Es braucht ein Time Out, um die Dringlichkeit von Natur- und Klimaschutz zu unterstreichen. Nehmen wir uns bewusst 60 Minuten unserer Zeit, in denen wir die Natur wieder zurückholen, uns politisch engagieren, eine Petition unterschreiben oder uns mit anderen Menschen über Natur- und Klimaschutz unterhalten.
Mit der gemeinsamen Aktion „Renaturieren statt Betonieren“ zur WWF Earth Hour können wir ein Zeichen setzen und eine politische Trendumkehr einfordern.
Umstrittenes Kraftwerk Telfs: Gemeinden bekräftigen ihr Nein

Innsbruck, 14. April 2011 – Im Kampf gegen das umstrittene Innkraftwerk Telfs bekräftigt eine breite Front aus Anrainergemeinden, Fischereiverband und WWF ihren Widerstand. „Dieses Kraftwerk kann nur mehr mit der Brechstange verwirklicht werden“, sind sich die Kritiker einig. „Die Tiroler Landesregierung müsste dafür das Naturschutzgesetz außer Kraft setzen und ihren eigenen Kriterienkatalog aushebeln.“ Zudem durchkreuzen Projekte wie Telfs, für die es keine ökologisch und sozial verträgliche Variante geben kann, die jahrelangen Bemühungen des Vorzeigeprogramms „der.inn – lebendig und sicher“.
„Das Land hat seit drei Jahren über zwei Millionen Euro in Flusssanierung und Hochwasserschutz am Inn gesteckt, um verloren gegangene Flusslebensräume wieder herzustellen“, erinnert Christoph Walder vom WWF. „Es ist paradox, wegen eines gesetzwidrigen Kleinkraftwerkes das in Wahrheit niemand braucht, dem ökologisch schon schwer beeinträchtigten Landesfluss weiter zuzusetzen.“ Die Projektsgegner fordern die Tiroler Landesregierung auf, noch im April einen Inn-Gipfel einzuberufen. Nur in einem offenen und ehrlichen Dialog kann über Schutz und Nutzung des Tiroler Landesflusses entschieden werden.

Striktes Nein der Gemeinde Rietz als hauptbetroffene Gemeinde
„Die IKB hat seit zwei Jahren nicht mehr mit mir geredet“, beklagt Bürgermeister Gerhard Krug aus Rietz. „Wenn sie glauben, dass sie einfach über uns drüber fahren können, so werden sie ihr blaues Wunder erleben! Bei uns wären über 100 Haushalte mit dem Grundwasserproblem betroffen, ebenso geht es bei uns um den Hochwasserschutz sowie um die Erhaltung des Naherholungsgebietes. Weiters verlieren wir für uns wertvollen Grund und Boden.“
Sein Amtskollege aus Stams, Franz Gallop, weist auf den Verlust des einzigartigen Erholungsraumes für seine Region hin und fürchtet zudem massive Grundwasserprobleme, wie sie von anderen Laufkraftwerken am Inn bekannt sind: „Wir sehen ja am Beispiel von Langkampfen, was passieren wird: Oberhalb der Staumauer stehen unsere Felder und Keller unter Wasser, und unterhalb fällt der Grundwasserspiegel dramatisch ab. Deshalb hat die TIWAG auch von der Realisierung des Kraftwerks Breitenbach abgesehen.“ Von Seiten der Gemeinde Rietz werde es jedenfalls keine Zustimmung für das Projekt geben.

Es geht um das „wo“, nicht um das „ob“
Die Gegner weisen darauf hin, dass ihre Kritik nicht gegen die Wasserkraft insgesamt ziele, denn diese spiele eine wichtige Rolle in der Tiroler Stromversorgung. Man ist Kraftwerken am Inn, die etwa an den Rändern bestehender Stau- und Restwasserstrecken liegen, nicht prinzipiell abgeneigt. Solche Standorte würden mit dem Kriterienkatalog keine Probleme haben und energiewirtschaftlich wesentlich besser abschneiden. „Aber für ein Kraftwerk, das so wenig Strom produziert wie Telfs, dürfen wir keine derart brutalen Eingriffe in die Flusslandschaft des Inn zulassen“, so die Gegner unisono.
Fischereiverband drängt auf Kriterienkatalog
Die Geschäftsführerin des Tiroler Fischereiverbandes, Evelyn Holzer, unterstreicht: „ Wir haben dem Kriterienkatalog zugestimmt, weil uns von Landesseite bestätigt wurde, dass der Kriterienkatalog ein geeignetes Planungsinstrument darstellt, das zwischen ,guten‘ bzw. geeigneten und ,schlechten‘ oder ungeeigneten Kraftwerksprojekten unterscheiden wird.“ Eine Realisierung des KW Telfs ist dem Tiroler Fischereiverband allein aus gewässerökologischer Sicht als defacto unmöglich präsentiert worden, da die nötigen Ausgleichsmaßnahmen zu hoch sein würden. Die Aussagen der Experten wurden dahingehend interpretiert, dass der Kriterienkatalog kein „Freibrief“ für alle geplanten Kraftwerke sein soll, sondern eben ein geeignetes Instrument um auch gewässerökologisch sensible Gewässer zu schützen. „Wir möchten festhalten, dass jedenfalls aufgrund des Kriterienkataloges und der sonstigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu entscheiden ist und dann eben laut der gewässerökologischen Bewertung 30 Kilometer Inn zu renaturieren sind“, so Holzer.
Der Tiroler Fischereiverband pocht auf die Anwendung des Kriterienkataloges. Nicht zuletzt befassten sich Behörden, NGOs, Interessensvertreter und Experten zwei Jahre lang mit dessen Ausarbeitung.

WWF fordert „Inn-Gipfel“
Für den WWF gefährdet die derzeitige Patt-Situation nicht nur die von allen geschätzte Gemeinschaftsinitiative „der.inn“, sondern auch die ordnungsgemäße Umsetzung der EU- Wasserrahmenrichtlinie am Inn. Sie schreibt vor, dass alle Fließgewässer bis 2027 in einem „guten ökologischen Zustand“ erhalten oder in einen solchen rückgeführt werden müssen. Jedenfalls darf sich der ökologische Zustand nicht verschlechtern. Da jedoch fast der gesamte Inn als „schwer beeinträchtigt“ eingestuft ist und nur rund zwei Prozent des Flusslaufes noch ökologisch intakt sind, würde das Kraftwerk Telfs die Erreichung des EU-Zieles verunmöglichen.
„Es gibt einfach keinen vernünftigen Grund – weder energiepolitisch, noch wasserwirtschaftlich, noch aus Sicht des Naturschutzes – diesen festgefahrenen Weg weiter zu gehen“, ist Christoph Walder vom WWF überzeugt. Er regt daher die rasche Einberufung eines „Inn-Gipfels“ an, um auf Basis von „der.inn“ und der Entwicklung eines Regionalplanes Inn eine tragfähige Grundlage für die Gewässerentwicklung des Tiroler Landesflusses zu schaffen. „Unsere Hoffnung liegt jetzt bei der Tiroler Landesregierung. Es müsste doch auch in ihrem Interesse liegen, einen Konsens für sinnvolle Entwicklungsschritte herzustellen und nicht Konflikte zugunsten eines Kleinwasserkraftwerkes zu prolongieren, das die Kriterien des eigenen Kataloges nicht erfüllt“, so Walder abschließend.
Download der Bewertung des KW Telfs nach dem Kriterienkatalog: Grafik: Innkraftwerk Telfs
Rückfragehinweis:
Claudia Mohl, WWF-Pressesprecherin
Tel. 01/488 17 250, E-Mail: claudia.mohl@wwf.at
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