspannenden Gefahren für Wale und Delfine auf der IWC verhandelt werden? Die Walfangnationen sagen nein, die Walschutzstaaten ja. Ein vor einiger Zeit eingesetztes Naturschutzkomitee kämpft auf jeder IWC-Tagung um das Überleben – regelmäßig bringen die Walfangnationen eine Resolution mit der Aufforderung ein, das Komitee abzuschaffen. Dabei brauchen Wale und Delfine internationalen Schutz so dringend wie nie. Alle anderthalb Minuten stirbt ein Wal. Allein in Fischernetzen ertrinken nach WWF-Schätzungen jedes Jahr etwa 300.000 Wale, Delfine und Tümmler, viele Tiere sterben außerdem bei Kollisionen mit Schiffen. Hinzu kommen Umweltgifte, die unter anderem das Immunsystem und die Fruchtbarkeit der Tiere schädigen, sowie die Gefahren, die mit dem Klimawandel verbunden sind.
Weitere Informationen:
MMag. Franko Petri, WWF-Pressesprecher, Tel. 01-48817-231.
Mag. Georg Scattolin, WWF-Meeresexperte, 01-48817-265.
Fotos erhalten Sie unter www.wwf.de/presse, Beta-Material unter www.panda.org/broadcast sowie bei Andreas Eistert, WWF-Bildredaktion, 0049-69-79 144 120. Umfangreiche Hintergrundinformationen zu Walen, zur IWC und die englischsprachige Studie finden Sie unter www.wwf.de/iwc bzw. unter www.wwf.de/presse. Interviewpartner während der IWC: ab Sonntag als deutschsprachiger WWF-Experte vor Ort in Santiago de Chile: WWF-Experte Dr. Carlos Drews, cdrews@wwfca.org.
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