Zehn Jahre nach Paris muss Politik endlich liefern – Weltweiter Kraftakt notwendig, um 1,5-Grad-Ziel doch noch zu schaffen
WWF: Nein zur Jagd auf Österreichs seltenstes Säugetier, Rückkehr zur Sachlichkeit
Wien, am 16. Mai 2019 – Vor nicht einmal zwei Wochen ging die Weltartenschutz-Konferenz in Paris mit einer Warnung vor dem drastischen Schwund von immer mehr Tier- und Pflanzenarten zu Ende. In Österreich scheint sich diese Erkenntnis noch nicht durchgesetzt zu haben. Das zeigt die Debatte in der Sitzung des Nationalrats von gestern, Donnerstag. Einmal mehr stand dabei die Forderung nach „wolfsfreien Zonen“ und nach einer Demontage des EU-Artenschutzes im Fokus. „Mit gerade einmal 30 Tieren ist der Wolf in Österreich noch immer massiv vom Aussterben bedroht“, unterstreicht Christian Pichler vom WWF. „Angesichts der dramatischen Situation der Arten ist es unverantwortlich, wie der Artenschutz von manchen Politikern mit Füßen getreten wird.“
Der WWF Österreich kritisiert, dass in der emotional geführten Debatte biologische Fakten schlichtweg ignoriert und vermeintliche Lösungsansätze in den Raum gestellt werden, die in der Praxis nachweislich nicht durchführbar oder sogar kontraproduktiv sind.
So ist es fachlich und rechtlich unmöglich, angesichts tausender weitwandernder Wölfe in Europa ein Bundesland in Österreich wolfsfrei zu halten. Dazu müssten sämtliche Wölfe im Alpenraum systematisch getötet werden. Dagegen sprechen sich nicht nur Naturschutzorganisationen wie der WWF vehement aus, sondern dies würde auch dem vorliegenden Stimmungsbild der Österreichischen Bevölkerung widersprechen. „Es ist schwer vorstellbar, dass es in einem der reichsten Länder der Welt tatsächlich mehrheitsfähig sein kann, geschützte Arten ein zweites Mal ausrotten zu wollen.
Für den Rückgang der Almwirtschaft in Österreich ist nicht der Wolf verantwortlich, wie aktuelle Studien beweisen. Die Ursachen liegen vielmehr in betriebs- und förderstrukturellen Rahmenbedingungen, gefolgt vom zu großen Almauftriebsaufwand und der Möglichkeit, Flächen im Tal zu pachten. Nutztiere machen bis zu ein Prozent der Wolfsnahrung aus, wenn beispielsweise Schafe ungeschützt auf der Weide stehen. „Wölfe können nur dann zwischen ‚erlaubter‘ und ‚verbotener‘ Beute unterscheiden, wenn ihnen mittels Herdenschutz beigebracht wird, dass sie Nutztiere nur mit hohem Aufwand erbeuten können. Ihre natürliche Nahrung setzt sich zu 99 Prozent aus Wildtieren wie Hirschen, Rehen und Wildschweinen zusammen, die in Österreich mehr als in allen Nachbarstaaten vorhanden sind“, stellt Pichler klar.
Jedes Jahr verenden in Österreich tausende Schafe durch Blitzschlag, Unwetter oder weil Herden ungenügend betreut werden und verletzte oder kranke Tiere zu spät bemerkt werden. „Der Verlust von jährlich 10.000 Schafen wird von der Landwirtschaft als ‚natürliches Risiko‘ angesehen. Gehen einige Verluste auf das Konto des Wolfes, wird das große Bauernsterben prophezeit“, so Pichler. Aus Sicht des WWF wären viele dieser Verluste zu verhindern, wenn Herdenschutz angemessen gefördert und fachgerecht angewendet werden würde. Österreich ist einer der letzten Länder Europas, in das der Wolf wieder von selbst einwandert, sodass es dazu genügend positive Erfahrungswerte der Nachbarstaaten gibt.
Ignoriert wird in der aktuellen Debatte außerdem die Tatsache, dass einzelne Wölfe bereits jetzt entnommen werden dürfen, wenn der begründete Verdacht auf eine Gefährdung der menschlichen Sicherheit besteht und keine andere Lösung zum Ziel führt. Das garantieren bestehende nationale Gesetze im Einklang mit den EU-Naturschutzrichtlinien. Wölfe sind keine Kuscheltiere, aber auch keine wilden Bestien. Bei ein paar tausend Wölfen in Mitteleuropa gibt es keinen einzigen dokumentierten Fall, in dem ein Mensch von einem gesunden, wildlebenden Wolf angegriffen wurde.
Der Abschuss von Wölfen zum Schutz von Nutztierherden hat sich im internationalen Versuch als kontraproduktiv erwiesen. Werden erfahrene Wölfe getötet, wird die ausgeprägte soziale Struktur in Wolfsfamilien zerstört. In Folge ändern Wölfe ihr Jagdverhalten: Unerfahrene Jungtiere weichen eher auf leicht zu erbeutende Tiere wie ungeschützte Schafe aus.
Wölfe sind als heimische Wildtiere Bestandteil unserer natürlichen Ökosysteme und haben dort ihre Funktion. So hilft der Wolf, den Wildbestand gesund zu halten, da er vor allem kranke und schwache Tiere selektiert. Außerdem profitieren andere seltene Arten wie der Seeadler von den Nahrungsresten, die Wölfe übriglassen.
70 Prozent der österreichischen Wirbeltierarten sind in den letzten 30 Jahren im Durchschnitt verschwunden, die Ökosysteme zum Teil schwer beschädigt. Soll der Nachwelt ein lebenswerter Planet hinterlassen werden, braucht es neue Denkmuster weg von Wachstum um jeden Preis, und hin zu zukunftsfähigem Wirtschaften.
Das von der EU geförderte Projekt LIFE EuroLargeCarnivores setzt sich dafür ein, die gemeinsamen Lebensräume von Wildtieren und Menschen unter Berücksichtigung aller Interessen zu gestalten.
Rückfragehinweis:
Claudia Mohl
WWF-Pressesprecherin
Tel. 01/48817-250
E-Mail: claudia.mohl@wwf.at
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