100.000 Unterschriften für Projektstopp gesammelt – Über 35 Bürgerinitiativen, Vereine und Naturschutzorganisationen fordern Absage des Planungsfossils im Kaunertal
WWF und ÖKOBÜRO: Gewässerschutz und Energieziele in Tirol sind kein Widerspruch

Presseaussendung WWF und ÖKOBÜRO
Wien, am 11. Dezember 2015 – Wer hat das Vorrecht an den Flüssen und Bächen des Ötztales, des Stubaitales und des Inns? Nicht die Gemeinden, Grundbesitzer, der Tourismus, der Naturschutz oder Freizeitsportler, sondern Energiekonzerne wie die Tiroler Wasserkraft AG. Ein von der TIWAG – missbräuchlich unter dem Deckmantel des Gewässerschutzes – eingereichter Wasserrahmenplan erleichtert ihr die Errichtung mehrerer Großkraftwerke in ökologisch hoch sensiblen Gebieten mit entsprechenden Umweltschäden. Der WWF und ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung übermittelten nun – stellvertretend für 13 Partnerorganisationen – am 10. Dezember einen eigenen, deutlich schutzorientieren Rahmenplan „Unser Inn“ an Umweltminister Andrä Rupprechter. Er soll die Tiroler Flüsse im Einzugsgebiet des Inns vor einem übermäßigen Zugriff der Wasserkraft bewahren und weist 1.100 Flusskilometer als Tabu-Strecken aus. Dennoch können die Zielvorgaben Tirols für den Wasserkraftausbau erreicht werden. „Unser Plan zeigt, dass es möglich ist, die Energieziele zu erreichen, ohne dass Tirol alle Naturjuwele zubetonieren muss“, erklärt Bettina Urbanek, Wasserexpertin des WWF.
Die Umweltorganisationen stützen sich dabei auf Paragraph 53 des Österreichischen Wasserrechtsgesetzes. Demnach müssen Wasserrahmenpläne vor allem auf den Schutz und die Sanierung von Gewässern abzielen.
Wie „gesund“ sind die Tiroler Flüsse?
Als Basis des Gewässerschutzplans wurden vom Institut für Hydrobiologie der Universität für Bodenkultur alle größeren Wasserkörper im Einzugsgebiet des Tiroler Inn – insgesamt 2.400 Flusskilometer – auf ihren Zustand untersucht, wobei nach den Schutzkriterien des Umweltministeriums vorgegangen wurde. Dazu zählen etwa der ökologische Zustand, die natürliche Hydromorphologie, die Lage in Schutzgebieten, oder ob die Flussstrecken von bedeutenden Auwäldern gesäumt sind.
Mehr als tausend Kilometer wertvolle Flüsse: Ausschlussstrecken in den Oberläufen
Auf insgesamt 46 Prozent oder rund 1.100 Flusskilometer trifft dies zu: Solche Flussstrecken gehören im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie unter rechtlichen Schutz gestellt, damit ihr ökologischer Zustand dauerhaft gesichert bleibt beziehungsweise – wo notwendig und möglich – weiter verbessert werden kann. In diesem Sinne definiert auch der Gewässerschutzplan „Unser Inn“ sie als Ausschlussstrecken für den weiteren Ausbau der Wasserkraft. Tirol hat als eines von wenigen Ländern noch viele europaweit bedeutende alpine Flussjuwele. Ein Großteil der Ausschluss – Strecken befindet sich in den Oberläufen der Fließgewässer. So haben ein großer Teil des Einzugsgebiets der Ötztaler Ache, vor allem des hinteren Ötztals sowie das Gewässersystem der Brandenberger Ache eine hohe ökologische Schutzwürdigkeit.
Energieziele auch ohne Problemkraftwerke Kaunertal und Kühtai erreichbar
Mit den aktuell in Tirol geplanten Wasserkraftwerken, die nicht in den ökologisch wertvollsten, ausgewiesenen Strecken liegen, können grundsätzlich die Zielvorgaben Tirols für den Wasserkraftausbau erreicht werden: Sowohl das Regelarbeitsvermögen aus Wasserkraft von 1,1 TWh/a bis 2020, als auch das Ziel für 2050 von einem Gesamt-Regelarbeitsvermögen von 8 TWh/a aus Wasserkraft können erfüllt werden. Doch auch diese Projekte wie beispielsweise Kraftwerk Rotholz, Imst II und Imst-Haiming müssen einer strengen Einzelfallprüfung und UVP unterzogen werden.
Modell für fachliche Beteiligung von NGOs
Doch gerade dieser §53 WRG könnte in Kürze einer Verwaltungsreform zum Opfer fallen. „Damit soll wohl versucht werden, Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen von Prozessen auf Bundesebene, in denen die Weichen für umstrittene Projekte gestellt werden, auszuschließen. Anstatt diesen Paragrafen ausgerechnet dann, wenn er erstmals richtig angewendet werden kann, einfach abzuschaffen, sollte er auch bei anderen wichtigen Umweltgesetzen eingeführt werden“, fordert Thomas Alge von ÖKOBÜRO abschließend.
Der Gewässerschutzplan „Unser Inn“ wird von folgenden Organisationen getragen:
WWF Österreich, Greenpeace, GLOBAL 2000, ÖKOBÜRO, Österreichischer Fischereiverband, Tiroler Fischereiverband, Österreichisches Kuratorium für Fischerei und Gewässerschutz, kajak.at, Lebenswertes Kaunertal, Forum Wissenschaft und Umwelt, Naturschutzbund Österreich, WET – Wildwasser erhalten Tirol und Tiroler Raftingverband.
Rückfragehinweis:
Claudia Mohl, WWF-Pressesprecherin, Tel. 01/48817-250, E-Mail: claudia.mohl@wwf.at
Bettina Urbanek, WWF-Wasserexpertin, Tel. 01/48817-275, E-Mail: bettina.urbanek@wwf.at
Rückfragen
News
Aktuelle Beiträge
100.000 Unterschriften gegen den Ausbau Kraftwerk Kaunertal!
Ein Meilenstein für den Natur- und Umweltschutz: Wir haben 100.000 Unterschriften gegen den Ausbau des Kraftwerks Kaunertal gesammelt.
WWF fordert Rettungspaket für Untere Lobau im Wiener Regierungsprogramm
Untere Lobau massiv von Austrocknung bedroht – WWF fordert Wasserzuleitung und Renaturierung zur Rettung des Naturjuwels
WWF: EU-Renaturierungsverordnung “zügig und ambitioniert” umsetzen
Naturschutzorganisation anlässlich Bund-Länder-Gipfel in Niederösterreich: Renaturierung konstruktiv vorantreiben und finanzieren, Schutzgebiete stärken und ausbauen
Gemeinsamer Appell: Einzelhandel und WWF fordern Maßnahmen für pflanzenreiche Ernährung
Umfassendes Maßnahmenpaket zur Förderung pflanzenbasierter Ernährung gefordert – Bundesregierung soll mehr Fairness im Steuersystem schaffen und neue Ernährungsstrategie erarbeiten
WWF-Erfolg: Kleine Tiger-Familie in Thailands Wäldern gesichtet
Drei Tigerjungen wurde in der Dawna Tenasserim-Landschaft gesichtet – ein weiteres Zeichen dafür, dass die jahrzehntelangen Schutzbemühungen erfolgreich sind!
Budgetrede: WWF kritisiert fehlenden Abbau umweltschädlicher Subventionen
Umweltschutzorganisation vermisst strukturelle Reformen, kritisiert massive Kürzungen im Klima- und Umweltschutz und fordert stärkere Dotierung des Naturschutzes
WWF alarmiert: Lebensraum der Asiatischen Elefanten fast komplett zerstört
Naturzerstörung und Wilderei gefährden Asiatische Elefanten zunehmend – Umweltschutzorganisation WWF sieht “ökologische Katastrophe”
Good News: Fast 400 Schneeleoparden leben in Nepal
397 Schneeleoparden streifen durch Nepals Berge – das sind mehr als gedacht. Neue Daten aus einer aktuellen Schätzung machen Hoffnung für den Schutz der scheuen Großkatze.