Optimierung der Kraftwerksgruppe Kühtai könnte Zerstörung des Platzertals verhindern – Tiwag will Ötztaler Bevölkerung hinsichtlich Wasserableitungen täuschen
Umweltallianz präsentiert Kaunertal Erklärung 2022
Insgesamt 40 Umweltvereine und Stimmen aus der Wissenschaft fordern in einer gemeinsamen Erklärung den Stopp des Ausbaukraftwerks Kaunertal. Stattdessen müsse die Tiroler Landesregierung die letzten intakten Alpenflüsse schützen und eine konsequent naturverträgliche Energiewende umsetzen. „Dieses Großprojekt steht wie kein anderes für die völlig überzogene Ausbaupolitik der TIWAG. Wir brauchen eine naturverträgliche Energiewende statt weiterer Verbauung alpiner Naturräume“, mahnt Bettina Urbanek, Gewässerschutzexpertin des WWF Österreich. Für das Projekt plant die TIWAG bis zu 80 Prozent des Wassers aus dem Ötztal, einem der niederschlagsärmsten Täler Tirols, auszuleiten und im ökologisch einzigartigen Platzertal einen 120 Meter hohen Staudamm zu errichten und dahinter neun Fußballfelder Moorflächen zu fluten. „Das hätte verheerende Folgen für die hochsensible Naturlandschaft, würde wichtige Lebensräume zerstören und die Biodiversitätskrise befeuern.“
„Frei fließende Bäche und Flüsse zählen zu den wertvollsten Lebensräumen weltweit – auch in den Alpen. Dennoch werden diese letzten Wildflüsse verbaut und somit zu den Verlierern einer verfehlten Energiepolitik“, kritisiert Prof. Dr. Klement Tockner, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und fährt fort: „Wasserkraft ist zwar eine erneuerbare aber keinesfalls eine umweltfreundliche oder klimaneutrale Energiequelle. Durch den geplanten Ausbau des Kraftwerks Kaunertal würden vier bisher noch weitgehend intakte Alpenflüsse zu Rinnsalen degradiert.“ Das verändere den Wasserhaushalt einer ganzen Region – mit gravierenden Folgen für Natur und Mensch.
GLOBAL 2000 Geschäftsführerin Agnes Zauner fordert anstelle des Ausbaus eine naturverträgliche Energiewende: „Der jüngste Bericht des Weltklimarates hat eindrücklich gezeigt, dass wir die Klima- und Biodiversitätskrise nur mit Hilfe der Natur bewältigen können. Es geht jetzt darum, wertvolle Naturräume zu schützen und die Energiewende naturverträglich voranzutreiben.“ Dazu gehöre in Tirol ein Schwerpunkt auf Einsparung von Energie, den Photovoltaik-Ausbau und den Austausch von Öl- und Gas-Heizungen gegen Fernwärme, Wärmepumpen und Solarenergie. „Nur so kann Tirol unabhängig von Öl, Gas und Kohle werden.“
„Zusätzliche Speicher müssen unbedingt naturverträglich realisiert werden. Dass das möglich ist, zeigen andere Projekte. Sie funktionieren als geschlossene Systeme, benötigen keine neuen Naturflächen und verursachen keine zusätzliche Schwallbelastung in Flüssen“, ergänzt Bettina Urbanek vom WWF.
Naturgefahren durch Naturzerstörung
Das Kraftwerk Kaunertal zeige bereits in seiner derzeitigen Form das Ausmaß der Naturzerstörung und der Beeinflussung der Menschen im Kaunertal, schildert Anita Hofmann vom Verein Lebenswertes Kaunertal: „Das Kaunertal war früher das Tal der Wasserfälle. Doch seit dem Bau des Kraftwerks liegen unsere ehemaligen Almböden unter Wasser und die sprudelnden Seitenbäche sind versiegt. Wir können und wollen keine weitere Naturzerstörung zulassen.” Besorgt zeigte sich Hofmann auch beim Thema Naturgefahren: „Wir leben seit Jahren mit der Sorge vor einer Hangrutschung beim bereits bestehenden Gepatschstausee. Der Ausbau des Kraftwerks mit Pumpspeicherbetrieb würde dieses Risiko noch weiter erhöhen, da die Gefahr besteht, dass die umliegenden Hänge durch das ständige Fluten und Leeren stärker in Bewegung kommen.” Darüber hinaus drohe der Bau auch den für das Kaunertal so wichtigen, nachhaltigen Tourismus zu gefährden. „Der Ausbau bedeutet für uns massive Großbaustellen mit enormen Deponieflächen, die Naturräume zerstören. Hinzu kommen jahrelange Lärm- und Verkehrsbelastungen mit zahllosen LKW-Fahrten, die jeden Tag das Tal hinaufkeuchen sowie eine signifikante Verschlechterung der Luftqualität.”
Über die Kaunertal-Erklärung 2022
Die vom WWF Österreich initiierte Kaunertal Erklärung wird unterstützt von 30 Organisationen aus den Bereichen Umwelt-, Natur- und Klimaschutz, Fischerei und Wildwassersport. Darunter sind der Verein Lebenswertes Kaunertal, GLOBAL 2000, der Naturschutzbund, der Alpenverein, Fridays for Future Innsbruck, WET Tirol, das Österreichische Kuratorium für Fischerei und Gewässerschutz und zahlreiche weitere. Dazu kommen 10 Stimmen aus der Wissenschaft.
Bildmaterial zum Download finden Sie hier: https://wwf-bilder.px.media/share/1651072481zcgMvFNoQixDAX
Mehr Informationen unter: www.fluessevollerleben.at/kaunertal
Vollständige Auflistung der unterstützenden Organisationen (alphabetisch):
Organisationen
- ABA Austrian Biologist Association
- Alpenverein Österreich
- Austrian Youth Biodiversity Network
- Bayerische Einzelpaddler-Vereinigung e.V.
- Bayerischer Kanu Verband e.V.
- Birdlife Österreich
- BUND Naturschutz in Bayern e.V.
- EuroNatur Stiftung
- Forum Wissenschaft & Umwelt
- Free Rivers Fund
- Fridays for Future Innsbruck
- Generation Earth
- GLOBAL 2000
- LBV Landesbund für Vogelschutz Bayern
- Living European Rivers Initiative
- Naturfreunde Österreich
- Naturschutzbund Österreich
- ÖKF FishLife Österreichisches Kuratorium für Fischerei und Gewässerschutz
- Ökobüro – Allianz der Umweltbewegung
- Patagonia
- Riverwalk
- Riverwatch
- Save our Rivers
- The River Collective
- Umweltdachverband
- Verein Lebenswertes Kaunertal
- VÖAFV Verband der Österreichischen Arbeiter-Fischerei-Vereine
- WET – Wildwasser erhalten Tirol
- WWF European Policy Office, Brüssel
- WWF Österreich
Wissenschaftler*innen
- Franz Essl; Ao.Univ-Prof. Mag. Dr., Department für Botanik und Biodiversitätsforschung – Universität Wien
- Leopold Füreder; Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr., Institut für Ökologie – Universität Innsbruck
- Armin Landmann; Univ.-Doz. Mag. Dr., Institut für Zoologie – Universität Innsbruck
- Susanne Muhar; Ao.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr., Inst. für Hydrobiologie und Gewässermanagement – Universität für Bodenkultur
- Birgit Sattler, Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr., Institut für Ökologie – Universität Innsbruck
- Gabriel Singer; Univ.-Prof. Mag. Dr., Institut für Ökologie – Universität Innsbruck
- Klement Tockner; Prof. Dr., Goethe-Universität Frankfurt; Generaldirektor Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
- Roman Türk; Univ.-Prof. i.R. Dr., – Präsident Naturschutzbund Österreich
- Peter Weish; Univ.Doz. Dr., Institut für Zoologie – Universität für Bodenkultur
Steven Weiss; Ao.Univ.-Prof. Dr., Institut für Biologie – Karl-Franzens Universität Graz
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