WWF erkämpft Akteneinsicht in Landes-Gutachten und belegt unvollständige Tiwag-Unterlagen – Sachverständige sehen offene Gefahren – WWF fordert Stopp des UVP-Verfahrens
WWF und Umweltverbände nach EuGH-Urteil zur Schwarzen Sulm:
Presseaussendung
Luxemburg, Wien, am 4. Mai 2016 – Heute hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) über eine Klage der EU-Kommission gegen die Bewilligung des umstrittenen Wasserkraftwerks an der Schwarzen Sulm entschieden. „Das Ergebnis liegt vor, allerdings noch nicht der Volltext des Urteils. Wir rechnen mit einer Ablehnung aus formalrechtlichen Gründen, wie das die Generalanwältin vorgeschlagen hatte. Das würde bedeuten, dass das Urteil keine unmittelbaren Auswirkungen auf die in Österreich anhängigen Verfahren gegen das Kraftwerk hat. Es bedeutet auch nicht, dass das Kraftwerk dem Europarecht entspricht.
„Entscheidend werden jetzt nämlich die nächsten Schritte im österreichischen Recht sein. Der Ball liegt nun bei Bundesminister Rupprechter – und dem Verwaltungsgerichtshof“, kommentiert WWF-Flussexpertin Bettina Urbanek das EuGH-Urteil. Bis zuletzt hatten die Vertreter des WWF und der großen Österreichischen Umweltverbände gehofft, dass sich beim EuGH inhaltliche und sachliche Argumente gegen eine rein formaljuristische Sicht des Falles durchsetzen würden.
„Man kann die ganze rechtliche Geschichte dieses Streitfalles nur als hochgradigen ‚juristischen Unfall‘ bezeichnen, da die Schwarze Sulm eine der letzten freien Fließstrecken in Österreich mit sehr guter ökologischer Qualität ist“, so Urbanek weiter. Nur noch 15 Prozent aller Fließgewässer in Österreich befinden sich in einem solchen Zustand. Bauliche Eingriffe sind daher aus Urbaneks Sicht nicht gerechtfertigt.
Auch für die Experten des ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung ist diese Entscheidung fachlich unverständlich. Thomas Alge, Geschäftsführer und Umweltjurist von ÖKOBÜRO ist überzeugt, dass alle Fakten für eine klare Verletzung europäischer und nationaler Bestimmungen sprechen. „Wasser ist eine der wichtigsten Ressourcen der Zukunft. Daher dürfen Projekte, die die Gewässerqualität verschlechtern, nur in begründeten Ausnahmefällen durchgeführt werden, wenn nämlich ‚übergeordnetes öffentliches Interesse‘ vorliegt. Eben dies war aber nicht Gegenstand des EuGH-Verfahrens“, so Alge. Ein übergeordnetes öffentliches Interesse liegt jedoch nicht vor, vor allem wegen des geringen Beitrags des Kleinkraftwerks zur Sicherung der Energieversorgung, befanden sowohl die EU-Kommission als auch das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Sie beriefen 2007 bzw. 2009 gegen die anderslautende Bewertung der Steirischen Landesregierung.
Daraufhin ließ im Jahr 2013 der damalige Landeshauptmann Voves kurzerhand den betreffenden, ökologisch „sehr guten“ Flussabschnitt herabstufen und deklarierte ihn als „gut“, um das Kraftwerk doch noch durchzuboxen. „Ein unglaublicher Skandal, dass das überhaupt möglich ist!“, so Urbanek vom WWF empört. „Leider wurde diese Trickserei trotz heftiger Kritik und einer Amtsbeschwerde des damaligen Umweltministers Berlakovich gegen Voves im heutigen Urteil des EuGH voraussichtlich aus formalrechtlichen Gründen nicht behandelt, weil es nicht Gegenstand des Verfahrens war.“
Daher ist nun wieder Österreich am Zug:
Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet über die ungerechtfertigte Herabstufung des ökologischen Zustandes.
An der Schwarzen Sulm hat die Natur Vorrang, darin sind sich neben dem WWF alle großen Umweltorganisationen, darunter auch GLOBAL 2000 und Greenpeace einig. Sie appellieren an Umweltminister Andrä Rupprechter, der sich selbst als „Flussschützer der ersten Stunde“ bezeichnet, seinem Ruf gerecht zu werden: Er solle sich wie bisher und vehement für den endgültigen Schutz und Erhalt der Schwarzen Sulm und gegen eine Bewilligung eines Projektes aussprechen, das schon so viel böses Blut erzeugt hat. „Wir werden einer Zerstörung der Schwarzen Sulm sicherlich nicht tatenlos zusehen“, kündigen die NGOs und die Aktivisten vor Ort ihren ungebrochenen Widerstand an.
Seit mehr als zehn Jahren beschäftigt das geplante Kleinkraftwerk an der Schwarzen Sulm Umweltschützer, lokale Aktivisten, Juristen, die Bundes- und Landespolitik, die EU-Kommission und die Gerichte bis hin zum EuGH. Die vom Wasserkraftwerk betroffene Schluchtstrecke ist von seltenen Au- und Hangschluchtwäldern gesäumt und beherbergt gefährdete Arte wie Steinkrebs, Wasseramsel und Fischotter; sie ist daher auch als Natura 2000 – Europaschutzgebiet ausgewiesen. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie und die entsprechenden nationalen Gesetze verbieten Eingriffe, die eine Verschlechterung der Ökologie bewirken. Dennoch wurde das Kraftwerk 2007 vom Land Steiermark bewilligt und stellt seither einen – in der Österreichischen Naturschutzgeschichte bislang beispiellosen -juristischen Streitfall dar.
Rückfragehinweis:
Claudia Mohl, WWF-Pressesprecherin, Tel. 01/488 17-250, E-Mail: claudia.mohl@wwf.at
Bettina Urbanek, WWF-Flussexpertin, Tel. 01/488 17 -275, E-Mail: bettina.urbanek@wwf.at
Thomas Alge, Geschäftsführer ÖKOBÜRO, Tel. 0699/102 951 59, E-Mail: thomas.alge@oekobuero.at
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