Rekordtemperaturen und Plastikverschmutzung prägten den Sommer im Mittelmeer – Zahlreiche Tierarten unter Druck – WWF fordert Ausweitung von Meeresschutzgebieten
WWF-Flussreport: Massive globale Schäden durch wirtschaftlichen Scheuklappenblick
Wien, Stockholm, 28. August 2018. Gesunde Flüsse sind Lebensraum sowie direkte Lebensgrundlage für Milliarden Menschen. Zudem mildern sie die negativen Auswirkungen des Klimawandels ab. Die rücksichtslose Übernutzung von Flüssen hingegen trägt zum Verschwinden ganzer Regionen bei. Der Bericht „Valuing Rivers“, den der Umweltverband WWF zur dieswöchigen Weltwasserwoche im Stockholm veröffentlicht hat, warnt vor der einseitigen Bewertung von Flüssen als reine Energie- oder Wasserlieferanten und verweist auf die vielfältigen Aufgaben, die Flüsse für Mensch und Natur übernehmen. Auch in Österreich zeigt sich die Wichtigkeit von gesunden Flüssen und deren nachhaltiger Nutzung.
„Flüsse sind unsere Lebensadern. Ohne gesunde Flüsse hätten sich keine Zivilisationen entwickeln können. Es ist eine Ironie der Menschheitsgeschichte, dass es gerade die hohen zivilisatorischen Ansprüche sind, die unsere Lebensadern am stärksten gefährden – sei es in der Energiegewinnung, im Industriesektor oder in der Landwirtschaft“, so WWF-Flussexperte Gebhard Tschavoll. „Wir müssen die Art und Weise, wie wir unsere Flüsse bewerten und bewirtschaften, dringend ändern – sonst drohen katastrophale Folgen für Mensch und Natur."
Der neue WWF-Bericht „Valuing Rivers“ liefert eine umfassende Darstellung der globalen Flussfunktionen. Demnach sind weltweit zwei Milliarden Menschen für ihr Trinkwasser direkt auf Flüsse angewiesen. Ein Viertel der weltweiten Nahrungsmittelproduktion hängt von der Bewässerung durch Flüsse ab. Jedes Jahr werden mindestens zwölf Millionen Tonnen Süßwasserfische gefangen, die Millionen von Menschen Nahrung und Lebensunterhalt sichern. Eine halbe Milliarde Menschen leben in Fluss-Deltas, darunter die Bewohnerinnen und Bewohner von Megametropolen wie Shanghai, Kalkutta und Ho Chi Minh City. Ohne die stetige Versorgung mit Sedimenten drohen Flussdeltas im Meer zu versinken. Werden die Zubringerflüsse durch Dämme im Oberlauf verbaut, können sie das benötigte Material nicht in den Unterlauf transportieren. Das Resultat: Erosion und Landverlust im jeweiligen Delta.
Vernetzte Funktionen der Donau
„Auch in Österreich brauchen wir einen ganzheitlichen Blick auf die unterschiedlichen Flussfunktionen“, fordert WWF-Flussexperte Gebhard Tschavoll. „Was am Oberlauf von Flüssen passiert, hat Auswirkungen auf den Unterlauf. Bestes Beispiel ist die Donau: mit 18 Ländern Einzugsgebiet, der internationalste Fluss der Welt. Entsprechend vielfältig sind die Nutzungsinteressen.“ Während die energiewirtschaftliche Nutzung der Donau hoch ist, so spielt sie als Nahrungsquelle – besonders für Staaten am Oberlauf – kaum mehr eine Rolle. Etliche Kraftwerke nutzen den Fluss als Stromlieferant, stellen jedoch neben anderen Faktoren wie Verschmutzung und Überfischung für die Fischbestände eine große Belastung dar. Durch die vielen Staumauern werden auch Sand und Sedimente aufgehalten, was zur Verstärkung der Erosionskräfte im Unterlauf und vor allem im Donaudelta führt. Dem entgegen arbeitet der WWF seit Jahren mit seinem Programm zum Schutz des Donaustörs, aber auch mit Projekten zur Renaturierung degradierter landwirtschaftlicher Flächen im Delta.
Ein weiteres Problem an der starken Flussverbauung ist das gestiegene Gefahrenpotenzial im Hochwasserfall. In Österreich leben mehr als 3,7 Millionen Menschen in unmittelbarer Nähe von Flüssen. Durch Begradigungen wurde den Flüssen viel Platz weggenommen, was bei Hochwassern zu einer extremen Beschleunigung der Wassermassen führt. Während eine Hochwasserwelle an der Donau 1954 von Passau bis Hainburg noch 115 Stunden brauchte, so waren es beim Katastrophenhochwasser 2013 nur mehr 65 Stunden. Intakte Flusssysteme mit Überschwemmungsflächen in natürlichen Auen und Seitenarmen mindern das Hochwasserrisiko. Der WWF identifiziert in seinem Flussentwicklungsplan insgesamt 40 Flussstrecken in ganz Österreich, wo ökologischer Hochwasserschutz und die Wiederherstellung heimischer Flusslandschaften Hand in Hand gehen. Moderate Flussaufweitungen reduzieren die Erosionskraft der Flüsse. Zugleich entsteht neuer Lebensraum für selten gewordene Arten, wie Flussuferläufer, Ufertamariske oder Äsche.
Auf europäischer Ebene sind die Schutzstandards in der EU-Wasserrahmenrichtlinie verankert. Diese Grundlage des Gewässerschutzes gilt weltweit als Positiv-Beispiel für die langfristige Sicherung der Wasserressourcen. Die effektive Umsetzung der Richtlinie ist jedoch mangelhaft: Nach einer Untersuchung der EU-Umweltagentur aus dem Juli 2018 befinden sich nur mehr zirka 15 Prozent von Österreichs Flüssen in einem „sehr guten ökologischen“ Zustand. Der WWF fordert daher einerseits eine effektive Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie sowie andererseits eine umfassende Neubewertung von Flüssen unter Mitberücksichtigung aller ökologischen und sozialen Flussunktionen – und nicht nur des Energiepotenzials.
Download: WWF-Report: Valuing Rivers
Rückfragehinweis:
Vincent Sufiyan: WWF-Pressesprecher, Tel. 0676/83 488 308, E-Mail: vincent.sufiyan@wwf.at
Gebhard Tschavoll: WWF-Gewässerexperte, Tel. +43(0)512 573534 – 303, E-Mail: gebhard.tschavoll@wwf.at
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