Rechnungshof-Bericht zeigt große Defizite und massiven Handlungsbedarf – WWF fordert rasche Umsetzung aller Empfehlungen und Maßnahmen gegen Flächenfraß – Zuständiger Landesrat Achleitner gefordert
WWF-Bodenreport: Alle zehn Jahre wird die Fläche Wiens neu verbaut

Wien, am 9. Februar 2021. In einem neuen Report warnt die Umweltschutzorganisation WWF Österreich vor den Folgen der Verbauung und Versiegelung wertvollen Bodens. Mit dem aktuellen Bodenverbrauch von über 13 Hektar pro Tag werde alle zehn Jahre die Fläche Wiens neu verbaut, so die WWF-Prognose im Bericht. Demnach ist das Nachhaltigkeitsziel von maximal 2,5 Hektar Bodenverbrauch pro Tag bis 2010 seither um über 42.000 Hektar überschritten worden. Pro Minute gehen im Schnitt fast 100 Quadratmeter Boden verloren. „Die extreme Verbauung zerstört unsere Umwelt, beschleunigt die Klimakrise und belastet die Gesundheit der Menschen. Daher muss der Bundeskanzler noch heuer einen eigenen Bodenschutz-Gipfel auf höchster politischer Ebene einberufen, um dieses Problem zu lösen. Alles andere wäre geradezu fahrlässig“, sagt WWF-Programmleiterin Hanna Simons. „Die Coronakrise muss ein Weckruf sein. Wenn die Politik nicht gegensteuert, wird der Flächenfraß nach der Pandemie erst recht explodieren“, warnt Simons. Der WWF fordert im Zuge eines 15-Punkte-Plans einen Bodenschutzvertrag von Bund und Ländern, um den Flächenfraß bis 2030 auf maximal einen Hektar pro Tag zu reduzieren. Besonders wichtig sind die komplette Ökologisierung der Raumordnung und des Steuersystems sowie eine große Naturschutz-Offensive.
Fast ein Fünftel der bewohnbaren oder landwirtschaftlich geeigneten Fläche Österreichs ist bereits verbaut, schreibt der WWF im Boden-Report. Aus Naturschutz-Sicht seien zudem nur mehr rund sieben Prozent der Landesfläche als „sehr naturnah“ einzustufen. Auch die langfristigen Trends sind negativ: Während die Bevölkerung seit 2001 nur um 10,4 Prozent gewachsen ist, stieg die Flächen-Inanspruchnahme um 27 Prozent. Allein 2019 wurden über 4.800 Hektar Grünland verbaut, der Großteil für neue Verkehrsflächen sowie Bau- und Betriebsgebiete. „Die Zersiedelung steigt und hat hohe Folgekosten. Zugleich gibt es geschätzte 40.000 Hektar an ungenutztem Leerstand sowie Industriebrachen. Eine zentrale Datenbank zur Steuerung fehlt aber“, sagt WWF-Bodenschutzsprecherin Maria Schachinger.
Die großen Fachmärkte und Einkaufszentren haben sich in den vergangenen 20 Jahren von 112 auf über 260 erhöht und somit weit mehr als verdoppelt. Mit umgerechnet rund 1,6 Quadratmetern Einkaufsfläche pro Kopf liegt Österreich im EU-Spitzenfeld. „Die Raumplanung hat hier völlig versagt. Einkaufs- und Gewerbeparks auf der grünen Wiese bringen einer Minderheit Profit, während die Mehrheit mit der Zersiedelung und Verschandelung der Landschaft leben muss. Immer wieder geht dabei bestes Ackerland verloren“, kritisiert Maria Schachinger.
Bodenverbrauch verstärkt Artenverluste
„Der übermäßige Bodenverbrauch trägt maßgeblich zu den Arten- und Lebensraumverlusten bei“, berichtet WWF-Biodiversitätsexperte Bernhard Kohler. Rund ein Drittel der Tiere und Pflanzen gilt laut „Roter Liste“ als gefährdet, jede zehnte Art als vom Aussterben bedroht. Laut EU-Umweltagentur sind 83 Prozent der bewerteten Arten in einem mangelhaften bis schlechten Zustand, womit Österreich im EU-Vergleich nur auf dem vorletzten Platz liegt. „Bedroht sind nicht nur vertraute Arten und Lebensräume, wie der Feldhamster oder die feuchte Vergissmeinnicht-Wiese am Ortsrand. Der Flächenfraß hat Fernwirkungen, die bis in die hintersten Winkel unserer Landschaft reichen“, warnt Kohler.
Werden Böden verbaut und zugleich versiegelt, gehen auch alle biologischen Funktionen verloren, warnt der WWF-Bericht.„Unsere Ernährung hängt genauso von gesunden Böden ab wie unser Zugang zu Trinkwasser, zu sauberer Luft, zur Abkühlung im Sommer sowie dem Schutz vor Hochwasser und anderen Naturkatastrophen. Daher ist es höchste Zeit für ein grundlegendes Umsteuern“, fordert WWF-Experte Bernhard Kohler. „Eine intakte Natur ist nichts weniger als unsere Lebensversicherung. Gerade in Krisenzeiten sind intakte Ökosysteme von entscheidender Bedeutung, um die langfristige Resilienz Österreichs zu stärken.“
Der WWF (World Wide Fund for Nature) mobilisiert unter dem Motto „Natur statt Beton – Stoppt die Verbauung Österreichs!“ für umfassenden Bodenschutz. Die Petition kann online unterzeichnet werden:
www.natur-statt-beton.at/petition
Weitere Bilder und Grafiken zum Bodenreport sind hier abrufbar: https://file.wwf.at/d/d1bfbf7d10174df2b02a/
Rückfragehinweis:
Mag. Volker Hollenstein
Leitung Politik und Kommunikation WWF Österreich
volker.hollenstein@wwf.at
+43 664 501 31 58
Rückfragen
News
Aktuelle Beiträge
Fünf WWF-Tipps für umweltschonenden Christbaumkauf
Großteil der Österreicher:innen setzt auf echte Bäume zu Weihnachten – Naturschutzorganisation liefert Entscheidungshilfe für umweltschonende Baumwahl
WWF warnt vor Scheitern der COP28: Auslaufen fossiler Energien als Knackpunkt
Fossile Energien entscheiden über Erfolg und Misserfolg der Klimakonferenz – WWF fordert Verknüpfung mit Ausbau der Erneuerbaren – Fonds für Klimaschäden ist positiver Grundstein für mehr Klimagerechtigkeit
Weltbodentag: WWF kritisiert Ausreden und Schönfärberei der Politik
Bodenverbrauch in Österreich nach wie vor zu hoch, Versiegelung sogar schlimmer als bislang angenommen – Naturschutzorganisation fordert wirksame Maßnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden
WWF-Erfolg: Seltenes Sumatra-Nashorn geboren
In Indonesien gibt es Nachwuchs bei den extrem seltenen Sumatra-Nashörnern! Die Geburt des männlichen Kalbs ist ein wichtiger Erfolg der Sumatra-Nashorn Allianz, zu der auch der WWF gehört. Denn laut Schätzungen gibt es weltweit nur mehr 80 Tiere dieser Art.
WWF: Bodenversiegelung deutlich höher als angenommen
Neue offizielle Zahlen bestätigen hohen Bodenverbrauch in Österreich – Versiegelte Fläche ist sogar um über 20 Prozent höher als bisher berechnet – WWF fordert Bodenschutz-Paket
Stromanbieter-Check 2023: Jede fünfte Kilowattstunde Strom aus fossilen Energien
21 Prozent des österreichischen Stroms aus Gas und Kohle – Vier Atomstrom-Konzerne direkt am heimischen Strommarkt aktiv – Stromanbieterwechsel ist kinderleicht, kostenlos und geht schnell
Neue Erdgasförderung wäre klimapolitisches Harakiri-Projekt
Umweltschutzorganisation kritisiert „völlig falsche Weichenstellung“ in Oberösterreich und fordert eine naturverträgliche Energiewende – Fatales Signal im Vorfeld der Weltklimakonferenz
Kein Regenwald, kein Jaguar: WWF fordert Entwaldungs-Stopp im Amazonas
Tag des Jaguars am 29. November – WWF im Einsatz zum Schutz der Großkatzen durch Regenwaldschutz und Aufklärungsarbeit