WWF erkämpft Akteneinsicht in Landes-Gutachten und belegt unvollständige Tiwag-Unterlagen – Sachverständige sehen offene Gefahren – WWF fordert Stopp des UVP-Verfahrens
Bedrohte Vielfalt: Naturschatzmanifest gegen Raubbau an Tiroler Naturjuwelen
Innsbruck, 24. Oktober 2014 – In beeindruckender und einzigartiger Geschlossenheit präsentierten sich heute in Innsbruck führende österreichische Umweltorganisationen, Bürgerinitiativen sowie Sportverbände um auf die Bedeutung der Tiroler Naturschätze und deren aktuelle Bedrohung hinzuweisen. „Die Tiroler Naturschutzpolitik befindet sich derzeit in einer bedenklichen Schieflage“, betonen WWF, Österreichischer Alpenverein, Naturfreunde und der Raftingverband Tirol. „Es ist fünf vor zwölf für die Zukunft einiger unserer schönsten Naturjuwelen!“ Grund genug für die Allianz der Naturschützer, die Schwarz-Grüne Landesregierung in einem heute vorgestellten Naturschatzmanifest aufzurufen, keine Verschlechterung von Tiroler Schutzgütern zuzulassen, sondern vehement gegen eine maßlose Ausbeutung der Natur einzutreten. Insbesondere einer einseitigen und anlassbezogenen Novellierung des Tiroler Naturschutzgesetzes stellen sich die Vereine und Initiativen entschieden entgegen.
War vor dem Eintritt der Grünen in die Landesregierung im vergangenen Jahr noch eine gewisse Aufbruchsstimmung bemerkbar, ist dieses Gefühl mittlerweile einer kollektiven Ernüchterung unter den Umweltschützern gewichen. „Wir sehen schwarz, wenn es um die Naturschätze Tirols geht“, fasst Walder vom WWF die trübe Stimmung zusammen. Trotz einiger positiver Veränderungen wie der in Aussicht gestellten Weisungsfreiheit des Landesumweltanwalts oder der Absicht, die freie Fließstrecke des Inn kraftwerksfrei zu halten, gingen wesentliche Entscheidungen der Schwarz-Grünen Landesregierung zu Ungunsten des Naturschutzes aus.
Ein Beispiel für die sozial und ökologisch unverträgliche Nutzung unserer natürlichen Ressourcen zeigt sich beim Ausbau der Wasserkraft. Rund 60 Vorhaben befinden sich derzeit allein in Tirol in Genehmigungsverfahren. Darunter sind auch die Projekte der Tiroler Wasserkraft AG, die derzeit beim Umweltminister in Wien zur Anerkennung aufliegen. Manche dieser Vorhaben verstoßen glatt gegen das Tiroler Naturschutzgesetz. „Es ist unverständlich und inakzeptabel, dass die Schwarz-Grüne Landesregierung bereit ist das Naturschutzgesetz den TIWAG-Projekten anzupassen statt dafür Sorge zu tragen, dass die Projekte des Landesenergieversorgers dem Gesetz entsprechen“, erklärt Christoph Walder, Leiter des WWF Tirol.
Alpen unter Erschließungsdruck: Naturverträgliches Wirtschaften gefragt
Der Österreichische Alpenverein fordert aufgrund der herrschenden „Goldgräber-Mentalität“ – jedem Tal sein Wasserkraftwerk, jedem Tal seine Seilbahnen – eine nachsichtige alpine Raumordnung im Einklang mit der Alpenkonvention, in dem bestehende Nutzungen optimiert und Freiräume für den naturnahen Tourismus und die Natur erhalten bleiben. Dabei spielen die Sicherung von Schutzgebieten und der Erhalt unerschlossener Räume eine zentrale Rolle. Die Ableitungen von hochwertigen Bächen für den Ausbau von Wasserkraftwerken wie Sellrain-Silz, die schitechnischen Ausbaupläne im Ruhegebiet Kalkkögel oder der Windpark am Sattelberg machen deutlich, unter welchem Druck die Alpen stehen. Dazu erklärt Gerald Aichner, Vorsitzender des Landesverbandes Tirol des Österreichischen Alpenverein: „Nur durch natur- und umweltverträgliches Handeln in Wirtschaft und Tourismus gelingt es die natürlichen Lebensgrundlagen in den Alpen zu erhalten.“
In diesem Licht sieht auch Leopold Füreder, Obmann der Naturfreunde Tirol, die geplante Verbindung der Schigebiete Axamer Lizum und Schlick über das Ruhegebiet der Kalkkögel. “Vor über 30 Jahren wurde hier eine Ruhezone zwischen lifttechnischen Erschließungen geschaffen, um im Nahebereich der Landeshauptstadt eine wilde und ursprüngliche Bergwelt zu erhalten. Und dabei soll es auch bleiben“, hat sich die Debatte für Füreder schon aus rein rechtlichen Gründen erledigt.
Herrliches Wildwasser und atemberaubende Natur: Tiroler Flüsse erhalten!
Auch der Raftingsport lebt von Tirols intakter Natur; insbesondere von seinen europaweit bekannten Wildwasserstrecken. Marcel Pachler, Obmann des Tiroler Raftingverbandes und Unternehmer, bringt es auf den Punkt: „Die wilden Wasser Tirols sind unsere wirtschaftliche Überlebensgrundlage.“ Der Outdoor-Sektor, darunter die an natürliche Gewässer gebundenen Sportarten Rafting, Kajakfahren und Canyoning, boten im Jahr 2013 mehr als 500 Menschen saisonal, sowie 100 Menschen einen Ganzjahresarbeitsplatz in der Region; Jobs für bis zu 60 Berg- und Wanderführer kommen noch hinzu. Der Raftingsport stellt also einen beträchtlichen Mehrwert für den Naturtourismus dar und sichert die Wertschöpfung für die Region seit drei Jahrzenten, ohne die Gewässer zu zerstören. „Wenn dem Inn und seinen Nebenflüssen Ötztaler Ache oder Sanna durch Großprojekte wie z.B. das GKI das Wasser entzogen wird, geht dem Tiroler Oberland wichtige regionale Wertschöpfung im Ausmaß von 38 Millionen Euro pro Jahr verloren! Dieser Tourismus der Nachhaltigkeit, der sich über 30 Jahre lang etabliert hat, würde zur Gänze aussterben, und damit verbunden die Arbeitsplätze und das Jobangebot für junge Menschen“, warnt Pachler.
Isel:Investitionen in nachhaltige Entwicklung statt Kraftwerks-Jammer
Auch Osttirol gilt als wahres Wildwasser-Eldorado. Das ist vor allem dem Herzfluss Osttirols, der Isel, zu verdanken. Als Obmann des Landschaftsschutzvereins Osttirol beobachtet Wolfgang Retter mit zunehmender Besorgnis die Entwicklungen in seinem Bezirk. Für 15 regionale Kraftwerksvorhaben sollen Flüsse abgeleitet, aufgestaut und turbiniert werden – darunter auch die kritischen Projekte an Oberer Isel, Kalserbach und Schwarzach. „Wir haben jetzt die historische Gelegenheit, Osttirol mit einer fachlich fundierten Ausweisung des Natura 2000-Gebiets ‚Gletscherflusssystem Isel und Nebenflüsse‘ als Modellregion zu etablieren, in der die intakte Landschaft der Antrieb für Entwicklung und Wohlstand ist. Anstatt diese Chance wahrzunehmen, laufen die Bürgermeister der betreffenden Gemeinden nun schon seit Monaten Sturm gegen eine Unterschutzstellung des Gebiets. Sie ignorieren dabei, dass es im Tiroler Lechtal seit der Einführung von Natura 2000 wirtschaftlich kontinuierlich aufwärts gegangen ist”, gibt Retter zu bedenken.
Naturschatz-Manifest für die Perlen Tirols
„Zum ersten Mal seit rund 30 Jahren, soll das Tiroler Naturschutzgesetz in wesentlichen Kernpunkten verschlechtert werden“, resümieren die Naturschutzorganisationen. „Einen solchen Anschlag auf die Tiroler Natur können wir nicht unwidersprochen lassen!“. In ihrem Manifest fordern die beteiligten Vereine und Initiativen daher einen Stopp des rücksichtslosen Umgangs mit der alpinen Landschaft und ein klares Bekenntnis der Landesregierung zum wirksamen Schutz der einzigartigen Natur- und Kulturlandschaft Tirols und seiner reichen Fauna und Flora. Sie laden alle Tirolerinnen und Tiroler zum Besuch des Naturschatzfestes am Samstag, den 25. Oktober von 16 bis 22 Uhr am Innsbrucker Marktplatz ein.
Rückfragehinweis:
Franko Petri, WWF-Pressesprecher, Tel. 01 488 17 – 231, E-Mail: franko.petri@wwf.at
Claudia Mohl, WWF-Pressesprecherin, Tel. 01 488 17 – 250, E-Mail: claudia.mohl@wwf.at
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