Abbau umweltschädlicher Subventionen überfällig – Neue Privilegien sabotieren Klimaziele
Naturschutz in Österreich wird kaputt gespart

Wien, am 19. Juni 2007 – Das österreichische Agrarumweltprogramm ÖPUL steht – zumindest auf dem Papier – für eine „umweltgerechte und den natürlichen Lebensraum schützende Landwirtschaft“. Eine der wichtigsten Maßnahmen, für die Landwirte ÖPUL-Förderungen erhalten, ist die Pflege von Flächen, die dem Naturschutz dienen – wie Feuchtwiesen, artenreiche Trockenrasen und Brachen oder die Anlage von Hecken. Die Bauern leisten dadurch einen wichtigen Beitrag für den Erhalt gefährdeter Arten und Lebensräume von österreichischer und europäischer Bedeutung, wie es die EU-Naturschutzrichtlinien erfordern. Ab sofort erteilt der Bund jedoch ausgerechnet jenen Aktivitäten, die der Verbesserung der Landschaft dienen, eine finanzielle Absage. „Der Einsatz engagierter Landwirte wird im so genannten Umweltmusterland nicht gefördert, sondern bestraft“, ist Johannes Frühauf von BirdLife empört.
Naturschutz durch Bauern nicht erwünscht
Besonders dramatisch ist die Situation in Niederösterreich und der Steiermark. Hunderten Betrieben, die in den letzten Jahren wichtige Partner im Naturschutz waren, werden Pflegeverträge nicht verlängert. „Die Bäuerinnen und Bauern sind bitter enttäuscht und sehen das als schweren Vertrauensbruch an“, so Margit Gross vom Naturschutzbund NÖ. Landwirt Gerd Treitler aus Hitzendorf in der Steiermark hatte mit einer Gruppe Gleichgesinnter eine Initiative ins Leben gerufen, um gefährdete Arten zu fördern: Späte Mähtermine sollen Vogelnestern wie z. B. jenen des vom Aussterben bedrohten Wachtelkönigs ein sicheres Versteck bieten; auch für Rebhuhn oder Feldhase sind Hecken und naturnahe Wiesen mit blühenden Blumen ein unersetzlicher Lebensraum. Für Landwirte bedeuten solche Maßnahmen freilich Einkommenseinbußen, die bisher im Umweltprogramm abgegolten wurden. „Wir stehen nun vor einem Scherbenhaufen und wissen nicht mehr, wie es weiter gehen soll“, so Treitler verzweifelt über den Stopp der Fördergelder.
"Gießkannenprinzip" schadet innovativen Projekten
Positive Impulse für die Regionalentwicklung bleiben durch diese Einsparungen im Vertragsnaturschutz auf der Strecke. „Hunderte Millionen Euro werden sinnlos ausgegeben, aber nichts in die Umwelt investiert“, kritisiert Bernhard Kohler vom WWF. Statt das Geld für innovative Projekte zu nutzen, wird es ohne Lenkung und klares Konzept nach dem Gießkannenprinzip verteilt, so die NGOs. Paradoxer Weise erbringen gerade die ÖPUL-geförderten Maßnahmen mit dem größten Budget- und Flächenanteil kaum Umweltleistungen, wie Evaluierungen mehrfach zeigten. „Die Deckelung der Naturschutzmittel bedeutet, dass in Österreich gerade die besonders effizienten Naturschutzmaßnahmen eingespart werden müssen“, ärgert sich Frühauf.
EU droht mit Strafzahlungen
Auch der Europäischen Kommission ist die schwache Leistung des ÖPUL ein Dorn im Auge: Sie wird die Genehmigung und Kofinanzierung des Umweltprogramms im Herbst nur erteilen, wenn deutliche Nachbesserungen erfolgen. Der Naturschutz-Sparkurs könnte das in Sachen Natura 2000 erst jüngst vom Europäischen Gerichtshof verurteilte „Umwelt-Musterland“ teuer zu stehen kommen. Den Steuerzahlern drohen Strafzahlungen von bis zu 150.000 € pro Tag, wenn kein „günstiger Erhaltungszustand“ für gefährdete Lebensräume und Arten erreicht wird, was jedoch ohne Unterstützung der LandwirtInnen nicht möglich ist.
Die Naturschutz-Organisationen appellieren deshalb zum wiederholten Mal an Minister Pröll, die Kontingentierung der Naturschutzmaßnahmen aufzulassen. Betriebe, die im öffentlichen Interesse wertvolle Flächen sichern oder entwickeln wollen, seien besonders zu unterstützen, so die NGOs.
Weitere Informationen:
Claudia Mohl, WWF Österreich, 01/48817-250
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